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Beichen bestimmt seyn, wenn man bedenkt, daß Gott das ganze System seiner Absichten durch wirkende Ursachen hat ins Werk gerichtet, und also auch die Erscheinung dieser Zeichen mit seinen Absichten verbunden haben kann.

§. 115.

L'imperfection est aussi contraire pour le moins à la nature de Dieu, que le non-être. C'est là la première de Mr. Bayle, que l'athéisme n'est pas un plus grand mal, que l'idolâtrie.

Die Schwierigkeit hierbei ist nur, daß man die Gränzen nicht weiß, wie weit sich dieses erstrecke. Die mindeste Unvollkommenheit ist der Natur Gottes so sehr zuwider, als das Nichtseyn; und also wird derjenige z. B., der da glaubt, Gott existire in der Zeit und in dem Raum, eben so schlimm daran. seyn, als ein Atheist. Was für ein Unglück, wenn sich dieses also verhielte!

Jedoch die Gründe des Plutarch sind nicht die bündigsten. J'aimerois bien mieux, fagt er, que tous les hommes du monde disent, que Plutarque n'a jamais été, que s'ils disoient: Plutarque est un homme inconstant, léger etc. Dieses läßt sich vom Plutarch gedenken, der um seinetwillen gekannt seyn will. Gott aber will von uns unserer Glückseligkeit halber gekannt seyn. So lange also die Erkenntniß, die wir von Gott haben, mehr Vergnügen an seinen Vollkommenheiten, als Furcht und Abscheu vor den ihm zugeschriebenen Unvollkommenheiten gewährt; so lange wie noch, im Ganzen betrachtet, mehr Bewegungsgründe zu guten als zu bösen Handlungen aus der übel zusammenhangenden Idee, die wir uns von Gott machen, hervorgehen; so lange ist die Abgötterei noch immer der Atheisterei vorzuziehen. Man sehe niemals den Endzweck, warum Gott verlangt, daß sein Name auf Erden verherrlicht werde, aus den Augen. Dieser ist: 1) damit wir uns an der anschauenden Erkenntniß des allervollkommensten Wesens vergnügen, und 2) daraus Bewegungsgründe zu unsern Handlungen hernehmen mögen. Eine jede Erkenntniß also, welche diese beiden Absichten mehr befördert, als verhindert, ist löblich.

§. 118.

IV. Preuve. La connoissance de Dieu ne sert à un idolâtre, qu'à rendre ses crimes plus atroces. C'est un

plus grand crime, heißt es in der Folge, à un idolâtre de faire de faux sermens, de piller les temples etc. qu'il ne l'est à un athée de faire les mêmes choses. Donc la condition des idolâtres est plus pire, que celle des athées, etc. Will Bayle hieraus folgern, daß es besser sei, keinen Gott zu glauben, als, sich falsche Begriffe von demselben zu machen; so ist nichts unbestimmter, als sein Schluß. Denn entschuldigt die Unwissenheit den Atheisten, wenn er wider Gott sündigt, so entschuldigt sie den Idolater nicht weniger, wenn er solche Sünden begeht, die vermöge seines Systems keine Sünden sind. (Die Unwissenheit muß in beiden Fällen unüberwindlich gewesen seyn, sonst entschuldigt sie gar nicht.) Handelt aber der Idolater wider sein irriges System, begeht er folche Sünden, welche selbst nach seinen falschen Begriffen von Gott für Sünde erkannt werden müssen; so ist er freilich strafbarer, als der Atheist, der eben dasselbe thut; aber aus keiner andern Ursache, als weil seine Condition besser ist, weil er selbst aus seinen Irrthümern håtte Bewegungsgründe hernehmen können, diese lasterhaften Handlungen zu unterlassen. Der Idolater ist also besser daran, als der Atheist.

§. 119.

V. Preuve. L'idolâtrie rend les hommes plus difficiles à convertir, que l'athéisme.

Bayle substituirt hier plöslich einen Menschen, der von Gott gar keinen Begriff hat, statt eines Gottesläugners. Jener ist leicht zu bekehren; aber auch eben so leicht zur Abgötterei, als zum wahren Glauben. Er zieht einen jeden Begriff von einem höhern Wesen seiner Unwissenheit vor. Ja vielleicht fin= den die sinnlichen Begriffe der Abgötterei leichter Eingang bei ihm, als die abgezogenen Begriffe des wahren Glaubens. Hieraus ist zu beweisen, daß die Atheisterei der menschlichen Natur mehr s zuwider sei, als die Abgötterei; und also das Gegentheil dessen, was Bayle daraus folgern zu können glaubt.

§. 162.

Es ist weit schwerer, eine Kleinigkeit, zu welcher wir von Natur geneigt sind, zeitlebens zu unterlassen, als auf einen Augenblick etwas thun, das noch sehr mit unserer Neigung streitet. Wenn also der Begriff von Ehre und Ansehen gleich die

Mannspersonen dazu bringt, daß sie den größten Gefahren und dem Tode selbst troßen, so folgt noch daraus nicht zum Nachtheil des Frauenzimmers, daß sie sich auch durch die Ehre würden. zur Keuschheit bewegen lassen.

§. 167.

L'homme a plus d'amour pour la joie, que de haine pour la douleur, et il est plus sensible au bien, qu'au mal. On ne fait pas difficulté d'aller au chagrin et à la douleur, pourvu qu'on passe par la joie; ni de passer par la douleur et par le chagrin, pourvu qu'on aille au plaisir. Die Erempel des ersten Falles sind gemein. Von dem zweiten Falle führt Hr. Bayle ein einziges Erempel an. Il y a des Corses (Athen. anc. et nouv. p. 47.), qui après une offense reçue se sont tenus cachés quinze jours entiers dans les broussailles, pour attendre leur ennemi, trop satisfaits, d'y brouter quelques racines; pourvu qu'ils eussent la joie de voir réussir l'embuscade.

§. 181.

Bayle ist ebenfalls der Meinung, Spinosa habe seine Wirthinn gebeten, keinen Priester zu ihm zu lassen vor seinem Tode; welcher Erdichtung aber kein Glaube beizumessen ist. (Siehe Colerus Leben Spinosa's.)

Gedanken von der Vergleichung zwischen der Abgötterei und dem Atheismo.

Bayle scheint anzunehmen, die Religion sei entweder die einzige Triebfeder der menschlichen Handlungen, oder sie habe in dieselben gar keinen Einfluß. Da er nun beweist, daß das Erstere nicht seyn könne, so glaubt er das Lehtere hinlänglich dargethan zu haben. Nun ist es zwar an dem, daß wir nicht allezeit nach Grundsägen handeln; daß die Gewohnheit, die Erziehung, das Temperament u. s. w. mehr Einfluß in das Thun und Lassen der Menschen haben, als ihre Grundsäge. Wie aber? helfen unsere Grundsäge nicht das Temperament bilden, die Gewohnheiten erlangen, und die Erziehung auf eine bestimmte Seite lenken?

Was man von der Hauptleidenschaft sagt, daß sie unser Thun und Lassen regiere, sind bloße Grillen. Was ist eine Hauptleidenschaft? Wird sie nicht erst durch die Erziehung, durch die Gewohnheit und durch das Temperament gebildet? Die Grundsäge haben unstreitig wenigstens einen mittelbaren Einfluß in dieselbe.

Die Religion (ich rede sowohl von der natürlichen, als von der geoffenbarten) soll niemals die Bewegungsgründe zu den Handlungen unmittelbar hergeben; außer wenn von heroischen Tugenden die Rede ist, wovon man nicht verlangen kann, daß sie zu Fertigkeiten werden sollen. Es ist eine wahre gottselige Lebensart, wenn man eine solche Fertigkeit in der Tugend erlangt hat, daß man sich der Bewegungsgründe nicht mehr zu erinnern weiß, sondern vielleicht sich selbst bloß dem Antriebe des Temperaments und der dunklen Neigungen zu folgen scheint. Die Theologen mögen dawider sagen, was sie wollen, so hat Bayle doch kein Recht, sich ihrer Waffen zu bedienen, so lange er nicht zu ihrer Fahne schwört. Dem Weltweisen ist die Kreuzigung des Fleisches keine größere Tugend, als eine jede andere Fertigkeit, welche man durch überlegung und Gewohnheit erworben. Die heroischen Tugenden sind sehr selten; ich meine die Fälle, da man, um tugendhaft zu seyn, wider eine große sonst tugendhafte Handlung handeln muß; oder da man sich genöthigt sieht, eine Neigung zu überwinden, die man sich aus einem unüberwindlichen Irrthume zugezogen. Hier müssen die Grundsäge unmittelbar wirken.

Wir haben andere Triebfedern zur Tugend, als die Religion; wir haben auch andere Bewegungsgründe, uns Fertigkeiten zur Tugend anzuschaffen. Wohl! aber die Religion ist eine der vornehmsten; und da man findet, daß die Menschen, der Religion, der Ehre und der innerlichen Schönheit der Tugend ungeachtet, noch immer lasterhaft genug sind, so muß man alle diese Triebfedern der Handlungen heilig halten.

Die Religion ist nicht mächtig genug, ihre Anbeter in der Keuschheit zu erhalten. Hierwider kann man zweierlei ants worten. Erstlich ist nicht alles Unkeuschheit, was man so nennt. Der Philosoph kann sich freilich nicht ohne sonderliche Schwierigkeit überreden, daß dasjenige mit der Ehre Gottes streite, was den Menschen oder vielleicht nur gewissen Gesezgebern beliebt Unkeuschheit zu nennen. Zweitens: wenn die Religion gleich

nicht machtig genug ist, eine verliebte Neigung zu dämpfen, wenn sie sich bereits unsres Gemüths bemächtigt hat; so kann sie doch von fern her gegen gewisse Gegenstände solche dunkle Verabscheuungen in der Seele erzeugen, daß man nachher in Ansehung dieser Gegenstände wider alle verliebte Anfälle gesichert ist. Warum wåren sonst die Fälle so selten, daß sich Jemand in seine Blutsfreunde verliebt? Hat uns die Natur irgend einen Abscheu dafür eingepflanzt? Wie hat es denn Nationen geben können, welche dergleichen Heirathen unter sich zugegeben haben?

Ich gebe endlich, diesem allem ungeachtet, Bayle gern zu, daß eine Gesellschaft von Atheisten bestehen könne; daß sie vielleicht so tugendhaft seyn könnten, als eine gläubige Gesellschaft, wenn sie das Glück hat, so beschaffen zu seyn, daß die übrigen Triebfedern der Tugend mächtig genug in sie wirken. Caeteris paribus aber fehlt ihnen ein måächtiger Bewegungsgrund, sich tugendhafte Neigungen zu erwerben, und in der Bestrebung zur Tugend fortzufahren. Eine jede Bestrebung in unserer Seele ist in dem Augenblicke, wo sie entsteht, viel zu schwach, eine Leidenschaft zu überwältigen. Sie nimmt aber immer an Kräften zu, wenn es nicht an Bewegungsgründen fehlt, sich darin zu erhalten. (Unvollendet.)

Gedanken vom Ausdrucke der Leidenschaften.

Die Begriffe folgen in einer Leidenschaft so schnell auf einander, daß die Zeichen, durch welche sie ausgedrückt werden, öfter zu langsam sind, und die Kürze selbst, deren man sich beim Ausdrucke eines Affects befleißigt, öfter nicht zureicht, sie mit der gehörigen Geschwindigkeit zu verfolgen. Man muß also in der Folge der Begriffe, die man auszudrücken hat, diejenigen übergehen, welche der Leser oder Zuschauer selbst hinzudenken kann. Daher entstehen in dem Ausdrucke der Affecte öfters Sprünge *), die in der Seele selbst nicht statt finden. Man

Malo ducis avi domum,

Quam multo repetet Graecia milite,
Conjurata tuas rumpere nuptias

Et regnum Priami vetus.

Eheu quantus equis! quantus adest viris
Sudor! etc.

Lib. 1. Od. XV.

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