tion der Neueren von dem mythischen Bande gelöst ist, an welchem die antike so oft noch gehalten wird, desto mehr zittert in ihr ein bewegtes, empfindungreiches Leben. Einen Anflug davon haben spätere griechische und römische Dichter; die Trauer der Natur über den Tod Bion's in dem von Moschus verfassten Epitaphium, bis in Einzelnheiten zur Darstellung gebracht, nuthet uns fast an wie modernes Sentiment; aber kein antiker Dichter würde sich zum Ausdrucke von Vorstellungen verstiegen haben, wie sie Shakspere hat, wenn er das frühe Veilchen schilt, dass es seinen Duft dem Athem des Geliebten gestohlen, die Purpurwange mit seinem Blute gefärbt, wenn er die Lilie die Diebin seiner Hand, den Majoran den Räuber seiner Locken nennt. Die Personification abstracter Begriffe insbesondere sittlicher Ideen und Mächte, ging bei den Alten von dem mythischen Bewusstsein und der götterbildenden Phantasie aus. Als Götter vorgestellte Wesen, wie Dike, die Erinyen, Nemesis, Peitho und viele andere sind noch religiös geglaubte Gestalten. Wie nahe es lag, von ihnen in die frei poetische Personification überzugehen, kann des Bacchylides Päan auf Eirene, des Aristoteles Gedicht auf die Agerά und das Skolion auf die 'Yyiaa lehren. 1) Bei Horaz ist in der Personification der virtus das Mythische kaum noch sichtbar und bei neueren Dichtern ist der Friede, wie von Göthe und Schiller, Der du von dem Himmel bist, alle Noth und Schmerzen stillest, ",, Schön ist der Friede, ein lieblicher Knabe liegt er gelagert am ruhigen Bach" in freipoetischer Personification dargestellt worden. 2) Der Uebergang aus dem Mythischen 1) Bei Bergk, poet. lyr. Gr. p. 823 (Ausg. 1); Jac. Anth. und p. 92. p. 110 2) Es ist bemerkenswerth, dass in dem Skolion des Aristoteles die Areta zwar offenbar noch eine mythisch geschaffene Persönlichkeit ist, aber durch α09έvos, nicht durch eós oder 9ά bezeichnet ist. Ebenso wenig in anderen Stellen, vgl. z. B. Simonid. 14 (Jac. Anth. 1 p. 61): τις λόγος τὴν Ἀρετὰν ναίειν δυςαμβάτοις ἐπὶ πέτραις, ῦν δέ μιν θοὰν χῶρον ἁγνὸν ἀμφέπειν· οὐδὲ πάντων βλεφά θνατῶν ἔςοπτος, ᾧ μὴ δακέθυμος ἱδρὼς ἔνδοθεν μόλῃ, ἵκητ ̓ ἐς ἄκρον ἀνδρείας, Mnasalcas 14 (Jac. Anth. 1, p. 126): As Εστι ροις zur freibildenden poetischen Personification ist an vielen Gestalten sichtbar, welche von den Dichtern der Griechen erschaffen wurden. Insbesondere waren die Dichter der Komödie kühn genug, Gestalten zu bilden, die in dem Götterstaate des Volksglaubens Bürgerrecht weder hatten noch erlangten. 1) ἐγὼ ἡ τλάμων Ἀρετὰ παρὰ τῇδε κάθημαι Ἡδονῇ, αἰσχίστως κειραμένα πλοκάμους, θυμὸν ἄχει μεγάλῳ βεβολημένα, εἴπερ ἅπασιν ὁ κακόφρων Τέρψις κρεῖσσον ἐμοῦ κέκριται. Mnasalcas benutzte das Epigramm des Aristoteles 6 (Jac. Anth. 1 p. 112): ἅδ ̓ ἐγὼ & τλάμων Ἀρετὰ παρὰ τῷδε κάθημαι Αἴαντος τύμβῳ, κειραμένα πλοκάμους, θυμὸν ἄχει μεγάλῳ βεβολημένα, οἵνεκ Αχαιοῖς ἡ δολόφρων Απάτα κρέσσον ἐμοῦ κέκριται. Antip. Sidon. 65 (Jac. Anth. 2, 24): Σήμα παρ' Αιάντειον ἐπὶ Ῥοιτηΐσιν ἀκταῖς θυμοβαρὴς ἀρετὰ μύρομαι ἑζομένα, ἀπλόκαμος, πινόεσσα, διὰ κρίσιν ὅττι Πελασγῶν οὐκ ἀρετὰ νικᾶν ἔλλαχεν, ἀλλὰ δόλος, vgl. Demaget. 9, 5 (Jac. Anth. 2 p. 41). Die virtus bei Horatius schön personificirt Carm. 3, 2, 17-24; vgl. carm. 3, 24, 31, carm. saec. 58, epod. 9, 26. Das Epigramm des Aristoteles übersetzte Ausonius Ep. III p. 191 (Jac. Anth. 6 p. 369). 1) Dikäopolis redet die 1 αλλαγή an Ar. Ach. 953: ὦ Κύπριδι τῇ καλῇ καὶ Χάρισι ταῖς φίλαις ξύντροφε Διαλλαγή, ὡς καλὸν ἔχουσα τὸ πρόσωπον ἄρ ̓ ἐλάνθανες; Vgl. Lysistr. 1114. Die Göttin der Bestechlichkeit Μωρώ kommt bei Ar. eq. 529 vor; sie war von Kratinus erschaf fen in den Εὐνεῖδαι, wo sie angeredet wird Λωροῖ συκοπέδιλε, cf. Meineke, fr. com. 2, 1 p. 58. Wie Δωρώ ist Δεξώ nach Hesychius ebenfalls von Kratinus gebildet. Damonen wie Σκίταλοι, Φένακες, Βερέσχε θοι, Κόβαλοι, Μόθων werden von dem Wursthandler bei Ar. eq. 635 fg. angerufen. Wie Aízn Göttin ist, so bildet Aristophanes eine Göttin des Trugs, Nub. 1151, ὦ παμβασιλεις Απαιόλη. Ein Dämon Dummbart, wie Kock übersetzt, ist bei Ar. equit. 221: σπένδε τῷ Κοαλέμῳ. Wenn Homer dem Ares den Δείμος und Φόβος zu Gesellen und Dienern giebt, den Κυδοιμός zum Gefährten der Enyo und der Ker (II. 5, 593. 18, 535, vgl. Hes. theog. 755) macht, so haben diese Gestalten als Gefolge eines grossen Gottes, des Ares, noch ein mythisches Gepräge; dagegen ist freiere, wenn auch mythisch gebildete Personification des Polemos bei Aristophanes pac. 254. 239. 205. 223, und in den Acharnern (v. 941 951) geht der Dichter zur freipoetischen Personification des Polemos über, indem er ihn παροίνιος ἀνήρ nennt. Ich erinnere noch an die von Aristophanes verspotteten, den Naturphilosophen zugeschriebenen Gottheiten, wie Αήρ (Nub. 264, ὦ δέσποτ ̓ ἄναξ, ἀμέτρητ' Αήρ, vgl. Kock), Αναπνοή, bei welcher Sokrates schwört (nub. 627), Λίνος (nub. 828, 1471, Λῖνος βασιλεύει, τὸν Δί' ἐξεληλακώς, vgl. nub. 380. - 382 und dazu Teufel), Αιθήρ, nub. 570, ran. 892, Χάος, nub. 424, und an das Euripideische Fragment: ὁρᾷς τὸν ὑψοῦ τόνδ' ἄπειρον ἀέρα, τοῦτον νόμιζε Ζῆνα, τόνδ' ἡγοῦ θεόν. In die frei poetische Personification ist übergegangen, wenn bei Cratinus der Oknos, die Methe als Personen auftraten, wenn Aristophanes die Komödie als Jungfrau darstellt, die Tragödie als weibliches Wesen, wenn in den Wolken desselben der δίκαιος λόγος und der ἄδικος λόγος im heftigen Kampfe begriffen sind, wenn in den Komödien die Añávy, der Dóvos, der "Eleyyos handelnde Personen waren, ja auch in der prosaischen Darstellung die Agɛrý und Kazia wie in des Prodicus Erzählung bei Xenophon oder die Philosophie und bildende Kunst bei Lucian persönliches Leben haben. 1) An solchen Gestalten aber, die als freipoetische Personificationen auftreten, ist die neuere Poesie ausserordentlich reich; statt vieler Beispiele, die in allen Dichtern begegnen, erinnere ich nur an Rückert's schönes Gedicht „An unsere Sprache (Gedichte p. 32) und an die höchst individuelle Weise, mit welcher Faulconbridge in Shakspere's K. Johann (2, 2) den Eigennutz zur Person macht, wie Heinrich V (4, 1) die „, Cärimonie" und Heinrich IV (II, 3, 1) den Schlaf als persönliche Wesen anreden. Wie weit in der Personification abstracter Verhältnisse der Dichter gehen kann, kann eine Stelle in Tieck's Fortunat zeigen, in welcher die Redensart,, Kamt Ihr gestern" zur Person gemacht ist. 2) 66 Wie gern die Phantasie der Griechen ganz leblosen Gegenständen von mechanischer Beschaffenheit ein Leben, eine persönliche Neigung zugeschrieben hat, beweist schon Homer. Für die Helden des trojanischen Kriegs ist die Lanze ein beseeltes Wesen, die sich im Fleische der Feinde 1) Vgl. Arist. eq. 517 und dazu Kock, pac. 148, ran. 95, Hor. de arte poet. 232. Meineke, fr. com. gr. 2 p. 204. Xenoph. Mem. 2, 1, 21 fg., Lucian. Somn. 6. Vgl. die empfundene Anrede Cicero's an die Philosophie, quaest. Tusc. 5, 2. 2) Schriften 3 p. 314: Ja,,,kamt Ihr gestern" ist Geschwisterkind Mit dem verruchten Balg,, ein andermal", Die Lumpensippschaft stammt von Lug und Trug, Wohin man kömmt, sind die Unholde da Mit ihrem dummen Zähnefletsch und Grinsen. sättigen will. 1) Das Schiff, die Lampe, die Flasche, die Thür und ihre Riegel und viele andere Gegenstände werden zu persönlichen Wesen und für die Kohlen brennenden Acharner bei Aristophanes ist der Kohlenkorb ein Landsmann, ein Kamerad, der nicht verrathen werden darf. 2) Die neuere Poesie hat die Personification mechanisch - lebloser Gegenstände insbesondere im Mährchen, wie Andersen, und statt vieler Beispiele erinnere ich an die phantastische Weise, mit welcher in Tieck's Zerbino der Stuhl, Tisch, Spiegel, die Schüsseln, die Geige, die Harfe, Flöte u. a. wie Personen reden und sich geberden. Die Form der Personification wird insbesondere durch das Epitheton, die Apposition, das Verbum mit ihren weiteren Entwickelungen und Zusätzen hervorgebracht; als eine überaus häufig vorkommende Form ist die Anrede zu erwähnen. Nicht nur die Lyriker, welche diese Anrede ausserordentlich oft anwenden, auch die Epiker und Dramatiker benutzen sie. In diese Anrede legt die Leidenschaft, die Abneigung und der Hass wie die Liebe und die Sehnsucht, ihre Stärke und Heftigkeit. Die sittliche Indignation leiht anredend dem Gegenstande die Macht oder die Schuld, die nur dem Urtheil oder der Leidenschaft des Menschen angehört; so reden alte und neuere Dichter personificirend z. B. das Gold oder das Geld an. 3) Häufig ist die Anrede an Heimath und Vater 1) Hom. Il. 15, 317, δοῦρα - λιλαιόμενα χροὸς ἆσαι, 21, 69, ἐγχείη ἱεμένη χροὸς ἄμεναι ἀνδρομέοιο, 4, 125, άλτο δ' ὀϊστὸς ὀξυβελής, καθ' ὅμιλον ἐπιπτέσθαι μενεαίνων. Statyll. 2) Vgl. Arist. eq. 1300. Catull. 4. Hor. carm. 1, 14. Flacc. 3 (Jac. Anth. p. 238 und 9 p. 269), Marc. Argent. 4, 3, Hor. carm. 3, 8, 14. 21, 23. Marc. Argent. 18. 21 (Jac. Anth. 2 p. 246. 247). Plaut. Curc. 1, 2. Ovid. Amor. 2, 1, 22. 1, 6, 73. 74. Hor. carm. 1, 25, 4. 5 und Orelli. 3) Inc. fr. trag. 102 (Nauck, tr. gr. fr. p. 670): ὦ χρυσέ, βλάστημα χθονός, οἷον ἔρωτα βροτοῖσι φλέγεις, πάντων κράτιστε, πάντων τύραννε· πολεμεῖς δ' Αρεος κρείσσον' ἔχων δύναμιν, πάντα θέλγεις· ἐπὶ γὰρ Ορφείαις μὲν ᾠδαῖς land, an geliebte Orte, die bei der Ankunft begrüsst werden, denen beim Abschiede Lebewohl wie empfindenden Wesen gesagt wird. Der Herold in des Aeschylus Agamemnon, der εἵπετο δένδρεα καὶ θηρῶν ἀνόητα γένη, σοὶ δὲ καὶ χθὼν πᾶσα καὶ πόντος καὶ ὁ παμμήστωρ Αρης. χρυσέ, πάτερ κολάκων, ὀδύνης καὶ φροντίδος υἱέ, καὶ τὸ ἔχειν σε, φόβος· καὶ μὴ ἔχειν σ', ὀδύνη. Ergo sollicitae tu causa, pecunia, vitae es! Per te immaturum mortis adimus iter. Tu vitiis hominum crudelia pabula praebes: Shakspere's Timon, von der Undankbarkeit der falschen Freunde bis zum Wahnsinn gekränkt, schreibt sein Unglück nicht seiner eignen Thorheit, sondern der Macht des Goldes zu und charakterisirt es anredend mit dem Hasse individualisirender Vertiefung (4, 3; 5, 1): Komm her, verfluchter Dreck! Du Alltagsmetze Der Menschenbrut, die du nur Ungleichheit Und Zwietracht säst und Volk und Volk verhetzest. Du süsser Königsmörder, theurer Meister Der Scheidekunst, der Sohn und Vater trennt! Sich müssen; Redner du, der jede Sprache, Und der zu jedem Zweck sie spricht! du Prüfstein Der Herzen! denke dir, der Mensch, dein Sklave, Empört sich; hetze sie durch deine Macht All aneinander. Du bist's, der Schiffe rüstet und den Schaum Des Meers durchpflügt, der Ehrfurcht und Bewundrung Dem Sklaven schafft. Anbetung |