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der Einfalt der alten Poesie desto eher zu gute halten, da sie ihn durch so viel andere Schönheiten zu ersehen gewußt.

Indessen hat Elihu wirklich einen abstechenden Charakter. Er ist lange so strenge und so bitter nicht, als die übrigen Freunde. Er ist gelinde, fromm, billig, von Bitterkeit und Schmeichelei gleich weit entfernt; und wenn die andern Hiob nur noch mehr reizen, so weiß ihn Elihu durch sein bescheidenes Zureden wieder zu besänftigen.

Der Ausdruck in einem Gedichte bezieht sich entweder auf die Personen, oder auf andere Dinge. Im ersten Falle werden Leidenschaften und Gesinnungen, und im leßtern Beschreibungen vorgebracht. Die Leidenschaften im Hiob find erhaben und überaus heftig, wie man aus den angeführten Erempeln gesehen haben wird. Indessen fehlt es auch an gelinden Gemüthsbewegungen nicht, die geschickt sind, Mitleiden zu erregen; Cap. 14,

1. 2. 3. 6.:

Der Mensch, vom Weibe geboren,

Ist kurz von Zeit, und von Unruh satt.
Wie eine Blume gehet er auf und welkt,
Fleucht wie ein Schatten, und bestehet nicht.
Und auch auf ihn thust du deine Augen auf,
Und mich führst du ins Gericht vor dir?
Laß ab von ihm, daß er ruhe,

Daß er seine Zeit wie ein Tagelöhner abwarte.

Die ganze Stelle ist voll von den vortrefflichsten Bildern, und ganz im Styl der Elegie geschrieben; zulegt wird der Schmerz heftiger, aber er ist immer noch kläglich und sanftrührend; Cap. 19, 2. 3. 21. 22.:

Wie lange plagt ihr doch meine Seele

Und quälet mich mit Worten?

Es sind nun zehn Mal, daß ihr mich höhnt.

Ihr schämet euch nicht, und dringet in mich.

Erbarmt euch mein, erbarmt euch mein, ihr meine Freunde!
Denn die Hand Gottes hat mich geplagt.

Warum verfolgt ihr mich, wie Gott,

Und werdet meines Fleisches nicht satt?

Von den Beschreibungen wollen wir nur ein einziges Beispiel anführen, von dem kriegerischen Pferde, Cap. 39, 24, 25. (weil wir die übrigen Thiere, die in diesem Gedichte beschrieben, nicht so genau kennen, und folglich nicht urtheilen können, ob die Beschreibungen richtig sind). Wie vortrefflich wird nicht sein

Muth, seine Behendigkeit, und ungestüme Begierde zum Streit beschrieben!

Mit Zittern und Toben verschlingt es die Erde
Und achtet nicht der Trompeten Hall.

Wenn die Trompete forttönet, rufet es Hui!
Und von ferne riecht es den Krieg,

Das Donnern der Fürsten und den Klang.

Zulegt erfolgt eine kurze Wiederholung des Harianischen Sylbenmaaßes: Franciscus Hare, Bischof zu Chichestre, glaubt, durch eine gewisse Hypothese von den besondern Regeln des hebräischen, Sylbenmaaßes Rechenschaft geben zu können; welche Hypothese aber vom Lowth bestritten, und deren Unzulänglichkeit bewiesen wird.

Drey Gedichte von dem Verfasser der vermischten Werke in verschiedenen Arten der Dichtkunst. Al= tona und Leipzig, 1756. in Quart.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 1. Stück 1. 1757. G. 168-180.)

Herr Dusch, dessen Geschicklichkeit den Liebhabern der Dichtkunst durch seine vermischten Werke", und vorzüglich durch das darin befindliche schöne Lehrgedicht von den Wissenschaften“, bekannt ist, fährt fort, die Früchte seiner fleißigen Muse der Welt mitzutheilen. Die Herren Leipziger und Schweizer haben auf eine Zeit lang den streitigen Wahlplak verlassen; und eine Mittelgattung von Dichtern, die, so zu sagen, weder Whigs, noch Torys find, füllen indessen die Zwischenscene aus. Alle Liebhaber der Dichtkunst wünschen, daß jene erbitterten Kämpfer nie wieder zum Vorschein kommen mögen. Die eklektischen Gedichte kommen unstreitig dem guten Geschmacke näher, als die geistlosen Hermaniaden, oder die rauhen Geburten der Herren Zürcher, deren letztere Gedichte gewissermaßen unsere Empfindung mit den Regeln der Dichtkunst in einen Streit verwickelt haben.

Indessen hat man vielleicht Ursache, sich über die Flüchtigkeit dieser neuern Dichter zu beschweren. Statt daß sie uns

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schöne Gedichte liefern, würden sie uns unstreitig vortreffliche Gedichte liefern können, wenn sie nur erkennen wollten, daß es ein größer Verdienst ist, untadelhaft, als fruchtbar zu seyn. 3acharid, der sich durch seine komischen Heldengedichte beliebt gemacht, ist unstreitig in seinen ,,Tagszeiten" sehr gefallen, so viel Wesens auch immer der nachsehende Geschmack der Recensenten von diesem Gedichte macht; und Hr. Dusch hat wenigstens durch die Gedichte, die er nach seinen vermischten Werken" c. herausgegeben, nicht viel gewonnen. Von seinem Schooßhunde" wollen wir zu einer andern Zeit unser Urtheil fagen; jest wollen wir uns bemühen, unsern Lesern von diesen,,dreyen Gedichten" einen Begriff zu machen.

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Dieses Gedicht ist fast nichts anders, als eine Nachahmung des vortrefflichen Frühlings" des Hrn. von Kleist, in Reimen und einer vermischten Versart, die Hrn. Dusch eigen ist. Man wird es schon aus dem Worte Nachahmung schließen können, daß er sein Muster nicht erreicht hat; und überhaupt ist Dusch glücklicher in der lehrenden, als in der malenden Dichtungsart. Er weiß den rechten Gesichtspunkt nicht allezeit zu treffen, aus welchem der Dichter einen Gegenstand schildern muß, wenn er ihn angenehm, deutlich und lebhaft schildern soll. Den größten Theil seiner Gemälde hat er von Pope, Thomson, Kleist und andern Dichtern entlehnt, aber dergestalt entlehnt, daß es ihm nicht gelungen ist, sie sich zu eigen zu machen. Ja öfters hat er Figuren aus verschiedenen Dichtern zusammenge= tragen, die sich gewiß verwundern müssen, wie sie hier neben einander zu stehen kommen. 3. E. bei Gelegenheit eines ploglichen Sturms sagt unser Dichter S. 25.:

in allgemeiner Pause,

Hält die Natur den Athem; der Puls der Schöpfung steht;
Die alle Hände faltet, da Gott in Wolken geht.

Young sagt in seiner ersten Nacht: die Natur macht eine fürch= terliche Pause; - der Puls ihres Lebens steht still. Klopstock sagt bei einer andern Gelegenheit:

Gott sprachs. Überall faltete noch die tiefe Verwundrung
Heilige Hände vor ihm.

Wenn man aber diese beiden Figuren willkührlich zusammenseßt, so sollte man fast glauben, die Schöpfung habe sich den Krampf in die Hånde gefaltet, daß ihr Puls davon ist stehen geblieben. Eben daselbst sagt Dusch:

Auf schwarzen Fittigen des Windes fortgetragen,

Rollt langsam am Olymp der Donner ehrner Wagen

und beweist in einer Note die poetische Schönheit der homerischen Vergleichung des Donners mit einem rollenden Wagen, weil das Geräusch eines Wagens viel Ähnlichkeit hat mit dem Getöse eines Donners. Man wird ihm dieses gern einråumen; aber wenn ein Wagen auf Fittigen getragen wird, so kann er kein Getöse erregen. Zudem bringen uns die Fittige des Windes auf einen Begriff der Geschwindigkeit, dem das langsame Rollen in dem folgenden Verse schnurstracks widerspricht.

S. 14. fagt der Dichter von der aufgehenden Sonne:

Der Sonnen halbe Scheibe schaut glüend in die Flur,
Vergüldet ihre Hügel, und grüßet die Natur.

Das

Hier hatte der Discus immer wegbleiben können. Schauen, Vergülden und Grüßen möchte von der Sonne noch angehen, aber von der Scheibe?

S. 21. befindet sich ein Gemälde, das wir unmöglich zu= recht sehen können. Wir mögen es drehen und wenden, wie wir wollen, so steht uns immer etwas an dem unrechten Orte:

An diesem Rosenbusche, den tiefe Still' umfängt,

Um den ein Kranz von Buchen die breiten Zweige hängt,
Der hier Gerüche haucht, und von bemooßten Hügeln,
Gebeugt den Teich beschaut, sein blühend Haupt zu spiegeln.

Wenn hier die Rosen nicht über den Kranz von Buchen mit breiten Zweigen hinüberragen, so wissen wir nicht, wie sie sich in dem Teiche spiegeln können. Unser Dichter ist auch nicht felten unglücklich in Beiwörtern, z. E. gleich im Anfange:

Beglückt ist, wer wie Ihr, in eignem Schatten liegt.

Horaz sagt: Beatus ille, qui bobus exercet suis etc.; aber in eignem Schatten liegen, beweist noch nicht, daß der Grund unser ist. Ein Jeder, welcher unter der Sonne liegt, liegt wohl in eignem Schatten. Von dieser Art übel ausgesuchter Beiwörter sind: der stille Dichter", die sichtbare Stille",,,die schweigende Natur schlummert, verhüllt in ihre Flügel" u. s. w. Indes

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sen läugnen wir nicht, daß wir viele schöne Stellen in diesem Gedichte angetroffen, und daß wir es ungleich höher schäven, als die Tageszeiten, die das Glück gehabt haben, der Menge zu gefallen. Ja vielleicht kann es Hr. Dusch in ein durchgehends schönes Gedicht verwandeln, wenn er sich die Mühe nehmen wollte, die zweite Hand darán zu legen.

Das zweite ist ein Lehrgedicht vom Gebrauche der Vernunft", - eine würdige Schwester des beliebten Lehrgedichts „von den Wissenschaften". Wenn uns Dusch in der malerischen Dichtkunst sich selbst nicht zu trauen, und aus Furcht, zu fallen, seinen Vorgängern mit unsichern Schritten auf dem Fuße zu folgen scheint; so finden wir hingegen in seiner didactischen Poesie Spuren von der poetischen Kühnheit, die sich ihrer Stärke bewußt ist, und nicht selten den getretenen Steg verläßt, um sich über blumige Wiesen einen neuen zu bahnen. Einige matte Stellen ausgenommen, scheuen wir uns nicht, diesem Lehrgedichte die dritte Stelle nach Haller's und Withof's Meisterstücken einzuräumen. Der Dichter eifert darin wider den Mißbrauch der Vernunft in Sophistereien, wider die Sectirerei, wider diejenigen, die entweder aus Leichtsinn oder aus Bigotterie die Vernunft verachten; und wenn es möglich ist, aus einigen Stellen ein ganzes Gedicht zu beurtheilen, so mögen folgende zur Probe

dienen:

Zum Tode, rief Athen, wer beßre Götter lehrt,
Und unsrer Väter Brauch, und den Altar zerstört!

Und sieh! das reine Bild der Weisheit und der Liebe,

Wird zu der Schmach verdammt, und stirbt den Tod der Diebe,

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Dieß war des Weisen Glück von allen Zeiten her,
Und unsre Zeit erstaunt, und wird nicht billiger,
Der Hof zieht Tänzer an, und nähret Müssiggänger,
Jagt einen Weisen fort, und mästet zwanzig Sänger.

Beglückt, wenn man den Geist, der seine Flügel regt,
Noch in die Schulen stößt, und dort an Ketten legt.
Dort muß er in das Gleis der alten Lehrer treten,
Und selbst nicht vor sich sehn, getreuer nachzubeten ;
Muß wider, die Vernunft aus fremden Ländern schreyn,
Cartesisch in Paris, in Halle wolfisch seyn.

Die Mode und der Wahn ertheilt der Welt Befehle,
Die eine für den Leib, der andre für die Seele.

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