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ragender Geister auf die Aus- und Fortbildung der Sprache noch keine gründliche Untersuchung angestellt sei. Sodann stellte er die Forderung an die Pädagogen, sie sollten im deutschen Unterrichte den Stil sorgfältiger behandeln, und verglich schliesslich Cicero's und Aristoteles' Ansichten über die Darstellung, wobei er zu dem Resultate gelangte, dass die Griechen so weit über den Römern stehen, wie der Gedanke (den Aristoteles behandelt, Rhetor. III, 1.) über dem Stil (Cicero).

78. Sitzung, den 20. Januar 1863. Herr Märcker fuhr mit den in der vorigen Sitzung abgebrochenen Betrachtungen fort, indem er für diesmal sich mit der christlichen Kanzelberedtsamkeit beschäftigte, die er als viertes genus neben die bekannten drei der alten Rhetoriker stellte. Gegen die Ausführungen des Vortragenden, namentlich gegen seine Interpretations-Versuche erhob sich Herr Schwerin mit so gewichtigen Einwürfen, dass die Versammlung beschloss, den Gegenstand in Sections-Sitzungen gründlicher zu erörtern. Herr Mahn sprach über die Etymologie des zuerst um 1300 vorkommenden Wortes Almanach und zeigte, dass dasselbe von den Arabern herstamme, vielleicht aber aus einer anderen semitischen Sprache entnommen sei. Herr Leo trug einen aus Florenz eingegangenen Brief des Herrn Dr. Grützmacher vor, in welchem dieser der Gesellschaft über seine Thätigkeit in Vergleichung provençalischer Codices Bericht erstattet. Herr Leo brachte dann einen Vorschlag des Herrn Boltz, die Gründung einer eigenen Bibliothek der Gesellschaft betreffend, zur Sprache; wegen der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes wurde derselbe zur Vorberathung an ein Comité gewiesen.

Bericht

an die Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen in Berlin über die in Italien befindlichen provençalischen Lieder

handschriften.

Florenz, Ende December 1862.

Von der verehrten Gesellschaft beauftragt, die auf den italienischen Bibliotheken zerstreuten Handschriften der provençalischen Troubadours aufzusuchen und über dieselben Bericht abzustatten, sehe

ich mich, um diesen Bericht schon im Laufe der Untersuchung selbst geben zu können, leider genöthigt, auf eine innerlich begründete Anordnung, Auswahl und Eintheilung des Stoffes zu verzichten. Bekanntlich sind die Handschriften, seit dieselben zum ersten Mal von Ste. Palaye, man weiss nicht ob vollständig oder nur zum Theil, genau oder ungenau, abgeschrieben und die Abschriften der Bibliothek des Arsenals in Paris einverleibt worden, nur noch von Raynouard für seinen Choix des poésies originales des Troubadours und sein Lexique roman benutzt worden; doch hat sie dieser nicht selbst gesehen, sondern, vermuthlich durch die an den hiesigen Bibliotheken angestellten Copiatoren, Abschriften von denselben nehmen lassen, für deren Zuverlässigkeit ebenfalls keine Garantie vorliegt. Aus diesen Abschriften ein Urtheil über die Beschaffenheit und das Verhältniss der Originale zu einander zu entnehmen, würde selbst, wenn jene bekannt und allgemein zugänglich wären, nicht wohl möglich, jedenfalls aber rathsam sein, ein solches zurückzuhalten, wenn man anders die Originale mit Unbefangenheit würdigen will.

Nun befinden sich aber die Raynouard'schen Abschriften in Privatbesitz, und er selbst hat nirgends auch nur eine nähere Beschreibung derselben gegeben oder mitgetheilt, welche Lieder er, und mit welchen Veränderungen, denselben entnommen; die Ste. Palaye'schen wiederum sind wohl zugänglich, bis jetzt aber von Jedem, der die provençalischen Handschriften in Paris studirt hat, mit Recht einer geringeren Aufmerksamkeit gewürdigt worden, als die Originalmanuscripte der Kaiserlichen Bibliothek, so dass, während von den letzteren so wie von den in England befindlichen bereits mehrfach Abschriften genommen sind, die ihrer vollständigen Veröffentlichung entgegengehen, von den Ste. Palaye'schen Collectaneen nur so weniges Einzelne bekannt geworden ist, dass daraus gar keine Ansicht von der Beschaffenheit der Originale entnommen werden kann. Somit müssen die italienischen Handschriften, sowohl was ihren Werth und ihr gegenseitiges Verhältniss, als was ihren Inhalt anbetrifft, als unbekannt betrachtet werden, und eben dieser Umstand war es ja hauptsächlich, welcher zu dem Wunsche geführt hat, lieber jene einer näheren Betrachtung zu unterziehen, als eine nochmalige Collation der Pariser Handschriften vorzunehmen, die allerdings für den Zweck einer Gesammtausgabe dieser so wichtigen Dichtungen ebenfalls nicht würde umgangen werden können. Ist dies aber der Fall, so kann eine Untersuchung auch von keiner Voraussetzung

irgend welcher Art ausgehen, welche auf die Reihenfolge oder auf den Grad der Berücksichtigung der einzelnen Handschriften Einfluss haben könnte. Mithin wird auch für den folgenden successiven Bericht nichts übrig bleiben als unter Verzichtleistung auf eine systematische Anordnung jede Handschrift in der Reihenfolge, in welcher sie sich der Untersuchung dargeboten, für sich zu besprechen, und eine Vergleichung derselben für den Gesammtüberblick aufzusparen, welcher sich nach Betrachtung der einzelnen am Schlusse ergeben wird.

1.

Den Anfang mache die Ambrosianische Bibliothek in Mailand. Dort befindet sich unter der Bezeichnung R 71 sup. (i. e. sala superiore) eine Pergamenthandschrift aus dem 14. Jahrhundert, in Quartformat, jede Seite in zwei Columnen getheilt, mit gerader, häufig abgekürzter, aber ziemlich deutlicher Schrift. Die Namen der Dichter so wie die Anfangsbuchstaben der Gedichte sind einfach in Roth ausgeführt, und in gleicher Farbe ein Zeichen an den Anfang jeder Strophe und ein Strich durch den Anfangsbuchstaben jedes Verses gezogen. Die erste Strophe jedes Liedes (also mit Ausnahme der Tenzonen, der Briefe, der didaktischen und der epischen Stücke) ist wie Prosa geschrieben und unter Notenlinien gesetzt, welche bei den meisten Gedichten, doch nicht bei allen, mit Noten ausgefüllt sind. In den folgenden Strophen, so wie bei der Tenzone u. s. w. von Anfang an, sind die Verse abgesetzt; statt aller andern Interpunction steht am Ende jedes Verses ein Punkt. Die ursprüngliche Handschrift enthält 130 Blätter mit fast doppelt so viel Gedichten, unter denen sich eine bedeutende Anzahl unbekannter befindet. Leider aber ist der Text derselben ein sehr unreiner. Abgesehen davon, dass die Worte und Silben sehr häufig falsch abgetheilt sind, verwechselt die Handschrift nicht selten t und c, e und o, ui und iu, m und ni oder in (die Punkte fehlen), lässt den Strich für n, desgleichen den Haken für r fort oder setzt sie falsch, und muss überhaupt, wie schon ihr Alter vermuthen lässt, von Jemandem angefertigt worden sein, der die Sprache wenig gekannt hat, da die Verbesserung der sinnlosen Stellen oft ausserordentlich nahe liegt. Von späterer Hand sind zahlreiche Veränderungen, die nicht immer Verbesserungen sind, auch ausgelassene Zeichen für n, r u. s. w., so wie in zweifelhaften Fällen i-Punkte hinzugefügt, die zum Theil

aus anderen Handschriften entnommen sein, wohl auch yon einem
bessern Kenner der Sprache herrühren müssen, als der Schreiber war,
aber doch bei weitem nicht hinreichen, dem Texte eine Gestalt zu
geben, mit dem die Kritik sich einverstanden erklären könnte. Von
derselben Hand stehen voran zwei Blätter Index, und am Schluss ein
langes Gedicht von zehn Blättern, betitelt Documentum honoris, von
Sordel. Darauf folgen noch einige zum Theil zerrissene Schmutz-
blätter, auf deren letztem sich noch ein Lied, und dahinter von dritter
Hand, die auch einige Verbesserungen im Innern vorgenommen hat,
eine lateinische Nänie findet.

Ich lasse zunächst das vollständige Verzeichniss der Gedichte
nach ihren Anfangsversen folgen, mit Angabe der Stellen, wo die be-
reits bekannten gedruckt sind. Was in der Mahn'schen Sammlung
enthalten ist, habe ich nach diesem citirt, übrigens aber Raynouard
vor Rochegude (P. O.), und diesem vor Bartsch den Vorzug gegeben;
die Gedichte, bei denen die Angabe einer Stelle fehlt, sind ungedruckt.
Was die Schreibung betrifft, so sind die Compendien aufgelöst, die
Buchstaben jedoch unverändert gelassen, und die Zusätze von zweiter
Hand in Parenthese beigefügt; bei der häufig falschen Verbindung der
Buchstaben zu Silben und der Silben zu Wörtern, deren strenge Bei-
behaltung nicht nur von gar keinem Werth oder Nutzen ist, sondern
das Lesen auch wesentlich erschwert, ja geradezu verleidet, ist ein
Mittelweg eingeschlagen, der die Orthographie der Handschrift im
Ganzen genommen wiedergiebt und doch auch dem Sinne wenigstens
so weit Rechnung trägt, dass der Leser nicht allenthalben durch die
Trennung zusammengehöriger Silben gestört wird. Die abweichende
Theilung der Worte ist in der Handschrift von gar keiner Bedeutung,
auch durch den sehr wenig grösseren Raum, der zwischen den Wörtern
als der zwischen den Buchstaben gelassen, ist sehr wenig störend und
gewiss häufig ganz unabsichtlich, so dass es vielleicht das Richtigste
wäre, jede Zeile ohne Absätze zu schreiben, was inzwischen aus an-
deren Gründen unterbleiben mag.

men.

fol. 1 a: Folchet de Marseia. Per deu amors ben sabez uera-
Mahn G. I p. 48, 151.

fol. 1 b: Amors merce non muora tan souen. ib. p. 16, 152.
fol. 2 a: Sal cor plagues ben foroimais sazos. id. W. I p. 319.
fol. 2 b: Tan mabellis lamoros pessamenz. ib. p. 328.

fol. 3 a: Sitot me sui atrat apercenbuz. ib. p. 327.

fol. 3 b: id. Molt ifeç granç pecat amors. ib. p. 318.

fol. 4 a: id. Aa qant gen uenz et aqant pauc dafan. ib. p. 322.
fol. 4 b: Fo. Ben an mort mi elor. id. G. I p. 24, 153.

fol. 5 a: id. In cantar mauen amembrar,
fol. 5 b: id. Tant mou de cortesa raçon.

id. W. I p. 317.

ib. p. 320.

fol. 6 b: id. Ja nos cuich hom qeu cange mas cancos. id. G. I p. 37.

fol. 7 a id. Uns uolers oltra cuidaz. ib. p. 63.

fol. 7 b: id. Chantan uolgra mon fin cor descobrir. ib. p. 28, 153. fol. 8 b: id. Greu feira nuls hom fallença. ib. p. 37.

fol. 9 a: Bernard de Uentador. No es merauei(ll)a seu chan. id. W. I p. 36.

fol. 9 b: id. Ab ioi mou lo uers el començ. ib. p. 16, G. I p. 80.

fol. 10 a: id. Qan uei la laudeta mouer. id. W. I p. 32.

fol. 10 b: Cant par la flor iustal uerd foil.

fol. 11 a: Bel mes qeu çant enaqel mes.

fol. 11 b: id. Lo genç temps del pascor.

ib. p. 19. ib. p. 41.

ib. p. 13.

fol. 12 b: id. Chantars non pot gaires ualer. ib. p. 33.

fol. 13 a: id. Qan la freida aura uenta. ib. p. 22.

fol. 13 b: id. Aram conseillaz seignor. ib. p. 34.

fol. 14 a: id. Ben mau perout lai enues uetadorn. ib. p. 20.

fol. 14 b: id. La dolza uoiz ai ançida. ib. p. 30.

fol. 15 a: id. Can uei la flors lerba fresch ela fuola. ib. p. 44.

fol. 15 b: id. El abril qan uei uerdeiar. ib. p. 46.

fol. 16 a: id. Ges dechantar nom pren talanz. id. G. I p. 154, II p. 53.

fol. 16 b: id. Lotems uai euen euire. ib. I p. 72.

fol. 17 a: id. Era non uei luzir solleill. ib. p. 20, 154.

fol. 17 b: id. Estat ai com hom esperduz. id. W. I p. 42.

fol. 18 b: id. Pe(r)l dolz chanz qel rosignols fai. ib. p. 21.
fol. 18 b: id. Per meilz (pes ausgestrichen) lomal cobrir elcon-

sire. (verbessert aus eldonsire). id. G. I p. 73, 155.

fol. 19 a: id. In consirer et enesmai. ib. p. 69.
fol. 19 b: id. Can lafuola sobre larbre sespan.

id. W. I p. 39.

fol. 20 a: id. Conort era sai ben. ib. p. 26,
fol. 20 b: id. Pos pregaz mi seignor. ib. p. 39.
fol. 21 a: id. Tuit cil qi preion qeu chan. ib. p. 29.

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