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S. 49.

Brauch deine Augen selbst; nimm nichts auf Elauben an,
Den Dienst versage nie, den Beyfall jedermann.

Denk alles, was du glaubst, noch einmal ernsthaft über,
Und eh du weiter gehst, halt ein, und zweifle lieber.
Gieb keinem Vorurtheil des Alterthumes Plag;
Der allerälteste ist oft der schwächste Sag,

Im Irrthum erst erzeugt, durch Ansehn angepriesen,
Geheiligt durch die Zeit, und durch die Zeit erwiesen.
Den Aberglauben flieh, der Einbildung Betrug;

Daß ganz ein Volk so glaubt, ist nicht Beweis genug.
Um ersten zweifle da, wo's schrecklich ist zu zweifeln.
Was nicht mit Gründen kann, das schüßet sich mit Teufeln.
Und S. 52.

Arbeite dich im Schwall der Meynungen empor;

Ergreif den nächsten Fels, und steig am Strand hervor,
Eh dich der volle Strom, die Beute seiner Wogen,
Ins uferlose Meer, mit sich hinab gezogen.

Umsonst irrt da dein Aug, umsonst suchst du den Strand.
Und schwimmst mit aller Macht, und siehst nicht wieder Land.
Versuche bald, und oft, die Kräfte deiner Flügel,

Streich erst am Boden her, denn schwinge dich auf Hügel;
Ein jeder Flug erweckt, und stärket die Begier u. f. w.

Das dritte Gedicht, oder Fragment eines großen Gedichts von der Gesetzgebung", beschreibt die Berathschlagung der hollischen Geister, wie sie die Gesetzgebung hintertreiben wollen. Man sieht in diesem Fragmente einen mißrathenen Versuch, das Meisterstück Klopstock's, die Berathschlagung Satans mit seinen Geistern, in dem zweiten Gesange, in gereimten Versen nachzuahmen. Die Anlage, die Charaktere, die Beschreibungen, und fast alle Reden sind aus dem Klopstock. Allein wie wenig unsers Dichters Muse diesem großen Gegenstande gewachsen ist, kann man aus denjenigen Stellen am besten erkennen, wo er seinen seichten Wendungen durch einige erhabene Gedanken aus dem Messias hat aufhelfen wollen. Man sieht das Unternehmen eines Zwerges, der mit den Kleidern eines Riesen auch seine Ge= stalt anzunehmen glaubt. Wir wollen dem Dichter Schritt vor Schritt folgen, und allenthalben Parallelstellen aus dem Messias anführen. Er beschreibt im Eingange die Lage und die Beschaf fenheit der Hölle. Sie war erst im Mittelpunkt der Erde;

Doch in der Sündfluth sind die Riegel aufgesprungen,

Und ein Gebirg entstand in Erderschütterungen.

Im Donner borst die Rinde.

Da stieg ein Dampf in die Luft, die Wasser flohen, die Sonne verbarg ihr Licht, die Elemente kämpften u. s. w.; da entstand das Reich der Finsterniß;

Sechs Meilen in die Höhe, sechs Meilen tief im Meer, Sechs Meilen in die Weite, regiert die Pest umher. (Welch eine mathematische Richtigkeit!)

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Kein Feur, kein Licht zertheilt den Dampf der sichtbarn Nacht,
Als wenn ein Bliz den Teufeln ihr Elend sichtbar macht.

Die sichtbare Nacht ist ein Ausdruck, den man schon Milton nicht hat durchgehen lassen wollen, und ist wenigstens nicht nachzuahmen. Teufeln ist unanständig. Klopstock sagt von diefem Blik, der die Hölle erleuchtet:

ein feuriges Wetter

Machte darauf den ganzen Bezirk der Finsterniß sichtbar.
Ferner Dusch S. 61.:

Der Pöbel weicht erschrocken, der sich um Satans Się,
Wie Wogen um den Fels, drängt

Klopstock S. 49.:

der Pöbel der Geister

Floß mit ihnen unzählbar, wie Wogen des kommenden Weltmeers,
Gegen den Fuß vorgebirgter Gestade, zum Sige des Satans.

Gog nahet sich Satan, und bringt ihm den Bericht von der Reise der Ifraeliten durch die Wüste. Diese Rede ist so seicht und so leer von allen poetischen Zierrathen, daß man es gleich merkt, Klopstock hat keinen Geist die Reise eines Volks erzählen lassen. Indessen hat er öfters versucht, den gotteslåsterlichen Spott nachzuahmen, den Klopstock seinen Geistern so meisterlich in den Mund legt; mit was für einem Erfolge aber, urtheile man aus folgenden Zeilen:

Wie er (Gott) dieß Volk erhielt, erfuhr ich nicht genau,
Dieß weis ich nur, vor hise verschlangen sie den Thau,
Gott denkt sie aufzureiben,

Und sein gelobtes Land wird wohl die Wüste bleiben.

Bielleicht soll der Befehl, die Wüste zu durchstreichen,

Ein feiner Staatsstreich seyn, und tiefer Weisheit gleichen

u. s. w.

Die ganze Hölle gerieth auf Gogs Bericht in Bewegung. (Natürlicher Weise! denn die elenden Reime haben, wie Gellert sagt, eine besondere Kraft, die bösen Geister zu erschrecken.)

Doch Satan sahe kaum die Hölle in Bewegung,

So rafft er sich schon auf.

So schnell er sich aber auch aufrafft, um sich hören zu lassen; so glaubt der Poet dennoch, es wäre jest Zeit, um Satans Geschmack im Puße zu beschreiben:

Der Reichthum von ganz Ormus hing wild um seinen Sih,

Ein ungestalter Zierath, barbarisch ohne Wi ş.

Es scheint als wenn Dusch noch immer die Satane mit den Gnomen verwechselte.

Satan redet seinen Geistern Muth zu, und muntert sie auf, mit ihm bei dem festen Entschlüsse, den sie bei ihrem Ab= fall gefaßt hatten, zu verbleiben:

Das war mein Wunsch, vernichtet oder Gott!

Belial, ein Geist wie Abadonna im Messias, wagt es, so wie jener, und fast mit eben denselben Ausdrücken, der obersten Gottheit der Hölle zu trogen. Er bereuet seinen Abfall, verzehrt sich in Pein;

Und hoffnungsvoll zu sterben,

Spricht er den Donner an, und rufet dem Verderben,
Doch nirgend ist Verderben.

Klopstock:

Schaffe da Feuer, ein tödtendes Feur, das Geister verzehre,
Gott, Verderber der Wesen, die du ohn' ihr Wollen erschufest!
Doch da wurde kein tödtendes Feuer.

Wenn man hier die ganze Rede des Belials mit der vortrefflichen und überaus rührenden Rede des Akadonna vergleicht, so muß man sich über den Verf. verwundern, daß er so wenig seine eigenen Kräfte zu schäßen gewußt hat. Mit kaltem Eingeweide die erhabenen Empfindungen eines Klopstock's ausdrücken wollen, ist, wenn wir es mit einem gelinden Namen benennen wollen, wenigstens unbesonnen. Wir wollen uns begnügen, das Ende dieser Rede gegen ihre Parallelstelle zu halten :

Warum verließ die Macht dich am rothen Meer so früh
Und warf mit keinem Sturmwind die Wogen über sie?
Der sie dort aus der Hand des Pharao gerissen,
Der wird auch gegen dich sein Volk zu schüßen wissen.

Klopstock:

Satan! so wahr wir alle die Quaal nur gewaltiger fühlen,

Wenn du die Behausung der Nacht, und der dunkeln Verdammung,
Königlich nennest; so wahr kehrst du mit Schande belastet,
Statt des Triumphs, von Gott und seinem Messias zurücke!

Ferner Dusch:

Satan ergrimmte

es fuhr aus seiner Hand

Ein siebenfacher Blik, es zitterten die Heere;

Doch keine Flamme traf; er donnerte ins Leere,
Und stampft

Klopstock:

Satan hört ihn voll grimmiger Ungeduld also reden,

Jest wollt' er auf ihn donnern, allein die erschreckliche Rechte

Sank ihm zitternd im Zorn dahin, er stampft' und erbebte.

Der Sånger des Messias läßt den grimmigen Satan vor Wuth verstummen, und Adramelch die Antwort vor ihm geben. Wie vortrefflich stimmt dieses mit ihren Charaktern überein! Allein Dusch läßt Satan sich wieder faffen; er drohet:

Berzagter!

So will ich mit dir reden!

Fleuch, reinige den Ort, den Könige bewohnen,
Fleuch in die Einsamkeit, und flehe da Verschonen,
Dort bring die Ewigkeit gequält und sklavisch zu

Klopstock:

aus finstern Wettern will ich mit dir reden, Berzagter!

Wirst du gepelnigt; so wirst du von deinen niedern Gedanken,
Sklave! gepeinigt. Entfleuch, Verzagter, aus diesem Bezirke,
Unserer Herrschaft, wo Könige find! Entfleuch in die Tiefe

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Die Denkungsart, die Dusch seinem Satan beigelegt, hat so viel Ähnliches mit der Denkungsart des Ulfo im Trauerspiele Canut, daß er ihn auch wirklich zwei Verse aus dem Eanut declamiren läßt:

Ihr Helden, redet selbst, so lange wir noch kriegten,
Wer war's, der überwand, wer waren die Besiegten?

Schlegel sagt:

Da ich mit Dännemarks und Englands Herrschern kriegte,
So sprich, wer hat gesiegt, und wer war der Befiegte?
IV, 1.

10

Wo ihn sein Muster verlassen, da verfällt er sehr oft ins Lächerliche. Nachdem Satan das jüdische Volk sehr verächtlich abgebildet hat, sagt er:

Nun urtheilt selbst, ihr Thronen, verdient es wohl der Müh, Dieß Sklavenvolk zu halten? nein! reisen lies ich sie.

Und ferner:

Nachdem ich Gott vergeblich, drey Monat lang bemüht,
War ich mit mir zufrieden, und dachte endlich: zieht!

Wir wollen noch den Charakter des Molochs nebst der Parallelstelle aus dem Messias S. 47. Doch nein! vielleicht haben wir uns schon zu lange bei dieser Vergleichung aufgehalten, und vielleicht schließen unsere Leser schon mit uns, daß dieses Gedicht nichts weniger als ein Fragment eines größern Gedichts, sondern die Frucht eines Abends seyn müsse, als Hr. Dusch von Lesung des Messias warm zu seyn glaubte. Schnell ward die Feder ergriffen; allein er

Glows when he reads, and trembles when he writes!

Lehrbuch prosaischer und poetischer Wohlredenheit in verschiedenen Schreibarten und Werken, zu akademischen Vorlesungen eingerichtet von M. Johann Bernhard Basedow, Professor der Moral, schönen Wissenschaften und der deutschen Sprache in Soroe. Koppenhagen im Verlage der Rothischen Buchhandlung, 1756. 622 Seiten in 8°, ohne Vorrede und Inhalt.

(aus der Bibl. dèr schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 2. Stúck 1. 1757. . 57-91.)

Man hat sich zwar, sagt der Herr Verfasser in der Vorrede, über keinen Mangel an Lehrbüchern der schönen Wissenschaften zu beklagen, nachdem uns ein Rollin, Bouhours, Bat= teur, Breitinger, May, Meier und Gottsched in neuern Zeiten

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