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einen solchen Eindruck beym Zuschauer machen, nicht so subtilisiren, und diefs dünkt mir, ist unsers Lefsings Methode. So bald man keine Acktrize hat, die der Julie nicht gewachsen ist, sollte man den Romeo nicht spielen, da die ganze Stärke des Tragischen auf dieser Person liegt. Ich habe deswegen unsern Koch gebeten, seit die Msll. Schulzin das Theater verlafsen, sie nicht wieder zu spielen. Ihr Döbbelin mag wohl bisweilen ein närrischer Mann seyn: er beehret mich seit einiger Zeit mit seinen Briefen, die bisweilen sehr prahlerisch klingen: er scheint aber doch viel Feuer und guten Willen zu haben, und in dieser Aussicht verdient er immer Ermunterung: ich wollte, dafs man unserm Koch etwas von dem ersten abgeben könnte....

Ich schicke Ihnen, liebster Freund, das neue Stück meiner Bibliothek und den ersten Band meiner Kleinen Komischen Opern mit. Voller Unwillen habe ich diese dem Drucke überlafsen unsere Herrschaft hatte sie an der Michaelmesse gesehen, und verlangte Abschriften davon. Ich sah im Voraus, dafs sie alsofort in mehr Hände kommen, und vielleicht ohne mein Vorwifsen durch einen dienstfertigen Geist würden gedruckt werden. H. Hiller, der sie in Musik gesezt, machet auch Anstalt, die Composition davon herauszugeben. Was wolte ich machen? Könnte ich Ihnen unsere Steinbrecherin mitschicken, die sie Ihnen vorspielte, so wollte ich mich noch zufrieden geben. Mit der Mad. Brandes will es noch nicht fort: sie verliehrt bey unsern übrigen Acktrizen zu viel, obgleich diese auch nicht untadelhaft sind.

Man sagt mir von einer so schönen Cantate, die Sie sollen gemacht haben. Sie werden mir doch diese schicken? eine Zeile von Ihnen ist mir lieber als zehn Riefs Jakobisches und Gl[eimsches] Gekindere. 2 Dem ersten kann ich es verzeihen, denn Gl. ist einmal der hällische Idol: aber wenn dieser noch mit Schnellkäulchen spielt, und Haselnüfse knackt, das ist zu arg:

Pygmalion, Eine Kantate. 1768. [16 SS.] 8o.

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Geht auf die Briefe von den Herren Gleim und Jacobi. [vign.] Berlin 1768 (VIII, 366 SS.) und die „Briefe von Herrn Johann Georg Jacobi. [vign.] Berlin 1768" (102 SS.).

dafs er es aber im Angesichte der ganzen Welt thut, ist das lächerlichste....

H. Vofs oder H. Nicolai wird Ihnen erzählen, dafs uns unser Lessing noch von Hamburg aus besuchet. Ich bin aber des Glücks seines Umgangs ganz beraubet: zweymal habe ich ihn unter dem Geräusche vieler andern Personen gesprochen, und morgen gehe ich aufs Land, weil zu Ende der Woche wieder meine Amtsgeschäfte angehen, und ich doch im Voraus sehe, dafs ich seiner unter der vielen Zerstreuung nicht würde geniefsen können. Es thut mir weh; denn er ist einer meiner ältesten und liebsten Freunde: es ist aber nicht zu ändern. Er läfst, wie er mir erzählet, ietzt eine Monatsschrift in Gesellschaft des Hn. Boden in Hamburg drucken, wo wir im 1. Stücke, Herrmannsschlacht, von Klopstocken, und im 2ten Ugolino, von Gerstenberg, beydes Trauerspiele finden sollen: er verlangt von mir Beiträge. Da ich nichts vorräthig habe, als die Kleinen Liederchen, die ich Ihnen, mein liebster Freund, geschicket, so wäre die Frage, ob Sie einige für würdig hielten, in dieser Gesellschaft zuerscheinen: auf diesem [!] Fall bät ich Sie gelegentlich darum, weil ich ihm gern nur einigermalsen willfahren möchte. Ich kenne seine Empfindlichkeit, wenn man ihm etwas versagt.

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Indem ich diefs schreibe, erhalte ich einen zweyten Brief von Ihnen: Ihre vortreffliche Cantaten! neue Verbesserungen meines Krispus! O der allerbeste, liebste Rammler, was für ein Freund ist das. ... Sorgen Sie nicht, dafs ich unserm Lessing etwas von der Geschichte des Krispus entdecket habe und entdecken würde: alles was Sie mir sagen, bleibt in meinem Herzen verschlofsen, und nichts soll es ihm entreifsen.

Endlich hat Bodmer seinen papiernen Drachen wider mich. los gelafsen, nachdem Prof. Sulzer, durch den Hn. Gellius hier alle Buchhändler vergebens aufgeboten, den Verlag zu übernehmen. Der alte pofsirliche Mann verderbt seine Kritiken

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1 Vgl. Lessing an Nicolai (2. II. 68). Guhrauer? S. 204 f. Über das Scheitern des Planes Lessing an Nicolai (29. XI. 68), Klopstock an Gleim (19. XII. 67). Muncker, Lessings Verhältnis zu Klopstock S. 182.

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immer mit der Brühe, die er drüber giefst: ich kann ihm die Freude gönnen und allen denen, die Geschmack dran finden; wenn er aber klug wäre, so hätte er seine politischen Dramata nicht hinzusetzen sollen. Schade auf die kritischen Ungezogenheiten. Wenn mich mein Rammler befsert, so mögen mich hundert solche Radoteurs schimpfen. . . .

(Fortsetzung folgt.)

Molière, Wycherley und Garrick.

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Bei einer Durchsicht von Bells British Theatre stiefs ich auf eine Bearbeitung von Wycherleys „Country Wife". Dieselbe ist betitelt The Country Girl", und der Verfasser ist kein geringerer als David Garrick. Das Stück ist zur Aufführung gekommen zunächst auf Garricks eigener Bühne, Drury Lane, sodann auf anderen Theatern. Aus einer Bemerkung des Herausgebers (London, John Bell, 1791) geht hervor, dafs dasselbe einen durchschlagenden Erfolg gehabt und jedenfalls lange Zeit sich auf dem Repertoire gehalten hat. Die Bemerkung betrifft die Schauspielerin, die auf dem Drurylane-Theater die Titelrolle darzustellen hatte. Es heifst da: „It would be unpardonable if we were to close this article without observing, that the excellence of Mrs. Jordan in the Country Girl is so powerful every girlish trick so minutely and naturally delineated, that we pronounce the performance to be Her chef d'oeuvre, and assuredly the boast of modern acting."

Wie erklärt sich nun ein solcher Erfolg? Gewifs nicht allein aus dem vorzüglichen Spiel der Mrs. Jordan. Dem Dichter mufs doch auch sein Anteil an dem Erfolge bleiben. Wer ist nun in diesem Falle der Dichter, der den Löwenanteil an unserer Bewunderung zu fordern hat? David Garrick, der das Stück bearbeitet und für die Bühne zurecht gemacht hat, oder Wycherley, der eigentliche Verfasser? Oder aber endlich ein gröfserer, der ein erhabenes Muster ihnen vorhielt?

Bell's British Theatre. Consisting of the most esteemed English Plays. Vol. XIII. London, George Cawthorn, 1797.

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Das zweite Heft des 72. Bandes des Archivs enthält eine Abhandlung von mir, betitelt: Molières École des Femmes" und Wycherleys Country Wife". Zweck derselben war, zu untersuchen, was denn Wycherley aus Molière entlehnt habe, als er seine Country Wife" schrieb. Die Vergleichung ergab eine recht weitgehende Benutzung des französischen Stückes. In der Anlage des Ganzen, in der Führung der Handlung und in der Verknüpfung der Situationen stellte sich eine ausgesprochene Ähnlichkeit zwischen beiden Dramen heraus. Einen Nachtrag nun zu jener Abhandlung sollen die folgenden Zeilen bilden. Unter Zugrundelegung der dort gewonnenen Resultate will ich hier die „Country Girl" von David Garrick betrachten. Unsere Untersuchung zerfällt von selbst in zwei Teile. Der erste Teil wird zum Gegenstande haben die Beziehungen von Garricks „Country Girl" zu Wycherleys Country Wife", im zweiten Teil wird es darauf ankommen, festzustellen, welchen direkten Einflufs die Molièresche École des Femmes" auf das Garricksche Lustspiel gehabt hat.

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Der Übersicht wegen schicke ich die Personenverzeichnisse der drei Stücke voraus. Diejenigen Personen, welche den einzelnen Stücken eigentümlich sind, mithin keine Vergleichung zulassen, sind mit Klammern versehen.

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