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reift zur aristokratischen oder monarchischen Regierung; zu jener, so oft noch beim edlern Theil des Volks die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten Selbstglückseligkeit ist. Sobald sie auch bei diesem bloß Mittel geworden ist; sobald sie in der Führung der öffentlichen Angelegenheiten selbst nicht mehr ihre Glückfeligkeit finden, und bloß auf den Nußen sehen, den sie davon haben; so ist keine andere Hülfe, als Eigennuß mit dem öffentlichen Nußen auf das festeste zu verbinden; d. h. den Staat einem uneingeschränkten Einzelherrn zu unterwerfen, der das Ganze als sein Eigenthum ansieht und also, wenn er sich auf seinen Nugen versteht, bloß das gemeine Beste nüßlich finden kann. Von dieser Seite betrachtet, hat man schon öfters das Betragen des Julius Eåsar gerechtfertigt, und die Anmaßung der Einzelherrschaft, die ihm schuld gegeben worden, so ungerecht nicht gefunden, als Brutus und seine Anhänger fie ausgegeben. Das römische Volk, sagt man, war in den da maligen Zeiten so ausgeartet, daß die Gefahr des Mißbrauchs offenbar größer war, als das Elend des Zwanges; vorausgeseht, daß Casar selbst nicht an diesem Verderbnisse des Volks großentheils schuld gewesen, und den Zustand vorsäßlich hervorbringen geholfen, den er sich so sehr hat zu Nuge machen wollen.

Indessen wird die Nothwendigkeit der Veränderung in einem freien Staat öfter vorkommen, als in despotischen Regierungen. Unter einem eigenmächtigen Herrn bildet sich das Volk selten zur Freiheit. Es verlernt nicht nur den Gebrauch seiner politischen Kräfte, und wird gleichsam unfähig, auf eigenen Füßen zu stehen; sondern es verkennt auch durch die Länge der Zeit den Werth derselben. Wenn es Freiheit als nüßlich wünscht, wünscht es dieselbe nur als Mittel zu andern Bedürfnissen; und scheuet im Grunde mehr das Ungemach der Selbstregierung, als das Elend des Gehorsams. Ist der Despotismus auf's höchste gestiegen und die Tyrannei macht eine Veränderung nöthig, fo trifft die Veränderung nur die Person, nicht die Verfassung. Der Despot wird, in der Empörung, auf die Seite geschafft, und der Despotismus bleibt. Je freier aber der Staat ist, desto inniger sind die regierenden Personen mit der Verfassung verknüpft. Eine Veränderung der Personen verändert zugleich die Form. Wenn in einer Volksregierung das politische Verderbniß so hoch gestiegen, daß eine Veränderung nothwendig wird, so können die Regenten nicht abgefegt oder entfernt werden, ohne

daß die Verfassung darunter leide. Daher manche Staatsrevolution, die in der kleinsten Volksregierung nicht ohne heftige Erschütterungen vorgenommen werden kann, in großen despotischen Reichen, oft ohne alles Ungemach, das Spiel einer Viertelstunde seyn kann.

Man sieht hieraus, wie der Begriff von stillschweigenden Verträgen und der Grundsaß von der Verpflichtung zum Gehorsam nicht nur gar wohl neben einander bestehen können, son: dern auch sich einander bestimmen und ins Licht sehen. Wer in einer Gesellschaft bleibt und sich die Vortheile und Rechte der Gesellschaft zu Nuge macht, der versteht sich eben dadurch stillschweigend zur öffentlichen Verbindlichkeit, und übernimmt die gesellschaftlichen Pflichten. Ja er versteht sich eben dadurch zur Unterwürfigkeit und zum Gehorsam, im Falle die durchgängige Einstimmung nicht zu erhalten oder ohne größere Gefahr nicht abzuwarten ist. Durch diese stillschweigende Einwilligung geht also die innere Verpflichtung, sich der Führung eines Bessern zu überlassen, in eine äußere vollkommene Verpflichtung über; und ein Nothfall macht denjenigen zum Tüchtigsten, der die Gewalt in Hånden hat, und dem sie ohne Gefahr nicht entrissen werden kann. Denn in diesem Falle ist der Zwang des Gehorsams ein geringeres Elend, als der unzeitige Gebrauch der Freiheit. Die Frage: ob und wie weit es einem Cardinal Richelieu oder Mazarin erlaubt gewesen wäre, sich die Oberherrschaft anzumaßen, läßt sich nach diesen Grundsäßen leicht entscheiden. Der Regent mag durch überredung oder Macht, durch List oder Zufall zur Regierung gelangt seyn; sobald jedes Mitglied der Gesellschaft sich die Vortheile gefallen ließ, die aus dieser Verfassung entspringen, so hat die Nation stillschweigend in die Bedingung eingewilligt, und das unvollkommene Recht des Regenten ist in ein vollkommenes Zwangsrecht übergegangen. Der Fall ergiebt sich von selbst, in welchem eine Revolution unvermeidlich wird, und jedem Staatsglied, das die Macht hat, auch die Befugniß zuwächst, der Gesellschaft einen bessern Führer zu geben.

Ich habe diesen Auffah långer als gewöhnlich aufgehalten, um mir Zeit zu lassen, etwas ausführliches über diese weit um sich greifende Materie zu sagen. Am Ende habe ich mir dennoch selbst nicht Genüge gethan, und muß sowohl um Nachsicht, als um Verzeihung bitten.

IV, 1.

7

Die Bemerkungen des Hrn. O. E. R. Dieterich über den in der That paradoren Auffah des Hrn. Prof. Kant sind eben so richtig als gründlich, und verdienen es, daß man den von Hrn. Kant freigegebenen öffentlichen Gebrauch davon mache. Indessen dünkt mich, daß einiges davon dem Hrn. Kant nicht gänzlich entgangen sei. Er ist vielleicht mehr im Ausdrucke, als in den Gedanken paradox.

1.

Was Hr. Dieterich Aufklärung heißt, nennt Hr. Kant Aufgeklärtheit, und unterscheidet es ausdrücklich von der Aufklärung. Der Unterschied scheint in der That nicht umsonst in der Sprache zu liegen. Aufklärung ist der Zustand, in welchem die Bemühung, sich von Vorurtheilen zu befreien und in wichtigen Dingen des Lebens vernünftigen Grundsägen zu folgen, herrschend geworden ist. Aufgeklärtheit aber verdient der Zustand genannt zu werden, in welchem die Vorurtheile abgeschafft und die vernünftigen Grundsähe selbst herrschend gewor= den sind. Beide Hauptwörter scheinen dar französischen Sprache zu fehlen, und machen einen Vorzug unserer Muttersprache aus, die dergleichen Abstracta nach Gefallen bilden kann. Zustand der Aufklärung ist zuweilen besser, als Zustand der Aufgeklärtheit. Wenn der Widerstand gehoben ist, so erschlafft die Federkraft. Der Trieb zur Wahrheit verliert seinen Sporn, und die herrschenden Grundsäge verkennen die Vernunft, von der sie herstammen, und hören auf vernünftig zu seyn. Ohne Kampf mit Vorurtheilen verwandelt sich die Vernunft selbst in eine frostige Nachahmung, und der Trieb zur Originalität führt wieder zu Vorurtheil und Aberglauben zurück.

2.

Was Hr. Kant öffentlichen und Privatgebrauch der Vernunft nennt, hat bloß etwas fremdes im Ausdrucke. Wenn ich ihn recht verstehe, so unterscheidet er bloß Berufsgeschäfte von Außerberufsgeschäften. Berufsgeschäfte sind diejenigen öffentlichen Verrichtungen, die mir von der Gesellschaft aufgetragen sind. In Ansehung dieser bin ich verbunden, mich der Mehrheit der Stimmen zu unterwerfen, weil ich fonst, wie Hr. Klein richtig bemerkt, einen Eingriff in die Freiheit Anderer thun und meine Vernunft Undern aufdringen

würde. Die Berufsgeschäfte können nur auf Eine Weise verrichtet werden, entweder nach der Gesinnung der Mehreren oder nach der Gesinnung der Wenigern. Jenes also muß geschehen, wenn die Gesellschaft bestehen soll. Außerberufsgeschäfte aber sind solche Verrichtungen, in welchen jedem Bürger seine Freiheit und Willkühr gelassen werden muß, sobald die Nation im Zustande der Aufklärung ist. Diese Freiheit in Außerberufsgeschäften nennt Hr. Kant öffentlichen Gebrauch der Vernunft. Er will sie aber, so viel ich einsehen kann, nicht bloß auf Freiheit der Presse und des Schriftstellers einschränken, sondern wird gern einem jeden Volkslehrer die Freiheit gönnen, Vorurtheile zu bekämpfen und Wahrheit auszubreiten, so oft er nicht in Amt und Beruf ist.

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3.

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Aber auch alsdann, wenn der Lehrer in Umt und Beruf ist, wird er sehr oft berechtigt seyn, den Grundsägen zu wider: sprechen, auf welche er angenommen worden, und Neuerung einführen. Es ist wider den Vertrag," sagt man,,,den er mit der Gemeine eingegangen." Ich antworte: es muß mir zuweilen erlaubt, ja sogar meine Schuldigkeit seyn, wider einen Vertrag zu handeln, und zwar unter folgenden Bedingungen. 1) Ich muß überführt seyn, daß es zum Besten des Gegentheils selbst geschehe, und er bei besserer Einsicht mein Verfahren billigen werde. 2) Sobald diese bessere Einsicht nicht erfolgt, und von Seiten der Gegenparthei auf Haltung des Vertrages ge= drungen wird, so muß ich willig seyn, von meinem Vorhaben abzustehen, und mir nicht das Recht anmaßen, ihr meine Einsicht aufzudringen. 3) Endlich muß ich die feste Entschließung haben, alle Folgen und Gefahren der eingeführten Neuerung, Schadloshaltung und Bestrafung, Verachtung und Verfolgung über mich ergehen, und keinen Dritten darunter büßen zu lassen.

Unter diesen Bedingungen, sollte ich glauben, haben sich die weisen Volkslehrer, die wir alle in Gedanken haben, in ihrem öffentlichen Berufsvortrage selbst erlauben können, Neuerung einzuführen. Sie waren bei sich überführt, daß es zum Besten der Gemeine selbst geschehe, die sie angenommen, und konnten vorausseßen, daß es ihnen gelingen werde, sie davon zu überzeugen. Gelang es ihnen nicht, und es erfolgte Verwehrung von Seiten der Obrigkeit oder desjenigen Theils, der sie

verpflichtet hatte, so waren sie willig, abzustehen und ihr Amt niederzulegen. Endlich trauen wir alle ihnen den festen Muth zu, alle Folgen geduldig zu ertragen, die eine Neuerung in Religionssachen mit sich führt, wenn das Volk dazu nicht vorbe= reitet oder der Lehrer nicht behutsam genug dabei verfahren ist. Sie hatten im Falle des Widerspruchs die völlige Schadloshaltung übernommen, jeden Erfah, jede Ahndung und Bestrafung sich gefallen lassen, welche die Gegenparthei darauf sehen werde; und waren also berechtigt, so lange wider den Vertrag zu handeln, bis es ihnen mit gehörigem Nachdruck untersagt wurde.

Sonderung der Ämter und Stånde.

Ich las den Auffah des Hrn. B., und war von seiner Meinung völlig überführt; allein des Hrn. S. Gegengründe schienen eben so einleuchtend, und nun war ich wieder ungewiß. Sollten sich beide Partheien nicht mit einander vergleichen lassen? Ein paar flüchtige Gedanken will ich hinwerfen, die vielleicht etwas dazu beitragen können.

Zuvorderst dunkt mich, müsse man Ämter und Stände unterscheiden. Was für die Ämter nüglich ist, kann für die Stände schädlich seyn, und umgekehrt. In großen Staaten, wo die Geschäfte sich häufen, ist es nüßlich, sie immer mehr und mehr abzusondern; aber die Stånde müssen desto mehr in Verbindung gebracht werden, je mehr die Ämter sie zur Trennung geneigt machen. Sowohl das Intereffe des Staates, als das Interesse der Menschheit scheint dieses vorzuschreiben. Tyrannen suchen die Menschen zu vereinzelnen, weise Regierungen begünstigen alle Arten von Vereinigung.

Die Menschen scheinen von je her das Ungemach, welches aus der Sonderung der Ämter entsteht, empfunden zu haben; sie sind zu allen Zeiten darauf bedacht gewesen, die Stånde durch allerlei Verbindungen wieder näher zusammenzubringen; daher die Brüderschaften, Orden, Gilden u. f. w., in welchen die getrennten Stände wieder in Verbindung gebracht wurden. Ich halte dafür, solche Verbindungen seien der Menschheit nůßlich, wenn sie auch keinen unmittelbaren Zweck haben, auf

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