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Da meines Wissens eine zusammenhängende Darstellung der historischen Entwickelung der Relativpronomina in der englischen Sprache, ausser in den beiden Grammatiken von Koch und Mätzner, fehlt, glaube ich keinen unwesentlichen Beitrag zur Geschichte der englischen Sprache zu liefern, wenn ich versuche die interessante Geschichte dieser Pronomina genauer zu verfolgen.

So zahlreich auch verdienstliche grammatische Bemerkungen in den verschiedenen Monographien, die die Sprache in den verschiedenen Perioden behandeln, gegeben worden sind, für unsern zu behandelnden Gegenstand fanden wir selten mehr als die einfache Constatirung der vorkommenden Formen, höchstens mit einigen wenigen Beispielen belegt; Bemerkungen über Anwendung und Gebrauch fehlen fast vollständig. Wir werden nicht verfehlen zum Beweise unserer hier aufgestellten Behauptung die von uns eingesehenen Dissertationen und Abhandlungen pflichtschuldigst anzuführen, indem wir auch so noch in bibliographischer Hinsicht, so weit es eben möglich ist, uns bemühen wollen, vollständig zu sein. Was soeben von den Monographien, unsern Zweck betreffend, gesagt worden ist, gilt, wenn auch nicht in demselben Masse, doch annähernd ebenso von den Grammatiken, die speciell die verschiedenen Perioden der englischen Sprache betrachten, mit Ausnahme der bereits erwähnten historischen Grammatik von Koch (die für unsern Zweck aber das Neuangelsächsische nicht genügend berücksichtigt) und der von Mätzner (die ja in

anderer Weise als Koch rückwärtsschreitend die moderne Sprache aus den älteren Vorstufen erklärt). Die wissenschaftliche Grammatik von Fiedler und Sachs bietet für unsern Zweck wenig, noch dürftiger ist die ziemlich oberflächliche Grammatik von Loth.

Die angelsächsischen Grammatiken von Rask, J. Grimm, Moritz Heyne, Carpenter geben für unsern Zweck herzlich wenig; eingehender behandelt die angelsächsische Sprache: A comparative Grammar of the Ags. Language by Fr. A. March 1880.

Für die Periode des Neuangelsächsischen giebt es bis jetzt zwei verdienstliche Abhandlungen von Witte in Kölbing's „Englischen Studien", leider ist die versprochene Arbeit über das neuangelsächsische Relativpronomen noch nicht erschienen.

Eine zusammenhängende umfassende Darstellung für die nächste Periode ist uns unbekannt, hier fliessen aber die Bemerkungen reichlicher besonders in den Abhandlungen über Chaucer, Spenser etc. Nicht vergessen wollen wir zu erwähnen die als Einleitung gegebene Grammatik zu den

,,Altenglischen Dichtungen des M. S. Harl. 2253" mit Grammatik und Glossar ed. v. Dr. K. Böddeker 1876.

Den Sprachgebrauch Shakespeare's behandelt die bekannte ,,Shakespearian Grammar" von Abbot.

Grammatiken, die das moderne Englisch behandeln, sind im Ueberfluss vorhanden; wir haben besonders die von Bernh. Schmitz, Gesenius und Im. Schmidt eingesehen. Dankenswerthes Material stand uns ferner zur Verfügung in den Bemerkungen, welche in den unvergesslichen Vorlesungen des leider zu früh der Wissenschaft verlorenen Prof. Theodor Müller in Göttingen gesammelt wurden.

Die Abwesenheit des Relativpronomens als eines Bestandtheils der Sprache ist eine auffällige Erscheinung in allen germanischen Dialecten; als Ersatz dienen in grammatischer Hinsicht andere Pronomina oder Partikeln.

Es ist eine wohlbekannte Thatsache, dass eine Sprache in ihrer frühsten Periode eine ausgedehnte Syntax entbehrt, weil der Mangel grammatischer Formen für Beziehungen und Verbindungen nicht so lebhaft und so peinlich empfunden wird als in einem höchst entwickelten Idiom. Die Hauptstärke einer Sprache in ihrer Jugendzeit besteht in einem gewissen Flexionsreichthum. Je mehr eine Sprache gesprochen und literarisch verwendet wird, desto mehr verliert sie die Reinheit ihrer flectirten Formen nothwendig hängt mit dem Verfall der Flexionen die Ausbildung der Syntax zusammen, die als Compensation für den erlittenen Verlust eintritt; die Sprache folgt so allmälig in ihrer Gliederung einem logischen Zwange. Im Verlaufe unserer Arbeit werden wir öfters Gelegenheit nehmen auf das eben Gesagte zurückzukommen. Betrachten wir jetzt unseren besonderen Fall als Illustration für die obige allgemeine Behauptung.

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Die germanischen Sprachen umschreiben die relativischen Beziehungen in einer vérschiedenen Weise, aber alle gebrauchen, als eine Folge ihrer nahen Verwandtschaft, bis zu einem gewissen Grade, verschiedentlich modificirt, das Demonstrativpronomen als Relativum. Wir müssten indessen fürchten die Grenzen der vorliegenden Arbeit zu überschreiten, würden wir in eine weitere Erörterung dieser Frage eintreten und genauer die verschiedenen Fälle specificiren, so verführerisch die Gelegenheit auch ist eins der interessantesten Capitel der vergleichenden Sprachforschung zu berühren; wir müssen uns damit begnügen die Thatsache erwähnt zu haben.

Es dürfte nun nicht überflüssig sein, bevor wir ver

suchen eine Geschichte der relativen Pro nomina in der englischen Sprache" zu skizziren, die verschiedenen Epochen in der Entwickelung dieser Sprache festzustellen.

Aus Opportunitätsgründen und ohne in den noch nicht entschiedenen Streit einzutreten ob Angelsächsisch1) oder Altenglisch berechtigt ist die erste Epoche zu heissen, nehmen wir vier Perioden an: Angelsächsisch (ags.) Neuangelsächsisch (Nags.) Altenglisch (Aengl.) und Neuenglisch.

Die angelsächsische Periode soll gerechnet werden. vom achten Jahrhundert an (d. h. von der Zeit, aus der die frühsten geschriebenen Denkmäler auf uns gekommen sind) bis zum Ende des elften Jahrhunderts. Zwischen dem reinen Angelsächsisch und dem Anfang des Altenglischen (1250) möchten wir als besonderen Abschnitt das Neuangelsächsische oder Halbsächsische (SemiSaxon), die Periode des Verfalls der alten angelsächsischen Sprache annehmen. Durch den Abschnitt von 1250 bis zur Regierung Elisabeths, der grössten Blüthe der englischen Literatur in den Tagen Spensers und Shakespeare's, begrenzen wir das Altenglische und beginnen das moderne Englisch mit Shakespeare (1600) 2).

1) cf. über diesen Ausdruck Grein: Anglia I, p. 1-4.

2) Sehr wohl ist uns bekannt, dass jetzt von verschiedenen Gelehrten, besonders ausgehend von den Engländern, in der Geschichte der englischen Sprache eine Dreitheilung beliebter ist, indem aengl., mittengl. und neuengl. unterschieden wird, wobei dann unsere zweite Periode zu dem Mittelengl. hinzugezogen wird. Es wird dadurch aber eigentlich nichts geändert, denn diese Vereinfachung ist doch nur scheinbar, da nun in der mittelengl. Epoche ein früherer und ein späterer Sprachgebrauch streng unterschieden werden muss. Für vorliegenden Fall dürfte es aus inneren Gründen angebrachter sein, das Neuangelsächsische als eine besondere Periode zu betrachten.

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