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melnden, abgefasst (s. Biblioth. patrum, Lugduni, vol. XXVII. p. 517. col. 1). Nach dem Muster dieser sechszeiligen Sequenzenstrophen wurden, ausser den erwähnten dreitheiligen daktylischen Hexametern, ebenfalls schon sehr frühzeitig auch viele andere geistliche (nicht eigentlich kirchliche) und weltliche lateinische Rhythmen abgefasst; so z. B. schon das bekannte Klaglied über den Verfall der Kirche, das dem WALTHER MAP zugeschrieben wird (bei FLACIUS, de corrupto eccl. statu, p. 9-15, und besser bei LEYSER, . c. p. 779-784; - ebenso mehrere andere Klage- und Spottlieder bei FLACIUS, p. 101, 408, 461, 470); mehrere Gedichte der HERRAT VON LANDSBERG (Hortus deliciar. S. 128, 131, 147; vgl. LACHMANN, über die Leiche, S. 426); De conflictu vini et aquae (aus der Münchner Liederhandschrift mitgetheilt von DOCEN, in ARETIN'S Beiträgen, B. IX. S. 1316–1317, No. VII, der aber das in der Handschrift, wie gewöhnlich, in continuo geschriebene Gedicht, in zweizeiligen Halbstrophen, d. i. die Reimpaare in einer Langzeile, abdrucken liess, welche Abtheilungsart, so wie die erwähnte je einer Halbstrophe in einer Langzeile, vgl. Anm. 38, jedoch öfters, wenigstens in Drucken, vorkommt); der Klagegesang HELOISENS und ihrer Klosterschwestern an dem Grabe Abälards (bei FOLLEN S. 129); des heil. EDMUND VOn CanterBURY Psalterium B. M. V. (bei GREITH, a. a. O. S. 133

134); HILARII, Versus et ludi, p. 11, No. IV. u. s. w.; und aus des Letzteren Mysterien Suscitatio Lazari (ebend. p. 26—27, 28, 31) und Historia de Daniel representanda (ebend. p. 52, 58, 59-60), und aus den von TH. WRIGHT herausgegebenen Early (latin) Mysteries (p. 13 — 14, 32-33, 45-53, 59-62) ersieht man, wie bald und wie häufig diese Strophenform (bald mit eigentlichen Refrains, bald mit Refrainzeilen) auch in jenen geistlichen Volksschauspielen angewendet wurde.

Natürlich ging eine so durchaus volksartige Form auch sehr bald aus der mittellateinischen in die Vulgarpoesie über, und erscheint auch hier, was wohl zu beachten ist, am häu

figsten in geistlichen, moralisch-ascetischen und volksmässigen Gedichten.

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So findet man bei den Troubadours, und zwar gerade bei den ältesten, die rime couée nicht nur häufig mit andern (überschlagenden) Reimweisen verbunden, sondern auch oft unvermischt Strophen (meist sechszeilige) bildend; z. B. bei BERNARD DE VENTADOUR (RAYNOUARD, Choix etc. III. p. 61-62); BERTRAND DE BORN (III. 142-144, İV. 157-160); MARCABRUS (III. 373 374; er nennt dies Gedicht vers, d. i. die volksmässigste Form der Troubadourspoesie: Cortexamens vuelh comensar un vers; IV. 129 131); PEIRE D'AUVERGNE (IV. 297 — 301, und Diez, Leben und Werke d. Troub., S. 70; beide Gedichte sind Sirventes); dem MÖNCH VON MONTAUDON (RAYNOUARD, IV. 368 - 373, ebenfalls ein Sirventes); FRA Payre Cardinal (RayNOUARD, Lex. rom. I. p. 464-473: Aissi comensa la Gesta de Fra P. C.; und GALVANI, l. c. p. 210-216: Sermos: Predicator; Bruchstücke daraus auch bei RAYNOUARD, Choix, V. 306307; vgl. was GALVani p. 209 über den volksmässigen Charakter der Sermos sagt); GUIRAUTZ DE CABREIRA (RAYNOUARD, Choix, V. 167— 168, und GALVANI, p. 278 279: Cabra Juglar) und GUIRAUTZ DE CALANSON (RAYNOUARD, Choix, V. 168— 169, GALVANI, p. 280 281, und DIEZ, Poesie d. Troub. S. 42: Fadet Joglar; die beiden letzteren Gedichte sind Ensenhamens oder Unterweisungen für Spielleute; vgl. DIEZ, a. a. 0. S. 221 222, und werden beide in dem Cod. Estens. dem GUIraut von CabrEIRA beigelegt; vgl. GALVANI p. 278) u. s. w. Dabei ist noch zu bemerken, dass in den derartigen Gedichten der Troubadours die Refrainzeilen aller Halbstrophen durch denselben Reim mit einander verbunden werden (also noch recht refrainartig); dass aber meist auch die Strophenzeilen derselben Strophe, manchmal sogar aller Strophen, durch denselben Reim untereinander gebunden sind, was allerdings schon eine weitere Ausbildung der Kunstpoesie ist, und ein Bestreben verräth, diese Form ihrem Princip zu assimilieren, wodurch man um so leichter verführt wird,

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auch hierin nur überschlagende Reime zu sehen (vergl. Anm. 40).

Ebenso frühe, wo nicht noch früher, lässt sich bei den Trouvères die Anwendung der normalen Strophe mit rime couée nachweisen; denn schon der anglo-normandische Tronvère EVERARD DE KIRKHAM (in der ersten Hälfte des 12ten Jahrh.) hat seine Uebersetzung der sogenannten Distichen CATO's in so gereimten sechszeiligen Strophen abgefasst, und eine, mit dieser Uebersetzung in derselben Handschrift (Ms. Arundel. No. 292, im Brit. Mus. vgl. die Beschreibung derselben von TH. WRIGHT in den Altd. Blätt. II. S. 141 ff., besonders No. 10 und 18) befindliche Leidensgeschichte Jesu (a kind of sermon), die aus 126 solchen Strophen besteht, wird ebenfalls diesem Mönche zugeschrie. ben 2). In solchen (118) Strophen ist eine ganze Predigt (sarmun) aus dem 13ten Jahrh. abgefasst "3). Nicht minder merkwürdig und den volksthümlich-kirchlichen Ursprung der rime couée bestätigend ist es, dass alle (drei) bis jetzt bekannt gewordenen altfranzösischen Gedichte (aus dem 12ten bis 14ten Jahrh.), welche die aus der kirchlich-lateinischen Poesie in die Volksdichtung übergegangene Sage von SALOMON und MARKOLF zum Gegenstande baben, gerade in dieser Reimart abgefasst sind; ja dieses Beispiel ist um so merkwürdiger, als eben in den formellen Verschiedenheiten dieser drei Versionen sich noch in so später Zeit und so augenfällig die schon an den Prosen nachgewiesene Entstehung und Umgestaltung der Refrainzeilen, d. i. des charakteristischen Merkmals dieser Strophenart, wiederholt und bethätigt **). Einen noch schlagenderen Beweis für meine Entwickelung dieser Reimart und Strophenform aus dem volksthümlich - lateinischen Kirchenliede, und insbesondere aus den Alleluja-Sequenzen, liefert das von MICHEL (Roman d'Eustache-le-Moine, Notes p. 114-115) mitgetheilte anglo-normandische Trinklied, aus dem 13ten Jahrh., Letabundus (Ms. du Roi, Musée Brit. 16. E VIII. fol. 103 ro.; vgl. MICHEL, Rapports etc., in 4o, p. 24-26), das eine Parodie der berühmten gleichnamigen, und oben (Anm. 36) erwähnten Prosu de nativi

tate Domini des heil. Bernhard ist, und das nicht nur in Sylbenzahl, Rhythmus, Reimweise und Strophenform genau der lateinischen Prose nachgebildet ist, weil es offenbar nach derselben Melodie (s. Musikbeilage II) gesungen wurde, sondern sogar davon noch das Alleluja und die damit correspondierenden Schlussglieder der Halbstrophen (oder Langzeilen), also gerade die Refrainzeilen, wörtlich (d. i. in lateinischer Sprache) beibehalten hat **).

Aber auch die Trouvères im engeren Sinne oder die höfischen Kunstdichter, und die Rhetoriker oder meisterlichen Kunstdichter haben sich noch öfter dieser Strophen mit rime couée bedient, und zwar gerade in geistlichen oder volksmässigen Gedichten; wie z. B. in der Aube im Romancero françois (No. XIII. p. 66-69; noch überdies mit einem eigentlichen Refrain; vgl. S. 24); HUGUES DE CAMBRAY (gegen das Ende des 13ten Jahrh.) in seiner Complainte (Planctus, welchen Namen auch oft die Epistolae farcitae und die Sequenzen selbst führten) dou Crucefiement Jhesu Crist (s. Bulletin du Bibliophile, 1837. No. 18. p. 581; dieses Gedicht in sechs- und zwölfzeiligen Strophen mit rime couée fehlt in dem Verzeichnisse der Werke dieses Trouvère bei DINAUX, Trouv. cambres. p. 123-125); - JEAN MONIOT D'ARRAS (aus derselben Zeit) in einer Pastourelle (bei LABORDE, l. c. II. p. 205 —- 206, und LeGrand, l. c. II. p. 385 — 386, in zwölfzeiligen Strophen); — der berühmte GERSON in seiner Uebersetzung von BONAVENTura's Meditationen, 14: Les heures de la passion de J.-C. par vers et bons metres de six, in 80 sechszeiligen Strophen, und 23: Devote oraison en françois par vers douzains, faits en l'honneur de la glorieuse vierge Marie, in zwölf solchen zwölfzeiligen oder Doppelstrophen (vgl. PARIS, Mss. franç. II. p. 118-119); 119); CHRISTINE DE PISAN in der oben (Anm. 37) angeführten Prière à Notre-Dame, in eben solchen sechszeiligen Doppelstrophen mit dem noch überdies am Ende jeder Strophe angehängten eigentlichen Refrain Ave Maria; OLIVIER BASSELIN, der bekannte normandische Volksdichter und Schöpfer der Vaux-de-Vire, in seinen

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Trinkliedern (s. Vaux-de-Vire d' OL. BASSELIN. Cuen 1821. No. XVII. XXX. LI. LII. LIV. LV).

Ebenso, und aus demselben Grunde, wie in den lateinischen Mysterien (s. oben S. 33), wurde auch in den dramatischen Spielen des französischen Mittelalters, den Jeus, Mystères und Moralités, diese Strophenform häufig angewendet (hier natürlich nur neben anderen Strophen- und Reimweisen, und besonders in den mehr lyrischen Stellen); wie z. B. schon in dem Jus d'Adan ou de la Feuillée von ADAM de Le Halle (Théâtre franç. au moyen-âge... par MM. MONMERQUÉ et FR. MICHEL. Paris 1839. gr. 8. p. 57-61, 92; vgl. auch über diesen Dichter, gest. 1289, DINAUX, l. c. p. 45-71, der aber, p. 54, diese sechszeiligen Strophen fälschlich mit den italienischen Terzinen zusammenstellt); und in dem Jus de St.-Nicholai von JEHAN BODEL D'ARRAS (ebenda, p. 166 — 167, 171 — 173, 175 —— 178, 191 — 192, 198—199, 203–205, 207). Daher sagt noch HENRY DE CROY (1. c. fol. A. 111 r.): Autre taille de vers sisains qui se font en moralitez et ieus de personnages en responce au redargutions (vorzüglich an den lyrischen Stellen oder bei Beschreibungen). Et sont communement de trois lignes, de quatre lignes et de sept lignes (d. h. wohl: die Halbstrophen sind dreizeilig, was die normale Form ist, oder vierzeilig, nämlich je drei Strophenzeilen vor der Refrainzeile, oder die eine Halbstrophe hat zwei Strophenzeilen, die andere drei vor der Refrainzeile, was daher eine siebenzeilige Strophe gibt; so verstehe ich wenigstens die etwas dunkle und ungenaue Terminologie dieses Maistre de Rhétorique) et composees de six sillabes. Dass hier aber vorzugsweise von der normalen sechszeiligen Strophe die Rede ist, zeigt das Exemple:

La guerre.

Jay bruit regne en court
En champs et en court
Er lautre et en lune

La paix.

Je suis sans secours

Mais apres decours

Voit on prime lune 46).

Nicht so häufig finden sich die Strophen mit rime couée (besonders die normalen und unvermischten) in den Dichtun

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