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,,Gebrauch eingeführte, verglichen, und daraus gerechtfertiget, ,,verbessert und vermehrt werden." Ich weiß nicht, ob die schö nen Wissenschaften von dieser Vergleichung Vortheil haben würden. So wie die Sprachen jest sind, hat eine jede, so zu fagen, ihre Eigensinnigkeit, die der schöne Geist vortrefflich zu nußen weiß. Er zieht aus dem überflüssigen und Unregelmäßi gen in seiner Sprache öfters Schönheiten, die eine richtige philosophische Sprache entbehren muß. Nur ein einziges Beispiel anzuführen: die philosophische Grammatik würde vermuthlich die Unterscheidung der Geschlechter bei leblosen Dingen für über flüssig erklären. Was für einen Grund hat man im Deutschen: der Mond, die Sonne, und im Französischen umgekehrt zu sagen? Die philosophische Grammatik würde sich also hierin für die englische Sprache erklären; und gleichwohl würden sich die französischen und deutschen Dichter die Schönheiten ungern rauben lassen, die sie aus diesem unnöthigen Unterschiede der Geschlechter gezogen haben. Einige Sprachen unterscheiden die Geschlechter auch in der Conjugation der Zeitwörter, welches ih ren Schriften zu einer besondern Zierde gereicht.

§. 28. heißt es: „Es fehlet der Philologie noch an der ,,wichtigsten Erfindung, nåmlich an der allgemeinen Sprache, ,,oder vielmehr an der allgemeinen Schrift, welche jede Nation ,,in ihrer eigenen Sprache lesen könnte, so wie alle Europäische ,,Nationen die Zahlen und Rechnungen lesen, und wie die Chi,,neser und Japaner, ihre sehr von einander verschiedene Spra,,chen, durch einerley Zeichen ausdeuten, und also in Schriften ,,einander verständlich sind. Der grosse Leibniz hielt diese Erfindung nicht für unmöglich, und er hat sehr stark daran ge,,arbeitet und sich mit der, einem so durchdringenden Kopfe schwehrlich eiteln Hoffnung geschmeichelt, damit einigermassen ,,zu Stande zu kommen. Es ist sehr zu wünschen, daß die grosse Schwierigkeiten die Sache nicht gänzlich unterdrückten“. Wenn ich diese Stelle recht verstehe, so verlangt Hr. Sulzer eine allgemeine Schrift, deren Zeichen unmittelbar die Begriffe, nicht aber erst die Laute, und vermittelst dieser die Begriffe ausdrücken-soll. Ich sehe aber nicht ein, worin die große Schwierigkeit liegen foll, eine solche Schrift zu erfinden? So wie man die Begriffe durch 25erlei Laute ausdrückt, eben so wohl kann es durch so viel geschriebene Zeichen geschehen. Ja mich dünkt, es sei in allen üblichen Sprachen nicht nothwendig, sich

die geschriebenen Zeichen erst mit den Lauten vorzustellen, sondern man könnte, der Natur der Sache gemäß, sogleich die Begriffe damit verbinden. Bei dem geschriebenen Worte Tugend kann ich mir sowohl die Erklärung dieser Fertigkeit der Seele, als die Laute vorstellen, mit welchen ich das Wort ausspreche. Daß aber insgemein vielmehr das Lehtere zu geschehen pflegt, rührt von einer ganz andern Ursache her. Wir haben nämlich von den Lauten einen stärkern Begriff als von der ErElárung der allgemeinen Worte; daher fallen uns jene, vermöge des Gefeßes der Einbildungskraft, leichter und geschwinder bei Erblickung der geschriebenen Zeichen ein, als diese. Bei einfachen Begriffen, da wir von der Sache selbst eine fast eben so lebhafte Vorstellung haben als von den Lauten, wie z. B. Linie, Dreieck, roth, süß u. s. w., fällt es schon etwas leichter, sich mit den geschriebenen Zeichen unmittelbar die Sache selbst zu denken.

Man nehme aber einen Taubgebornen, und lasse ihn z. E. die deutsche Sprache in Schriften lernen. Dieser wird mit den geschriebenen Zeichen unmittelbar die Sachen und Begriffe selbst verbinden, so lange er sich von der Aussprache noch keine Vorstellung machen kann. Man führe ihn hernach in die Ammon'sche Schule, und lehre ihn, in verschiedenen andern Sprachen, außer der deutschen, sich mit Worten ausdrücken, dergestalt, daß er nunmehr z. E. deutsch schreiben und nicht sprechen, französisch, englisch, italiänisch u. s. w. im Gegentheil sprechen, aber nicht schreiben können mag. Diesem wird es ei= nerlei seyn, eine ihm vorgelegte deutsche Schrift französisch, englisch oder italiånisch auszudeuten. Håtte also Leibniz weiter nichts gesucht, als eine Schrift, die sich in verschiedenen Spra= chen auslegen läßt, so hätte er vielleicht so große Schwierigkeiten nicht gefunden.

So viel ich mich aber erinnere gelesen zu haben, dachte Leibnis auf eine Erfindung, die nichts weniger als zur Philologie gehört. Er hatte nåmlich vor, eine allgemeine Algebra zu erfinden, die sich nicht bloß auf die Größe und ihre Verhåltnisse einschränken, sondern auf alle mögliche Vernunftschlüsse erstrecken sollte. Hr. Sulzer bemerkt an einem andern Orte (§. 104.) einen Vortheil der Algebra, daß,,in dieser Wissen,,schaft, worin, als durch die allergenaueste Vernunftschlüsse her,,ausgebracht wird, diese Schlüsse auf eine ganz mechanische Art

,,können gemacht werden, so daß durch blose Versehung gewisser ,,Beichen, oder durch eine Art Rechnung in einer Minute eine Reihe von Schlüssen aus einander hergeleitet werden, wozu ,,durch die ordentliche Sprache die Zeit eines ganzen Tages nicht ,,würde hinreichend seyn.". Diesen Vortheil nun dachte Leibniß allen Wissenschaften überhaupt zu stiften. Er hielt es nicht für unmöglich, die ersten Merkmale, die wir an den Dingen erkennen, und die Urten, wie wir sie verbinden, durch Zeichen anzudeuten, und aus diesen Zeichen eine Art von algebraischen Gleichungen herauszubringen. Es ist hier der Ort nicht, dieses weitläuftiger auszuführen; und wozu wäre es auch nöthig? Wolf hat in seiner lateinischen Ontologie *) einige hierher gehörige Säße, die der Sache ein vortreffliches Licht geben; und ich würde mit vielen Worten doch nicht mehr als den Wolf ausschreiben. So viel ist gewiß! eine allgemeine Sprache hatte es seyn sollen; aber nur für Gelehrte, sowie die Analysten unter sich eine Art von allgemeiner Sprache haben. Die Philologen würden sich mit dieser Sprache gewiß nichts zu thun machen. (Der Beschluß folgt.)

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III. Den 18 Oct. 1759.

Beschluß des 62sten Briefes.

Ich weiß wohl, daß sich verschiedene Gelehrte bemüht ha ben, eine allgemeine Schrift zu erfinden, die eine jede Nation in ihrer Sprache sollte lesen und aussprechen können. Becher that, so viel ich weiß, den ersten Versuch. Seine Schrift führt den Titel: Joh. J. Becheri Spirensis Character pro notitia linguarum universali etc. Francof. 1661. 8°. Andere haben es nach ihm, auch an ihren Bemühungen nicht fehlen lassen. Allein ich begreife nicht, was eine solche Erfindung für Nugen

*) §. 964. u. flgd.

haben soll? Entweder man muß so viel einfache Zeichen erfinden, als Sachen sich denken lassen, und in diesem Falle ist die Verwirrung unbeschreiblich; oder man seht eine gewisse Anzahl einfacher Zeichen fest, und bedient sich vielfältiger Zusammensehungen derselben. Diese Zusammensetzungen sowohl, als die Ordnung in ihrer Folge auf einander, muß, wie in den üblichen Sprachen, ihre gewisse Regeln haben; und man hat erstlich keine von den Schwierigkeiten vermieden, die man findet, eine neue Sprache zu erlernen. Die Gedanken müssen sich überdem aus dieser allgemeinen Schrift in eine jede gemeine Sprache eben so schwer, als aus einer Sprache in die andere, übersehen lassen; und zur Erfindung und deutlichen Entwickelung der Begriffe hat jene nicht die geringste Bequemlichkeit vor jeder gemeinen Sprache voraus.

Daß aber Leibniß wirklich mit einer Entdeckung wesent licher Zeichen, wie man sie zu nennen pflegt, die in der Erfindungskunst große Vortheile bringen sollte, umgegangen, erhellt unter andern daraus, daß dieser große Mann sich mehr als einmal erklärt, man müsse erst auf andere Erfindungen, und unter andern auf eine algebram situs denken, um sich zu dieser größern Erfindung den Weg zu bahnen. Alle diese Vorbereitungen wären unnöthig gewesen, wenn es ihm nur um eine gemeine Zeichensprache zu thun gewesen wäre.

Die Theorie der Malerkunst", sagt Hr. Sulzer (§. 79.) ,,lehret, wie das Schöne in sichtbaren Gegenständen durch die Beichnung und Farben auf einen flachen Grund vorzustellen "sey". Diese Beschreibung ist unvollständig. Warum nur das Schöne in den sichtbaren Gegenständen? Sollte man nicht hieraus schließen, daß die Malerei die Dinge, die in der Natur nicht schön sind, gar nicht vorstellen müsse? und dieses kann Hr. Sulzer unmöglich gemeint haben. Die Malerei weiß nicht nur die häßlichen Gegenstände auf eine angenehme Art zu bearbeiten; sondern sie ist vielleicht die einzige schöne Kunst, die sich sogar mit den ekelhaften Gegenständen abgiebt. Ich möchte also lieber sagen: „die Theorie der Malerkunst lehrt, wie die_sichtbaren „Gegenstände u. s. w. schon vorzustellen sind". Doch auch dieser Beschreibung mangelt ein wesentliches Stück, die Rührung. Sie ist in vielen Theilen der Malerkunst von allzu großer Wichtigkeit, als daß sie aus der Beschreibung ganz sollte wegbleiben können. Ich finde, daß Hr. Sulzer bei der Tanzkunst (§. 83.) IV, 1.

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derselben gedenkt; und die Malerei sollte sich bloß mit dem Schönen begnügen?

Noch eine kleine, vielleicht nichts bedeutende Anmerkung über die allgemeine practische Weltweisheit! Hr. Sulzer sagt von ihr (§. 216.): „man könnte ihr den Namen der moralischen Theorie des Menschen geben". Wolf, der Erfinder dieser Wissenschaft, hat dem Recht der Natur den Namen der moraralischen Theorie gegeben. Die allgemeine practische Philosophie aber nennt er generalem theoriam et praxin philosophiae practicae *); denn sie enthält die allgemeinen Grundsäge des Rechts der Natur, der Ethik, Politik und Öconomik, und also nicht bloß den lehrenden, sondern auch den ausübenden Theil der practischen Weltweisheit. Das Recht der Natur aber ents hält, nach Wolf's Sinne, die besondere Theorie der Ethik, Politik und Sconomik; denn sie lehrt, welche Handlungen des Menschen, in den verschiedenen Verfassungen, in welchen er stehen kann, gut, und welche böse find. Jedoch ich finde, daß Hr. Sulzer auch in Ansehung des Rechts der Natur von der Wolfischen Erklärung abgegangen, und fie, mit einigen andern Lehrern der practischen Weltweisheit, bloß auf die Theorie der vollkommenen Pflichten (encratica biastica) eingeschränkt hat. Das was Wolf aber Recht der Natur nennt, betitelt Hr. Sulzer Theorie der menschlichen Pflichten; und also mag er unter den Worten: moralische Theorie des Menschen, womit er die allge= meine practische Weltweisheit benennt, sowohl die Kenntniß der Pflichten als ihre Ausübung verstehen; denn beide gehören zur moralischen Wissenschaft des Menschen. In diesem Falle habe ich nichts als eine kleine Dunkelheit an dieser Erklärung auszusehen.

*) S. deffen disc. praelim. §. 68. 70.

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