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Wie eine Stimme zu der andern rief
Gleichwie Ablösungsrufe nächt'ger Wachen.

Und Abends oft sah ich am Himmelsdach
Dem Ziehn der regenschwangern Wolken nach
Hier: hell umfäumt und rosig angehaucht

Ziehn fie einher dort: dunkel, riefiggroß

Steigt's wie ein Zauberschloß aus ihrem Schoß...
Da fährt ein jäher Windstoß auf, und wild
Zerstört er, schneller als es aufgetaucht,
Das wundersame, luftige Gebild,

Das, aus der Nacht erzeugt — in Nacht entweicht.
(Gleichwie zerstörend Kettenklirren bricht

Durch des Gefangnen nächtlich Traumgesicht,
Das ihm der Heimatfluren Bild gezeigt)
Indessen, weißer als die Gletscher, flieht

Gen Westen hoch ein Wölkchen nach dem andern.
Ihr heller, leichtbeschwingter Reigen zieht
Die Abendröthe mit im luft'gen Wandern,
So leicht, so sorglos schweben sie einher,
Als ob ihr kurzes Sein ein ew'ges wär!..

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*) Alle wie hier mit Punkten ausgefüllten Stellen sind von der Russischen Censur gestrichen.

III.

Wild find die Stämme jener wilden Schluchten,

Im Kampf, zum Kampfe, wachsen sie heran,
Kämpfend beginnt das Kind, endet der Mann.
Der »Russe« ist des Kampfes Losungswort,
Die Mutter schreckt damit ihr Kindlein dort;
Verzeihung kennt selbst nicht das Kind, das schwache,
Treu ist die Freundschaft, treuer noch die Rache.
Kein Blut fließt dort, das ungerochen bliebe,
Doch maßlos wie der Haß ist auch die Liebe.

IV.

Graunvoll sind ihre Sagen. Ein Tschetschen,
Den durch's Gebirg ich mir zum Führer wählte,
Ein alter Insaß des Kasbék, erzählte
Mir eine solche Stammesmär' im Gehn.
Er pries die Vorzeit, führte mich des Wegs
Zu dem berühmten Steine Roslam - Begs,
Der hoch den frummen Fußpfad überdeckt,
So schwebend, ohne Stüzen hingestreckt,
Als ob die Luft ihn trüge.
Umgrünt ihn üppig, und in seinem Schatten,
Gleichwie in einem Tempelheiligthume,
Wächst hoch und lieblich die Erinnrungsblume.
Sie blüht und duftet, hat nicht Sorge, daß
Der Stein herabstürzt auf die grünen Matten.

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Moos und Gras

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Unter dem alten, moosbewachs'nen Stein
Einstmals saß der Tschetschen mit mir allein,
Felsgrau umkräuselte der Bart sein Kinn,
In stillem Sinnen schaut' er vor sich hin...
Vielleicht für seine Heimat betet er -
Ich fremder Pilger wagte nicht zu sprechen
Stumm wie der Greis ragt das Gebirg umher
Das Schweigen wagt' ich nicht zu unterbrechen.

V.

Bald wild, bald traurig klang, was er erzählt.
Ich hab's zum Inhalt dieses Lieds gewählt.
Mag es auch seltsam Euch im Norden klingen,
Wie ich's gehört, so will ich's wiedersingen.
Ich mag es als Geheimniß nicht bewahren
In meiner Brust, ich muß es offenbaren.
Nicht um die Gunft der Menge zu erstreben
Sing ich mein Lied - denn kein Verlangen hegt
Nach solchem Kranz, wer Stolz im Busen trägt:
Gesang und Liebe find des Dichters Leben,,
Das ohne diese grau und öde ganz,

Wie nächt'ger Himmel ohne Sternenglanz.

VI.

»Wo tief zu Thale, zwischen Kieseln,
Podkumofs reine Wasser rieseln,
Wo hinterm Mas chuk1) aufersteht
Der Tag, beim Beschtau 2) untergeht
Unfern den fremden Steppenlanden
Einst blühende Aoule standen,

Durch keinen Streit und Haß entzweit.
In jedem Haus der Wandrer fand
Ein schützend Dach und gaftlich Mahl
Noch frei und glücklich dazumal
War der Tscherkeß im eignen Land.
Berühmt durch ihre Schönheit waren
Des Landes Töchter weit und breit,
Und Greise übten, hocherfahren,
Das Richtamt bei der Jugend Streit.
Von Luft erklang der Barden Sang
Durch's Land: Sie kannten dazumal
Noch nicht der Russen Gold und Stahl!

VII.

Nie ganz treu ist das Glück im Bunde,
Es kommt und geht wie Tag und Stunde.
schen war der Tag vollbracht,

Einftmals,

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Dicht sah man rings die Nebel schweben,
Nacht ward's, doch sollte diese Nacht
Den Menschen keine Rube geben.
Die Heerden bang die Erde scharrten,
Die hohen schweren Arbas 3) knarrten,
Die Burka) umgethan, die warme,
Saßen die Männer stumm zu Pferde,
Geschäftig die Pistolen ladend
Und jede Mutter þielt im Arme
Ihr zitternd Kind, mit Angstgeberde
Sich und ihr Kind in Thränen badend
Was man nicht mitnahm aus dem Land,
Ward aufgethürmt und dann verbrannt.
Die nächste Morgensonne zeigte
Davon noch Asche, Trümmer nur,
Und als der Wind den Nebel scheuchte,
Den dicken, von der feuchten Flur,
Sah man rings um die Berge her
Nur wüste Häuser, wüftes Land,
Drauf einen Rest von Feuerbrand,
Und frische Räderspur

nichts mehr.

F. Bedenstedt. VII.

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