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kleinsten Pinselzüge aus. Daher scheinen nicht selten seine Be schreibungen und Gemålde allzu sehr mit Nebenbegriffen und Beiwörtern beschwert zu seyn. Man ist in Gefahr, den Hauptbegriff unter der Menge zu verlieren. Die allzu häufigen Beiwörter gleichen einem überflüssigen Troß bei einem Kriegsheere *). Sie leisten dem Heere keine Dienste, und werden ihm noch beschwerlich, indem sie den nöthigen Vorrath an Lebensmitteln aufzehren.

Indessen redet Ukenside die Sprache einer lebhaften Einbildungskraft. Er beseelt seine feinsten Gedanken, und stellt sie den Sinnen in Bildern dar, die Leben und Empfindung haben. Er hat auch das Pathetische völlig in seiner Gewalt. Er weiß den Neigungen zu schmeicheln, das Herz zu bewegen, und die Leidenschaften bald zu erregen, bald wieder zu besänftigen. Kurze und lehrreiche Sprüche, einzelne Verse, die so sehr vor andern hervorstechen, daß man sie auswendig lernt, wird man vergebens in seinem Gedichte suchen.

Withof's Styl ist gerade das Gegentheil hiervon. Die Nothwendigkeit, seine Gedanken zwischen die Gränzen der Reime einzuschließen, hat ihn kurz, gedrängt und spruchreich gemacht. Er muß alle Nebenbegriffe eben so gut empfunden haben, als Akenside, aber ausgedrückt hat er sie nicht alle; er begnügt sich, seine Gegenstände von der Seite zu zeigen, von welcher sie am lebhaftesten auf die Sinne wirken; und überläßt seinen Lesern das Vergnügen, die Nebenbegriffe ausführlicher zu denken, die er mit einem einzigen Pinselzuge gleichsam nur anzudeuten scheint; alle seine Beiwörter sind wichtig, nachdrücklich und unentbehrlich. Folgende Beschreibungen würden im Akenside gewiß zwei ganze Seiten und mehr eingenommen haben:

Die Sonne quoll hervor, wie Ruh aus Tugend quilt.
Sie, selbst ein Bild von Gott, wies mir ihr holdes Bild
In der vor Dankbarkeit mir abgefloßnen Zähre.

Du Sonne wärst mein Gott, wenn Gott nicht göttlich wäre!

*) Verumtamen talis est ratio hujusce virtutis, ut sine appositis nuda sit et velut incomta oratio. Ne oneretur tamen multis ; nam fit longa et impedita, ut in quaestionibus eam judices similem agmini totidem lixas habenti, quot milites quoque, in quo et numerus est duplex nec duplum virium. QVINTILIAN. INST. ORAT. Lib. VIII, 6. 42.

Ihr Lebens schwangrer Strahl befruchtete den Duft:
Der wallte langsam auf, umfloß mit dünner Luft
Begeisternd meine Brust, lag brütend auf dem Grase:
So fuhr des Schöpfers Hauch dem Adam in die Nase.
Und ferner:

Ein murmelndes Geräusch von Schlummertönen voll,
Das nah um mich herum, aus kleinen Bächen quoll,
Wo Silber und Kristall auf hellen Steinen glimmten,
Die oft das klare Naß in goldne Schnecken krümmten ;
Das Lispeln, das die Luft vergnügend fürchterlich
Erschütternd von dem Laub der jungen Äste strich!
Der zwitschernde Gesang vom lockenden Gefieder
Floß durch den tiefen Wald wetteifernd hin und wieder.
Dann mischte die Natur, die erst sie unterschied,

Das ganze Tönenheer in ein harmonisch Lied, u. s. w. Welch ein Nachdruck in jedem Worte! Welch eine Menge von Nebenbegriffen läßt uns der Dichter bei jedem Umstande fühlen! Der strengste Kunstrichter wird hier nicht ein einziges Beiwort ausmerzen können, ohne den ganzen Begriff zu schwächen. Man betrachte folgende schöne Beschreibung aus dem Akenside, die wir in unsrer Anzeige überseht haben:

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Behold th' expanse

Of yon gay landscape, where the silver Clouds
Flit o'er the heav'ns before the sprightly breeze:
Now their grey cincture skirts the doubtful sun;
Now streams of splendor, thro' their opening toil
Effulgent, sweep from of the gilded lawn
Th' aerial shadows; on the curling brook,
And on the shady margin's quiv'ring leaves
With quickest lustre glance u. s. w.

Dieser Anblick einer Landschaft, wenn es so eben zu regnen aufgehört hat, da die zerrissenen Wolken schnell über den Himmel hinwegfliehen, und die Sonne jest verdunkeln, jest wieder mit vermehrtem Glanze die Erde bescheinen lassen, ist auch von dem Hrn. von Haller beschrieben worden, den sich Withof vorzuglich zum Muster vorgestellt zu haben scheint. Beigt aber nicht Haller in folgender sehr kurzen Beschreibung, daß er alle Umstånde eben so lebhaft gefühlt hat, als der engländische Dichter?

Wenn Phöbus helles Licht durch flüchtge Nebel stralet,
Und von dem nassen Land der Wolken Thränen wischt,
Wird aller Wesen Glanz mit einem Licht gemalet,

Das auf den Blättern schwebt, und die Natur erfrischt u. s. w.

Die Sentenzen, mit welchen Withof's Gedicht angefüllt ist, kön= nen als eine Folge seiner kurzen und abgetheilten Perioden an= gesehen werden. Denn eine Sentenz ist nichts anders, als ein moralischer Gedanke, der kurz und lebhaft ausgedrückt ist. Hingegen erfordert das Pathetische oder die Sprache der Leidenschaft einen ungezwungenen Perioden. Er muß nach der verschiedenen. Heftigkeit der Affecten bald kurz und abgebrochen seyn, bald einen vollstimmigen oratorischen Numerus haben. Die Gränzen, zwischen welchen die Reime eingeschlossen sind, legen ihnen allzu viel Zwang auf. Daher scheint die reimlose Dichtungsart weit geschickter, Leidenschaften zu erregen.

Die tragischen Dichter, welche in Reimen dichten, suchen dieser Unbequemlichkeit abzuhelfen. Wenn ein plöhlicher Affect kurze Perioden erfordert, so lassen sie den Vers von einer andern unterredenden Person unterbrechen. Dadurch bekommen sie Gelegenheit, die Ruhepunkte an den rechten Ort hinzusehen. In dem Monolege aber, wo dieses nicht angeht, und vornehmlich, wo die Leidenschaften ausbrechen und sich gleichsam in ganze Ströme ergießen; da werden die Reime größtentheis übergangen, und die Schlußfälle der Perioden bis auf den zweiten und drit ten Vers verspart; das heißt: die Reime werden unnöthig gemacht.

Ein entscheidendes Urtheil von dem Werthe dieser beiden Dichter zu fållen, wollen wir uns nicht getrauen. Gewiß ist es, daß der engländische Dichter mehr Fleiß, Nachdenken und Mechanik der Poesie sowohl in der Anordnung, als in der Ausarbeitung seines Gedichts gezeigt hat; und er scheint sich überhaupt mehr auf die schönen Wissenschaften gelegt zu haben, als Withof. Ob aber dieser lehte Dichter nicht wenigstens eben so viel Genie habe, ob er nicht die vorzügliche Gabe vor jenem besize, seine Begriffe zu concentriren, die tiefsinnigen Lehren nicht durch hier und da angehängte Beiwörter, sondern an und für sich selbst zu verschönern; neue Sittensprüche zu erfinden und dergestalt auszudrücken, daß sie sich lebhaft in das Gedächtniß einprågen, und verdienen von einem ganzen Volke als Sprichwörter angenommen zu werden; ob er in seinen Gemälden nicht måßiger, in seinen Beschreibungen einfältiger, und mit seiner Einbildungskraft nicht so verschwenderisch seyn möchte, als Akenside; dieses alles überlassen wir unsern Lesern zu beurtheilen, nachdem wir

ihnen von beiden Dichtern einen hinlänglichen Begriff zu machen gesucht haben.

Historische Lobschrift des weiland hoch- und wohlge= bohrnen Herrn Hrn. Christian des H. R. R. Freyherrn von Wolf u. s. w., von Johann Christoph Gottscheden, nebst des hochseligen Freyherrn Kupferbilde. Halle 1755, in Verlegung der Rengerischen Buchhandlung.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 2. Stück 1. 1757. S. 125-133.)

Deutschland hat sich von seinen Nachbaren den gerechten Vorwurf zugezogen, daß es öfters für seine eigene Ehre allzu forylos fei. Aus seinem kaltsinnigen Betragen zu urtheilen, sollte man fast vermuthen, es wisse den Werth der großen Geister nicht zu schäßen, die es in seinem eigenen Schooße hervorbringt. Leibniz und Newton, deren unsterblicher Ruhm bis in die spätesten Zeiten dauern wird, lebten zu einerlei Zeit, und erweiterten die Gränzen der Wissenschaften gleichsam mit verei nigten Kräften. Der große Newton starb; und es ist bekannt, mit welchem Pompe, mit welchen fast königlichen Ehrenbezeigungen sein Leichnam beigelegt worden sei. Der wenigstens eben so große Leibniz verschied, und ward nicht würdiger beerdigt, als der schlechteste Einwohner einer Stadt, dessen Verlust man nicht weiter verspürt, als an dem Tische, wo er gegessen hat. Ja was noch mehr ist, vielleicht hat der Hr. von Fontenelle diesem großen Deutschen eine würdigere Lobrede gehalten, als alle seine Mitbürger, die noch dazu in gewissem Verstande seine Lehrlinge waren.

Das Schicksal des sel. Freiherrn von Wolf ist noch selt= samer gewesen. So lange seine Lehren von seinen Widersachern angefeindet worden sind, so lange noch ein Theil der Menschen aus Mangel der Einsicht oder aus Leidenschaften seine Weltweisheit verkehert haben; so lange bemühten sich Gelehrte und Ungelehrte um nichts eifriger als um den Namen Wolfianer.

Die Unterdrückung schien der Unschuld einen Glanz zu geben, den sie in dem größten Glücksstande nicht erlangt haben würde. Die Wahrheit ist endlich durchgedrungen; sie hat über Verfol gung und niederträchtigen Haß gefiegt. Nichts kann glänzender seyn, als dieser Triumph Anfangs gewesen ist. Allein eben die= ser Triumph war die Ursache, daß die Wolfische Weltweisheit einen Theil ihres Ansehens verloren hat. Man begnügte sich, die Bedrängte in ihre Rechte eingeseht zu haben; man ward kaltsinniger gegen sie; und endlich scheint ein Geist der Spötterei mehr wider die Wolfische Philosophie vermocht zn haben, als der grimmigste Haß der sogenannten Eiferer für die Sache Gottes.

Er starb zum großen Leidwesen aller derer, die unsterbliche Verdienste zu schäßen gewußt haben; und Niemand außer dem Verfasser dieser historischen Lobschrift, der Hr. Prof. Gottsched in Leipzig, hatte den Willen oder die nöthigen Materialien, seinen völligen Lebenslauf, das Merkwürdigste von dessen Schicksalen, Charakter und Verdienste der gelehrten Welt mitzutheilen.

Hr. Gottsched, der dem Hochseligen in dessen lesten Tagen seinen Vorsah, ihm eine Lobschrift zu verfertigen, eröffnete, war so glücklich, von dem fast sterbenden Herrn geheimen Rathe ,,nicht nur die Bewilligung, sondern auch von seiner bereits entkräfteten Hand einige Vorschriften zu erhalten, darnach er sich ,,bey Abfassung dieses Lebens zu richten hätte. Außer diesem ,,verordnete der Hochselige, daß ihm nach seinem Tode alle dazu ,,nöthige Nachrichten, Briefschaften und Urkunden überliefert wer ,,den sollten", davon er die vornehmsten und nüßlichsten der historischen Lobschrift als Beilagen beigefügt hat. Er hat auch bei dem Bürgermeister zu Görlig, Hrn. D. Gehler, einen weitläuftigen eigenhändigen Auffah des Hrn. Kanzlers, von den ersten Jahren seines Lebens und andern Merkwürdigkeiten, angetroffen, der ihm zu einem wichtigen Hülfsmittel zu diesem Leben diente.

Wir zweifeln, ob sich der Hr. Prof. Gottsched aller dieser wichtigen Materialien, die ihm in die Hånde gegeben worden find, recht zu bedienen gewußt hat. Wir finden in seiner histo= rischen Lobschrift den Fehler, welchen man überhaupt allen deutschen historischen Schriften vorzurücken pflegt. Die Begebenheiten werden urkundlich und ohne Falsch erzählt, Zeiten und Örter so genau als möglich angegeben; aber dieser treulichen Samm

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