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10.

Weint und flagt Gregors alte Frau

Wie eine Wachtel, eine Wachtel auf öder Au.

Hat die junge Schwester Windröschen *) gepflückt,
Und fragend auf zur Alten blickt:

Was bedeuten die Blümlein weiß und roth, Des Kosaken Leben oder seinen Tod?

»Die Blumen wuchsen, mein Täubchen, im Walde hier, Das Unglück pflückte fie, das Unglück gab sie dir!«

Kind weine nicht, trockne die Thränen ab:
Du weckt nie unsern Jwan im kalten Grab!

*) Windröschen im Kleinrussischen ßon trawa Anemone patens; die Völker der Ukraine schreiben dieser Blume prophetische Eigenschaften zu, und eben deswegen scheint mir obiges Lied der Be achtung werth. Bekanntlich schossen, nach der Mythologie der Alten, die Anemonen aus den Thränen auf, welche Venus über Adonis weinte.

11.

„Sag', Mädchen, wo werden wir schlafen zur Nacht? «

»Im Schatten dort unterm Tannenbaum,

Der hoch her hinter der Wiese ragt. «»Doch worauf, mein Mädchen, schlummern wir ein?« - »Auf des hohen Rasens schwellendem Flaum, Das wird unser weiches Bette sein! « »Sag', Mädchen, womit wir uns bedecken?«

»Uns hüllt der Nacht schwarze Decke ein!«
»Und wer wird am frühen Morgen uns wecken?«
»Das Gezwitscher der muntern Vögelein! «

»Und wachen wir auf beim Tageslicht,
Womit waschen wir Hände uns und Gesicht? «
-»Du wäschst mit dem frischen Morgenthau dich,
Ich mit meinen bittern Thränen mich!«

»Doch was zum Frühstück essen wir, Mein Mädchen! eh' wir uns trennen hier?« »Du wirst dich von des Waldes Beeren Ich mich von meiner Schande nähren!«

»Und hernach mein Mädchen, wohin gehen wir?«
- »Geh' zum Teufel, geiler Verführer du!
Ich fliehe den dunklen Wäldern zu!«

12. *)

Hoch zwischen Blumen und Wintergrün,
Die auf dem Gipfel des Berges blühn,

Sizt eine Wachtel und hellen Tons singt sie.

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Auf, auf! junge Burschen, wer fängt sie, wer bringt sie?

Und es spricht der Starost: **) Nein, ich trete zurück,
Mein Roß überklimmt nicht den Felsenrück,
Und die Sonne wird längst untergehn,
Eh' wir auf dem Gipfel des Berges stehn!

Hoch sigt die Wachtel und hellen Tons singt sie.
Wer von euch Burschen wagt es, wer bringt sie?

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Und es spricht der Woït: ***) Nein, ich wag' es nicht, u. s. w.

Hoch sizt die Wachtel und hellen Tons singt sie.
Wer von euch Burschen wagt es, wer bringt sie?

Und es spricht der Chorundshi: †) Nein, ich wag' es nicht, u. s. w.

*) Ein Hochzeitslied, welches ich nebst einigen andern Liedern, einer von Venceslaw Zaleski 1833 in Lemberg herausgegebenen Sammlung von galizischen Volksliedern in russischer und polnischer Sprache entlehnt habe.

**) Starost

***) Boit

Amtmann oder Aeltester eines Dorses.
Prevôt.

†) Chorundshi — Fahnenträger in einem Kosakenregimente.

Hoch sitzt die Wachtel und hellen Tons singt sie. Wer von euch Burschen wagt es, wer bringt sie?

Da ruft alles Volk in wildem Hauf:
»Der junge Bafil, der steigt hinauf!
Der wird auf des Berges Spize gelangen,
Noch ehe die Sonne untergegangen!
Sein falber Hengst ist schnell wie der Wind,
Er überspringt Felsen und Sträuche geschwind
Er wird auf den Gipfel des Berges gelangen,
Und Basil die singende Wachtel fangen!«

Die Wachtel dort oben ist die junge Marie.
Der brave Kosak schaut hin auf sie
Und er wirft von sich sein blank Geschoß;
Und er spornt sein Roß, sein falbes Roß,
Kommt auf dem Gipfel des Berges an -
Bei der Hand nimmt er Maria dann,
Führt sie ihrem Vater entgegen
Und bittet um seinen Segen.

13.

Beugen fich die dichten Zweige

Vor dem Hauch des Windes
Feld entlang die schwarzen Augen
Späh'n des lieben Kindes.

Beugten sich die dichten Zweige,
Doch nach oben kehren

Späh'ten lang die schwarzen Augen,

Füllten sich mit Zähren.

Weiden, die ich selbst gepflanzet,
Stehn am Bach und rauschen
Des Kosak, des Liebsten Stimme
Wirst du nimmer lauschen!

Der Kosak ist fortgeritten

Nach der Desna *) Borden,

Wachs' noch junges Mädchen, bis es

Wieder Frühling worden!

Wuchs wohl, wuchs das junge Mädchen;
Wieder Frühling ward es -

Weinte, weinte heiße Thränen:
Des Kosaken harrt es.

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