Page images
PDF
EPUB

Die fittlichen Regeln, welche ihre Bewegungsgründe mit sich führen, sind auch ohne die Betrachtung, daß ein Gott sei, Naturgefeße.

Kleinigkeit! werden Sie sagen; Hr. Michaelis hat die Freiheit, das Wort Geseke zu erklären, wie es ihm beliebt; und es beliebt ihm, die Vorschriften eines Gesetzgebers darunter zu verstehen. Also kann er auch die Regeln der Moral nicht anders Geseze nennen, als insoweit sie von Gott geboten sind. Gut! allein die kleine Unrichtigkeit in der Erklärung scheint eine weit wesentlichere verursacht zu haben. Derjenige, der keinen Gott glaubt oder ihn für keinen Gesetzgeber erkennt, sagt Hr. Michaelis, ist dennoch genöthigt, einem Andern die Rechte einzuräumen, die demselben zukommen. Ich begreife nicht, wie dieses möglich ist, wenn man die Gottesläugner nicht auch sittliche Naturgesehe zuzugeben nöthigt. Die Rechte sind Folge= rungen aus den Gesehen, oder (nach der Erklärung des Hrn. Michaelis, der ohne Gesetzgeber von keinen Gesezen wissen will) aus den Lebensregeln, die ihre Verbindlichkeit mit sich führen. Das Recht der Natur fließt also unmittelbar aus der Moral; und wer diese läugnet, kann jenes ohne Widerspruch nicht zugeben.

Hr. Michaelis sagt zwar: „was für ein Recht habe ich, ,,den andern zu zwingen, daß er tugendhaft werde, oder ein ,,Volk zu bekriegen, weil es der Sittenlehre nicht folget?" Was thut dieses aber zur Sache? Ein Anderer mag leben, wie er will; fo bin ich nicht befugt, ihm mit Gewalt etwas vorzuschreiben, fo lange er meine Gerechtsame nicht kränkt, so lange er mir das fittliche Vermögen zu handeln läßt, das mir zukommt. Nicht alles, was wider die Sittenlehre läuft, kann mir ein Recht geben, es zu verhindern. Wie aber? wenn ich mein Vaterland vertheidige, wenn ich mich den ungerechten Absichten eines gewaltthätigen Nachbars widerseße: kann ich mein Recht, das ich hierzu habe, anders darthun, als indem ich zeige, es sei eine Folge aus den Gesehen der Natur, aus den Pflichten der Selbsterhaltung u. s. w.? Ich muß also nothwendig zur Moral meine Zuflucht nehmen, wenn ich beweisen will, daß Jemanden ein Recht zukomme; und wer die Moral durchaus verwirft, der kann Niemanden das geringste Recht einräumen.

Ich finde ferner nicht die mindeste Zweideutigkeit in dem Worte Recht. Hr. Michaelis meint, es könne auch so viel als

Geses heißen, z. E. wenn man sagt: das römische Recht. Allein was ist hier zweideutiges? Das römische Recht ist eine Folge aus dem römischen Geseze, so wie überhaupt alles Recht sich auf ein Geset gründen muß. Vermöge der römischen Gesehe kommen gewissen Personen gewisse Rechte zu, sind sie befugt etwas zu thun oder nicht zu thun. Man betrachtet entweder die Ursachen oder die Folgen, und sagt bald: das römische Gefes, bald: das römische Recht.

"

Sie werden nunmehr leichtlich einsehen, wie wenig ich dem Hrn. Michaelis in folgender Betrachtung beistimmen kann. Der große Haufe, meint er, habe allezeit das Recht der Natur mit dem Geseze der Natur verwechselt. Er verstand das Naturgefeß, d. i. die Moral, wie sie durch Verbindung mit der natürlichen Theologie in ein Geseg verwandelt ist, und er er,,eifert sich nicht wenig, wenn andere von manchen Sünden be,,haupten, sie streiten nicht wider das Recht der Natur. Zum Theil gehören die Streitigkeiten über das Schmaussische Natur,,recht hieher. Darüber, wenn Schmauß will, Sodomiterey fen nicht gegen das Naturrecht, würde niemand erstaunt seyn, ,,der wußte was Naturrecht ist. Wird wohl jemand behaupten, ,,daß wir Recht haben, einem Volke den Krieg anzukündigen, weil es die Sodomiterey duldet?" Wenn Schmauß nur hat sagen wollen, man könne kein Volk bloß der Sodomiterei wègen mit Krieg beziehen, so hätte er schlechtweg sagen sollen, die Pflichten gegen sich selbst liefen nicht wider das Völkerrecht, oder: was der Mensch selber thut, geht keinen Andern an. Meinetwegen möchte er lieber das ärgerlichste Paradoron behauptet, als sich so linkisch ausgedrückt haben. Sodomiterei ist freilich nicht wider das Recht eines andern Volks, dem es völlig gleich gelten kann, wozu seine Nachbarn die von der Natur verliehene Kraft" anwenden wollen, so lange es dadurch nicht beeinträchtigt wird. Allein diese Schandthat läuft doch immer wider das Naturrecht des Sünders selbst. Er hat kein Recht, keine Befugniß, kein sittliches Vermögen, die ihm zu einem beffern Gebrauch ertheilte Kraft auf eine so unnüße Weise zu verschwenden.

überhaupt steht das Recht der Natur mit der Moral in folgender Verbindung. Die Naturgeseze verpflichten den Menschen zu gewissen Handlungen. Dadurch erlangt er eine sittliche Fähigkeit nicht nur zu diesen Handlungen, sondern auch zu den Mitteln, ohne welche die Handlungen nicht vollzogen werden

können. Diese fittliche Fähigkeit heißt das Recht; und ich kann mich einem jeden Undern mit Gewalt widerseßen, der mir im Gebrauch dieses Rechts hinderlich seyn will. Dieses ist der Ursprung des Natur- und Völkerrechts. Wer sich aber einbildet, es komme einem Jeden ein Recht zu, seinen Nebenmenschen zu verhindern, daß er nicht lasterhaft seyn sollte; der kann die Schuld seiner Unwissenheit gewiß nicht auf die Zweideutigkeit der Sprache schieben. Nicht die Verwechselung des Naturrechts mit dem Naturgefeß hat ihn verführt. Denn da jenes von diesem herstammt, so kann diese kleine Unrichtigkeit keinen sonderlichen Irrthum veranlassen. Er muß vielmehr die Begriffe von dem Ursprunge des Rechts nicht hinlänglich entwickelt haben; und was hilft es ihm alsdann, wenn man auch, wie Hr. Michaelis in Vorschlag bringt, statt Recht der Natur: Befugniß der Natur sagen wollte?

75fter Brief.

Der Unbekannte, deffen Abhandlung die Academie der zweiten Stelle in ihrer Sammlung gewürdigt, schickt der gedoppelten academischen Frage eine andere voran, die also lautet: ,,auf was für Art sind die Sprachen entstanden, und wie wür den sie noch heut zu Tage entstehen, wenn man neugebohrne ,,Kinder, unter der Aufsicht stummer Personen, von Thieren auf,såugen liesse, wie Pfametychus gethan, und sie hernach in eine ,,mit Mauern umgebene Wildniß bringen liesse, wo sie eine eigene ,,und von allen übrigen Menschen abgesonderte Gesellschaft auf: ,,richten müßten?" In der Beantwortung dieser Frage hat der Verf. viel Scharfsinnigkeit gezeigt. Man kann zwar nicht alles billigen, was er vorbringt; allein an den Stellen, wo man die Wahrheit vermißt, wird man den Wig des Verfassers nicht ohne Vergnügen am geschäftigsten finden.

Es haben schon Verschiedene vor ihm den Ursprung der Sprachen in den nachahmenden Lauten gesucht. Sie haben diese Meinung durch verschiedene Gründe wahrscheinlich gemacht, und vornehmlich durch die Bemerkung, daß die Grundsprachen reicher an nachdrücklichen Wörtern sind, als die Sprachen, die von

denselben hergeleitet worden sind. Jene, die dem Ursprunge nåher sind, sagten sie, haben die Tône, die sie in der Natur wahrgenommen, weniger verändert, weniger mit willkührlichen Tönen vermengt; daher drücken ihre Worte die Gegenstände, die mit einem Schalle verbunden sind, stårker und natürlicher aus. Doch hat Niemand diesen Sah für so allgemein ausgegeben, als der angeführte Verfasser. Er will alle Wörter, die Namen der körperlichen und unkörperlichen Dinge, die Namen der Farben, Größen, Bewegungen, und aller abstracten Begriffe von den nachahmenden Tönen herleiten; und sucht ihre Verwandtschaft mit denselben durch häufige Beispiele zu beweisen. Sie können sich leichtlich einbilden, daß bei einer solchen Unterneh mung seine etymologischen Abtheilungen öfters sehr gekünstelt, und einem bloßen wißigen Spiele nicht unähnlich seyn müssen. An vielen Orten aber ist es ihm gelungen, seine Meinung durch ziemlich wahrscheinliche Wortverwandtschaften zu unterstügen.

Einige der vornehmsten Regeln, nach welchen sich die Vólker in Bildung der Sprachen gerichtet haben können, beschreibt er (S. 103.) folgendergestalt: 1) Körper, sowohl lebendige als leblose, die einen Schall von sich geben, bekommen ihre Namen von diesem Schall. Diesen Grundfaß hat er in dem Vorhergehenden wahrscheinlich gemacht. 2) Körperliche Handlungen, als welche ohne Schall selten vollbracht werden können, bekommen ihren Namen von diesem Schall. Beispiele davon, dergleichen sind: hauen, stoßen, zischen, sausen, brausen u. s. w., geben alle Sprachen in großer Menge. An einem andern Orte zeigt der Verf., daß der Schall eben derselben Handlung nicht in allen Umständen gleich sei; daher verschiedene Völker eben dieselbe Handlung durch ganz verschiedene Töne bezeichnen, die aber alle in dem Schalle, der mit der Handlung verbunden ist, ihren Grund haben. 3) Körper, die man von dem Schalle nicht bes nennen kann, bekommen ihre Namen von einem andern Körper, mit dem sie eine Ähnlichkeit haben. Hier können verschiedene Völker abermals sehr weit von einander abgehen, nachdem ihnen bald diese, bald jene Ähnlichkeit mehr in die Augen geleuchtet. Einige von den Beispielen zu berühren, die der Verf. zur Bestätigung der dritten Regel anführt, so leitet er den Namen Lichtstrahl von der Ähnlichkeit desselben mit einem Pfeile her. Strale bedeutet flavonisch einen Pfeil. Die Abstammung des lat. radius ist bekannt. Licht selbst kommt ihm von Lücke

her, weil es da durchfällt; Blik von Blick wegen der Ühnlichkeit, u. f. w. 4) Körperliche Handlungen, so von dem Schalle nicht benannt werden können, bekommen ihren Namen von andern Handlungen, mit denen sie eine Ähnlichkeit oder Verwandtschaft haben. Auhier hat der Verf. durch ein sehr langes Geschlechtsregister die Abstammung des Worts bligen von blöken (schreien wie ein Kalb) dargethan. Bligen kommt von blicken, dieses von belücken, besehen; lücken, videre, von Lücke, dieses von Loch, locus, daher löcken, legen, locare; Loch aber kommt von Löck, altdeutsch ein Kalb; davon blöken. Was hat aber Loch mit einem Kalbe zu thun? fragen Sie. Eine kleine Geduld! Von Löck, vitulus, kommt locken oder lecken, d. i. saugen, daher lac, die Milch, daher Locke, papilla; daher Locke, eine Haarlocke, daher Lock, ein Loch. Dieses mag Ihnen zur Probe dienen, wie weit der Verf. feine Ableitungen herholte.

"

5) Abstracte Begriffe borgen den Namen von ihren concretis. Hier gehen die etymologischen Ableitungen erst recht an. Besonders hat der Verf. zu dem Namen einiger Farben sehr sinnreiche Herleitungen ausgesonnen. Blau", sagt er z. B., ,,nennt der Lateiner ganz natürlich caeruleus von caelum. Der Celte aber kann dieses, wegen seiner Religion, nicht thun, er ,,mußte sich daher nach etwas anders umsehen. Der Vogel, auf dessen Brust und Hals diese Farbe ihren Siß hat, heißt von feinem Geschrey: der Pau, Pavo, olim Plau und Plavo. Dieser Vogel pranget aber mit zwey Hauptfarben, die sind blau und goldgelb. Die blaue behält der Eelte für sich, die ,,gelbe nennet der Lateiner Flavus". In der Folge zeigt der Verf., wie vieles der Mensch von den zahmen Thieren gelernt, deren Geschrei seine Ohren zum öftersten rührt. Von dem Geschrei der Ente, Taube, des Pfaues und anderer Vögel leitet er einen ziemlichen Theil der Sprachen her. Allein von dem Flügelwerke sollen die Menschen lange nicht so viel geborgt haben, als von den vierfüßigen Thieren, sonderlich von dem Hunde, dem Båren, dem Pferde und dem Ochsen, dem Schafe und der Ziege. Vor allen ist ihm der Bår ein großer Autor in der deutschen Sprache. Dieses sind des Verf. eigene Worte. Alle Ausdrücke, die zum Kriege und zur Tapferkeit gehören, fagt er, habe man diesem Thiere abgeborgt; doch hat er hiervon keine Exempel angeführt.

« PreviousContinue »