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Eine Fortsetzung von Lessings Nathan

und ihr Verfasser.

Von

Th. Ebner.

I.

Es wird in dem Nachfolgenden keineswegs eine der seit Lessing so genannten Rettungen beabsichtigt. Die Schilderung eines Mannes, der, zu seiner Zeit eine hochgeachtete Persönlichkeit, sich berufen fühlte, in dem um Lessings Nathan entbrennenden Streit ein Wort mitzureden, findet in der Art und Weise, wie dies geschah, ihre Berechtigung. Denn man ist gewöhnt, bei den Gegnern immer an die Person des durch Lessing unsterblich gewordenen Hauptpastors Göze zu denken, und es mag ein um so erfreulicherer Anblick sein, mitten unter der feindlichen Schar einen Mann zu erblicken, der, wohl auch nicht einverstanden mit den erst in den Fragmenten und dann im Nathan dargestellten Ideen, doch in seiner Bekämpfung und Widerlegung derselben einen anderen Weg wandelte als die meisten von Lessings Gegnern!

Die Entstehung des Nathan geht nach Lessings eigenen Worten in einem Brief an seinen Bruder weit zurück über seine Streitigkeiten mit Göze nach der Herausgabe der Wolfenbütteler Fragmente, die als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Will man die erste Idee dazu nicht schon in dem Jugendwerk „Die Juden" entdecken, so giebt die Stelle aus seinem Briefe: „Ich habe vor vielen Jahren einmal ein Schauspiel entworfen, dessen Inhalt eine Art von Analogie mit meinen gegenwärtigen Streitigkeiten hat, die ich mir damals wohl nicht träumen liefs" den ersten Anhaltspunkt für die Entstehung, zu der auch noch

Archiv f. n. Sprachen. LXXIII.

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die ohnedem schon sehr dramatisch gehaltene „Rettung des Cardanus" das Ihrige beigetragen haben mag. Nun er aber sah, welchen Sturm überall die Herausgabe der Wolfenbütteler Fragmente hervorrief, und wie es sich namentlich sein Hauptgegner Göze angelegen sein liefs, den ohnedem schwer bedrängten Mann in jeder Weise unschädlich zu machen, mufste ihm das Wiederauffinden dieses Entwurfes eine willkommene Gelegenheit sein, mit der Ausführung desselben „den Theologen einen ärgeren Possen zu spielen, als noch mit zehn Fragmenten". „Ich mufs versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater, wenigstens noch ungestört will predigen lassen,“ schreibt er an Elise Reimarus, und macht sich allsogleich an die Ausarbeitung seines Nathan. Dafs ihm in der That die Möglichkeit vorschwebte, diesen auf dem Theater aufgeführt zu sehen, sagen nicht nur seine Worte an den Buchhändler Vofs: „ich will ihm den Weg nicht selbst verhauen, endlich doch einmal aufs Theater zu kommen, wenn es auch erst nach hundert Jahren wäre," sondern auch der Schlufs einer von ihm entworfenen Vorrede: „Noch kenne ich keinen Ort in Deutschland, wo dieses Stück schon jetzt aufgeführt werden könnte; aber Heil und Glück dem, wo es zuerst aufgeführt wird." Einstweilen erschien Nathan im Jahre 1779, und seine Aufnahme entsprach allen Erwartungen, die Lessing hierfür gehabt hatte, vollkommen: Herder nannte das Stück in einem Briefe an Lessing Manneswerk", Goethe rühmte die heitere Naivität im Nathan, und dem begeisterten Gleim galt der Verfasser des Nathan als „ein Gott und kein Atheist". Die Theologen freilich schwiegen, und als Stimmführer seiner Gegner trat nicht ein solcher, sondern ein Arzt und Dichter aus Gottscheds Schule, Dr. Balthasar Ludewig Tralles, mit seinen „Zufälligen altdeutschen und christlichen Betrachtungen über Lessings neues dramatisches Gedicht Nathan der Weise" auf. Lessing würdigte den Mann, den ,,nur sein hohes Alter von einem Tanze, den ich sonst mit ihm versuchen würde" rettete, keiner Antwort. Einen Verteidiger fand er in dem kursächsischen Hofrat F. W. v. Schütz mit dessen „,Apologie, Lessings Nathan betreffend, nebst einem Anhang über einige Vorurteile und nötige Toleranz“, deren Wert Jördens freilich nur gering anschlägt. Die einzige

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