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habt.

Bei uns dürfte sich die Exekution des Verweises in ähnlicher Weise gestalten. Da nun der Entwurf, wie wir gesehen haben, doch einmal soweit gegangen ist, eine direkte Verfügungsbefugnis, die Anstaltseinweisung, in die Hand des Richters zu legen, erscheint der Schritt im Sinne der niederländischen Praxis als gegeben. Denn das ist unzweifelhaft, daß sich ein kräftiger Verweis im Anschluß an die erinnerungsfrische Verhandlung, gleichsam als das gezogene Fazit, viel wirkungsvoller gestaltet, als wenn die Mahnung getrennt und von einer dritten, womöglich ganz fremden Person erfolgt.1

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II. Die Buße bedarf hinsichtlich ihrer allgemeinen anerkannten Bedeutung und Anwendung im ordentlichen Strafensystem keiner besonderen Ausführungen. Man hat die Geldstrafe" neuerdings auch für die Jugendbehandlung in beschränkter Weise verwendet, indem man sich dadurch neben dem Verweis ein Mittel sicherte, durch dessen Gebrauch für erste und leichteste Verfehlungen (meist nur Übertretungen) kurze Freiheitsstrafen, soweit möglich, vermieden werden können. So ist die Buße gegenüber Jugendlichen im englischen Youthfoul Offenders Act (1901) vorgesehen; in den Niederlanden kann sie bis auf die Höhe von 90 Gulden (180 Franken) ausgesprochen werden. Der schweizerische Entwurf (Art. 226) schließt sich materiell der letzteren Bestimmung eng an, indem er im Gegensatz zum Stooẞ'schen Vorentwurf, wonach die Verhängung einer Buße gegenüber Jugendlichen bis auf 500 Fr. möglich war, einen Maximalbetrag von 200 Fr. im Übertretungsfalle festsetzte.

Die Nützlichkeit der Geldbuße gegenüber jugendlichen Gesetzesübertretern ist sehr diskutabel. Nicht nur, daß sie in den meisten Fällen mit Rücksicht auf die beschränkten Mittel und das spärliche Einkommen dieses Alters nicht eingetrieben werden kann, man darf auch nicht übersehen, daß im umgekehrten Fall, wo die Mittel vollkommen hinreichen würden, meist noch der richtige Wertbegriff fehlt, wodurch dann die Buße als Zuchtmittel jeder Wirkung entbehrt, ja als ein bequemes Lösegeld aufgefaßt wird. Aus diesen Erwägungen wird sich der Richter von vornherein für die Anwendung dieses Mittels auf eine recht kleine Minderheit von Fällen beschränken müssen.

Diesen Bedenken wird nun allerdings der Art. 36 des Vorentwurfes, der die Bußeneintreibung und die subsidiären Strafen in weitem Umfange regelt, zum Teil gerecht. Als solche subsidiäre Mittel kommen

Im gleichen Sinne Appelius, 170/1.

in Betracht: staatliche Zwangsarbeit mit Freiheitsentzug oder bei Arbeitsunfähigkeit des Verurteilten Haft, die sich nach Höhe der verhängten Buße (5 Fr. zu einem Tag) berechnet, in keinem Falle aber länger als drei Monate dauern darf.1 Es wird dabei sofort klar, daß das Strafmaximum der Übertretung Jugendlicher (8 Tage Haft) hinter der höchstmöglichen Zeit der Freiheitsentziehung in ihrer subsidiären Anwendung weit zurückbleibt. Denn nach der oben erwähnten allgemeinen Bestimmung läßt sich diese Einschließung im Maximum (200:5) auf 40 Tage berechnen. Würden wir somit die Anwendung dieser Bestimmung ohne weiteres auch für die Jugendlichen anerkennen, so sähen wir uns vor die Absurdität gestellt, daß im Einzelfalle das angedrohte Höchstmaß auf das Fünffache getrieben werden kann. Daß dieses aber nicht die Meinung des Gesetzgebers sein kann, sondern daß er diese Bußenumwandlung an das mögliche Maximum der primären Strafe gebunden wissen will, ergibt sich mit aller Deutlichkeit daraus, daß er in Art. 36, § 5 das Höchstmaß der in Haft umgewandelten Buße dem im Entwurf überhaupt vorgesehenen untersten Strafmaximum kongruent wählt, und dies tut er zudem mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das Höchstmaß der bei Übertretungen zulässigen Strafe (Art. 228). Dabei scheint er die besonderen Bestimmungen und Ausnahmenormen der Jugendlichen übersehen zu haben; wir können also durch eine Analogie das richtige Verhältnis herausfinden, indem wir entweder das angedrohte Maximum der Strafe hinauf oder das Bußenhöchstmaß herabsetzen, bis sie in dem vorgeschriebenen Verhältnis x: 5=y stehen."

Vorher möchte ich jedoch noch kurz auf die wirtschaftliche Seite unserer Frage aufmerksam machen. Eine Lösung läßt sich vielleicht am ehesten finden, wenn wir die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Jugendlichen mit berücksichtigen. Nehmen wir z. B. an, es bliebe für die Übertretungen Jugendlicher bei dem angedrohten Maximum von 8 Tagen abgesonderter Einschließung und supponieren

1 Auf diese Subsidiarität weist § 903 der zürch. Rechtspflege ausdrücklich hin; vgl. jetzt auch den Entw. der Strafprozeßordnung für den Kanton Zürich, § 200: „Bei Verhängung einer Buße soll das Gericht für den Fall, daß dieselbe nicht bezogen oder sichergestellt würde, gleichzeitig die Freiheitsstrafe bestimmen, welche an deren Stelle zu treten hat."

2 X = Höchstmaß der Buße. y = Strafmaximum der abgesonderten Einschließung. Man könnte auch daran denken, den Divisor (5) entsprechend zu erhöhen, wodurch y verhältnismäßig herabgesetzt und dem vorgesehenen Strafmaximum entsprechend angenähert würde. Dies wäre aber hinwieder mit Art. 36, § 2 und § 4 schwer in Einklang zu bringen.

wir ein Urteil auf „Geldstrafe" von 90 Fr., so stehen sich praktisch jene acht Tage und ein ganzer Monat mühevoller Arbeit gegenüber, wenn wir das tägliche Einkommen des Jugendlichen durchschnittlich auf 3 Fr. veranschlagen. Diese Proportion wird also den tatsächlichen Verhältnissen kaum gerecht. Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren und die Fälle sind absehbar, wo ein Jugendlicher eine kurze Einschließung der harten Buße vorziehen wird, der Buße, durch die man doch eben den Freiheitsentzug zu reduzieren gedachte.1 Da nun zudem die Einschließung nicht mehr in den gewöhnlichen Gefängnissen stattfindet und damit auch die natürliche Scheu vor dem ersten Schritt in dasselbe dahinfällt, müssen unsere Zweifel in die Anwendbarkeit und Nützlichkeit der Buße bei der jetzigen Regelung noch verstärkt werden.

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Aus diesem letzteren Gesichtspunkte rechtfertigt sich vor allem ein Kompromiß, indem wir neben der Herabsetzung des Bußenhöchstmaßes das subsidiäre Strafmaximum erhöhen müssen, wenn wir nicht anders die Geldstrafe" auf eine lächerliche Kleinheit reduzieren wollen. In diesem Sinne scheint mir eine Ansetzung der Buße auf 100 Fr. und der für die Übertretung vorzusehenden Freiheitsentziehung bis auf 14 Tage als gerechtfertigt. Nun sind wir auch der oben aufgestellten Proportion näher gekommen. Daß sie unbedingt wie ein Rechenexempel zu lösen sei, ist nicht nötig, da nach den allgemeinen Bestimmungen des Entwurfs selbst (Art. 36, § 5) ein ungedeckter Bußenrest übrig bleiben kann. Jedoch bedarf dann Art. 36, § 5 im Schlußsatz der Ergänzung: „Die Haft dauert in keinem Falle länger als drei Monate resp. bei Übertretungen Jugendlicher länger als 14 Tage. (Art. 228 u. 226, modifiziert.)"

Sehr beachtenswert ist, daß Art. 36, § 2, 2 dem Richter die Möglichkeit gewährt, zu bestimmen, daß die Buße nach und nach abzuzahlen sei. Einen ähnlichen Vorschlag für wöchentliche Ratenzahlungen hat schon Appelius gemacht, und die Kriminalistische Vereinigung zu Halle, 1891, sprach sich ausdrücklich für Aufnahme dieser Einrichtung aus.3 Neben der nun sicherer gestellten Exe

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1 Vgl. hiezu auch Krohme: Verhandlungen der zweiten Jahresversammlung in Halle 1901; S. 63 ff.

2 Dies wird sogar die Regel sein. Ein Beispiel: Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage zu Fr. 2000 Buße neben der Freiheitsstrafe. (Art 207) Eintreibung unmöglich; erfolgt Umwandlung. 2000: 5 400. Rechnerisch wären also 13 Monate Haft zu erstehen. Da die Haft nun aber im Maximum nur drei Monate dauern kann, verbleibt rechnerisch ein Rest von 10 Monaten ungedeckt usw.

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kution hat die Bewilligung der Ratenzahlungen den Vorteil für sich, daß der Jugendliche für eine gewisse Zeit mit den Behörden der Strafrechtspflege in periodischem, persönlichem Kontakt bleibt.

Mit diesen Modifikationen scheint mir die Buße sehr wohl auch für Verbrechensfälle jugendlicher Personen anwendbar; sie reihte sich ganz natürlich als primäres Zuchtmittel zwischen den Freiheitsentzug (Probation) und den Verweis ein. Auch ließe sich für eine allfällige Aufnahme in Art. 14, § 3 der Maximalbetrag ohne Not auf 500 Fr. erhöhen, da hier die subsidiäre Freiheitsstrafe zwei Monate erreichen kann.1 Die Ratenzahlungen bedingen, wie gesagt, zugleich eine Art natürlicher Aufsicht, deren Wirkung noch erhöht würde, wenn man die vorgesehenen staatlichen Aufsichtsorgane für die Jugendlichen als Zahlungsstelle bestimmen würde.2 In Anbetracht dieser wertvollen Kontrolle würde nichts hindern, das System der Ratenzahlung für jugendliche Verbrecher obligatorisch zu erklären. Bei all dem versteht es sich jedoch von selbst, daß die „Geldstrafe" nur zur Anwendung kommen darf, wenn sie der Jugendliche aus eigenen Mitteln erstehen kann und muß, damit er sie überhaupt als Nachteil empfinde. Der Antrag Gabuzzi zum Vorentwurf 1903, daß „Eltern und Vormünder für Zahlung der Buße haften" sollen, wurde in den Verhandlungen deshalb mit vollem Recht gestrichen. Theoretisch läßt sich gegen diese Motion auch sagen, daß durch sie eine „Haftung für fremde Schuld" statuiert würde, die einen strafrechtlichen Kausalzusammenhang in der Luft supponiert.

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Nicht zu verwechseln ist damit die Frage, wieweit die Eltern oder Vormünder wegen Vernachlässigung ihrer zu Verbrechern gewordenen Schutzbefohlenen strafrechtlich heranzuziehen seien, wenn ihnen ein Verschulden an dem Zustand des Kindes oder des Jugendlichen nachgewiesen werden kann. Ich glaube, daß Gabuzzi bei seinem Antrag innerlich diese indirekte Bestrafung der gesetzlichen Erzieher undeutlich vorschwebte. Hiervon handelt der nächste Paragraph.

III. Zum Schlusse mag hier noch erwähnt werden, daß in einem Gutachten zuhanden der deutschen Kommission seinerzeit für die Wiederaufnahme der Prügelstrafe plädiert wurde. „Von dem schönen

1 Dies ruft wiederum einer kleinen Korrektur in Art. 36, § 5, Schluß. 2 Im Kanton Zürich sind es die Gerichtskanzleien, welche die Bußen beziehen (§ 1116 Rechtspfl.), und sie werden es voraussichtlich auch bleiben (Strafproz.-Entw. § 421).

3 Verhandlungen II, S. 718 ff.

• Vgl. Appelius, S. 105.

Begriff der Humanität" - lautet die Begründung

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die Strenge zu trennen, sollte unsere mit Blut und Eisen erzogene Zeit sich nicht zu schulden kommen lassen." Daran ist nichts beachtenswert als die Eleganz, mit welcher die Jahre 1870/71 mit der Prügelstrafe in Relation gebracht werden.

Damit haben wir den Überblick über die staatlichen Zwangs- und Zuchtmittel des Entwurfes abgeschlossen. Es lag mir daran, festzustellen, daß auch bei Bestimmung derselben der Gesetzgeber seinen erzieherischen Prinzipien treu geblieben ist und für die mannigfaltigen Spielarten der verbrecherischen jugendlichen Persönlichkeit, wie sie das Leben ungeordnet darbietet, auch ebenso verschiedene, aber zweckbewußte Wege gegangen ist. Zugleich habe ich, wo möglich, immer auch ein kurzes geschichtliches Resumé über die Entwicklung der einzelnen Institute vorausgeschickt, um den Gedanken zu festigen, daß der Entwurf überall den vorgezeichneten Spuren der Geschichte gefolgt ist und sich von ihr in allen Teilen beraten ließ, sodaß er sich in seinem einheitlichen Aufbau und Gefüge gewissermaßen als ein Schlußstein in der Entwicklung des kontinentalen Jugendstrafrechts darstellt.

Es erübrigt, im folgenden Abschnitt noch einige Begleiterscheinungen und allgemeine strafrechtliche Bestimmungen (Rückfall und Verjährung) in ihrer Anwendung auf die Jugendlichen gesondert zu betrachten.

C. Einzelne Besonderheiten.

§ 13. Begleiterscheinungen:

Die Ehrenfolgen und die Zwangsmittel
gegenüber den Eltern.

Anhangsweise: Privatrechtliche Fragen.

I. Ausgehend vom genauen Wortlaut des Art. 40 des Entwurfes, welcher die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit für den zu Zuchthaus Verurteilten obligatorisch und für den zu Gefängnis Verurteilten in den gesetzlich bestimmten Fällen fakultativ statuiert, kommen wir zu dem Ergebnis, daß für alle Jugendlichen obige Bestimmung keine Anwendung findet, da bei ihnen von einer Verurteilung zu Zuchthaus oder Gefängnis nicht die Rede sein kann. Ich glaube auch nicht, daß im Sinne des Entwurfes aus einer Analogie

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