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mit des zehnten Jahres Sonne in die theure Heimath zurückkehrt, begrüsst dieselbe mit freudiger Anrede, Orestes bei Sophokles redet heimgekehrt das Land seiner Ahnen an. Tiefer noch empfunden, weil aus schmerzlichen Empfindungen entsprungen, ist Richards II. Gruss an das heimathliche Land bei Shakspere. Von inniger Freude hervorgerufen ist die anmuthige Anrede Catull's an sein Sirmio, wohin er zurückkehrt. Diese Anrede dient auch zum Ausdruck starker Sehnsucht derjenigen, welche von der Heimath fern sind; die Schiffsmannschaft des Ajas, der Chor der Sophokleischen Tragödie, muss unter grossen Leiden auf den feuchten Wiesengründen am Ida ausharren; sehnsuchtsvoll klingt seine Anrede an die Heimathsinsel Salamis; eine tiefpoetische Strophe ist in Wieland's Oberon die Anrede Scherasmin's an den kleinen fernen Ort, wo er das erste Licht gesogen, während er mit Hüon dem Lauf des hohen Euphrat nachzieht durch das schönste Land der Welt. Diese Anrede gehört ferner der bewegten Empfindung des Abschiedes an, sei es, dass das Leben überhaupt oder nur die Heimath verlassen wird. Herrlich ist des sterbenden Ajas Anrede an die ferne Heimath, der sterbende Béranger ruft seinem Frankreich in einem schönen Gedichte Lebewohl zu, die Jungfrau von Orleans sagt den Bergen und Triften der Heimath, den traulich stillen Thälern, den Wiesen, Bäumen, Grotten und Brunnen für immer Abschied und statt vieler anderer Gedichte will ich nur an Rückert's Abschied" (Gedichte p. 236) oder an Geibel's ,, Abschied von Lindau" erinnern.1) Die Anrede an Abstracta, wie Hoffnung, Genesung und unzählige andere Vorstellungen ist bei den Dichtern alter und neuer Zeit zahllos häufig; und wie weit dieses Gebiet sich erstreckt, mag die so häufig vorkommende Anrede an die eigne Seele, das Herz, Gemüth beweisen. 2)

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1) Aesch. Ag. 481- 96 Herm., Soph. El. 67-72, Shaksp. Rich. II. 3, 3. Catull. 31. Soph. Aj. 597–600. Wielands Oberon 4, Beranger bei Geibel und Leuthold, fünf Bücher, franz. Lyrik p. 161. Schiller's Jungfrau von Orleans Prol. Sc. 4.

22.

2) Pind. Pyth. 3, 61 μή, φίλα ψυχά, βίον ἀθάνατον σπεῦδε. 01. 1, 4 εἰ δ ̓ ἄεθλα γαρύεν ἔλδεαι, φίλον ἦτορ. Ο1. 2, 89 ἔπεχε νῦν σκοπῷ τόξον, ἄγε θυμέ. Scol. fr. 2, 1 χρῆν μὲν κατὰ καιρὸν

Durch diese Anrede gewinnen auch Gegenstände mechanischer Beschaffenheit eine höchst innige persönliche Beziehung; man denke an die tiefpoetische Weise, mit welcher Faust bei Göthe die „, krystallene Schale" anredet und ihre Geschichte erzählt, oder wie Othello, durch innere Qualen um allen Frieden gebracht, dem schmetternden Erze, der muthschwellenden Trommel, dem munteren Pfeifenklange, dem

ἐρώτων δρέπεσθαι, θυμέ, σὺν ἡλικία. Pind. fr. inc. 133 (Dissen) εἴη καὶ ἐρᾶν καὶ ἔρωτι χαρίζεσθαι κατά καιρόν· μὴ πρεσβυτέραν ἀριθμοῦ δίωκε, θυμέ, πρᾶξιν. Sehr bedeutend ist die Stelle des Archilochus fr. 60 (Bergk): θυμέ, θύμ' ἀμηχάνοισι κήδεσιν κυκώμενε, ἀναδέκευ, μένων δ' ἀλέξει προσβαλὼν ἐναντίον στέρνον, ἐν δόκοισιν ἐχθρῶν πλησίον κατασταθεὶς ἀσφαλέως· καὶ μήτε νικῶν ἀμφάδην ἀγάλλεο, μηδὲ νικηθεὶς ἐν οἴκῳ καταπεσὼν ὀδύρεο. ἀλλὰ χαρτοῖσιν τε χαῖρε καὶ κακοῖσιν ἀσχάλα μὴ λίην· γίνωσκε δ ̓ οἷος ῥυσμὸς ἀνθρώπους ἔχει. Theogn. 695 οὐ δύναμαί σοι, θυμέ, παρασχεῖν ἄρμενα πάντα. τέτλαθι· τῶν δὲ καλῶν οὔτι σὺ μοῦνος ἐρᾷς. Theogn. 1029 τόλμα θυμὲ κακοῖσιν ὅμως ἄτλητα πεπονθώς· δειλῶν τοι κραδίη γίνεται ὀξυτέρη, μηδὲ σύ γ' ἀπρήκτοισιν ἐπ' ἔργμασιν ἄλγος ἀέξων ἔχθεο, μηδ' ἄχθου, μηδὲ φίλους ἀνία, μηδ' ἐχθροὺς εὔφραινε. Ibycus fr. 3 (Bergk) αλεί μ', ὦ φίλε θυμέ, τανύπτερος ὡς ὅκα πορφυρίς. Anacreontea 62, 24 άγε θυμέ, πῆ μέμηνας μανίην μανεὶς ἀρίστην; Soph. Trach. 1259 ἄγε νυν, πρὶν τήνδ' ἀνακινῆσαι νόσον, ὦ ψυχὴ σκληρά, χάλυβος λιθοκόλλητον στόμιον παρέχουσ', ἀνάπαυε βοήν. Eur. Iph. Τ. 334 ὦ καρδία τάλαινα, πρὶν μὲν εἰς ξένους γαληνὸς ἦσθα καὶ φιλοκτίρμων αεί, εἰς θοὐμόφυλον ἀναμετρουμένη δάκρυ. Ibid. 819 ψυχά, τί φῶ, 854 ὦ μελέα ψυχά, Med. 1242 ὁπλίζου, καρδία, Arist. Ach. 425 ὦ θύμ', ὁρᾷς γὰρ ὡς ἀπωθοῦμαι δόμων πολλῶν δεόμενος σκευαρίων. Ibid. 456 ὦ θύμ', ἄνευ σκάν δικος ἐμπορευτέα, 459 πρόβαινε νῦν, ὦ θυμέ, 461 ἄγε νῦν, ὦ τάλαινα καρδία, ἀπελθ ̓ ἐκεῖσε, κατα τὴν κεφαλὴν ἐκεῖ παράσχες, εἰποῦσ ̓ ἅττ ̓ ἂν αὐτῇ σοι δοκῇ. Ar. eq. 1194 ὦ θυμέ, νυνὶ βωμολόχον ἔξευρέ τι. Die Aristophanischen Stellen parodiren den Euripides, insbesondere Med. 1057 μὴ δῆτα, θυμέ, μὴ σύ γ' ἐργάσῃ τάδε. Neophr. Med. 2, 1 εἶεν· τί δράσεις, θυμέ; βούλευσαι καλῶς πρὶν ἢ ἐξαμαρτεῖν καὶ τὰ προσφιλέστατα ἔχθιστα θέσθαι. Shaksp. Haml. 3, 2 (Del. p. 94) o heart, lose not thy nature; my tongue and soul in this be hypocrites: how in my words soever she be shent, to give them seals never, my soul, consent. Göthe, Iph. p. 63: 0 bleibe ruhig, meine Seele! beginnst du nun zu schwanken und zu zweifeln? Tasso p. 213: So halte fest, mein Herz, so war es recht. Möricke, Gedichte p. 137: Und ich sprach zu meinem Herzen: Lass uns fest zusammenhalten! Denn wir kennen uns einander, wie ihr Nest die Schwalbe kennet, wie die Cither kennt den Sänger, wie sich Schwert und Schild erkennen, Schild und Schwert einander lieben,

Mordgeschoss, dess rauher Schlund des ew'gen Jovis Donner wiederhallt,,,Fahr wohl zuruft. Neben der Anrede dient der poetischen Personification die andere Form, dass die Gegenstände als redende eingeführt werden und als eigne Personen sprechen. Diese Form ist häufig bei den Dichtern der griechischen Anthologie; im mythischen Sinne ist es gedacht, wenn bei Onestes Theben über seine Zerstörung klagt, oder bei Munatius Mycenä; aber auch Bäume und Pflanzen sprechen, die Gegend, die Monate, der Brief, das Buch, der Thurm und viele andere Gegenstände; namentlich ist diese Form in der Räthseldichtung der Alten sehr gebräuchlich; ein in epischer Breite ausgeführtes Beispiel ist, dass Edelstein und Perle bei Rückert ihre Geschichte erzählen, während von Tieck im Zerbino Tisch, Stuhl u. s. w. als dramatische Personen behandelt werden. 1)

Der Unterschied, welcher in der Personification der neuern Dichtung im Verhältniss zur antiken hervortritt, liegt in dem Wesen der Plasticität und des malerischen Individualismus. Nirgends tritt dieser Unterschied so stark hervor als bei Shakspere. Er ist mit Recht der malerische Individualist in der Poesie genannt worden; 2) er ist es auch in der Personification. Die neuere Zeit mit der grösseren Mannigfaltigkeit und Vertieftheit ihrer Lebensverhältnisse tritt auch in Shakspere's Personificationen hervor; wie seine Dramen polymythisch sind im Gegensatz zu der Monomythie in den antiken Dramen, so haben viele seiner Personificationen eine Fülle, eine individuelle Vertiefung und weite Ausführung, wie sie die Alten in ihrer einfachen Plasticität nicht kannten. Man vergleiche die Personification des Schlafes in Shakspere's Heinrich IV (II 3, 1) mit dem Schlummerliede des Chors im

1) Onestes 6. 7 (Jac. Anth. 3 p. 4). Anton. Arg. (Jac. Anth. 2 p. 223), Munatius (ib. p. 224). Johann. Barb. 8. 9. 10 (Jac. Anth. 3. p. 234). Julian. Aeg. 37 (Jac. Anth. 3 p. 203), Zelotus 1 (Jac. A. 3 p. 108), Problem. arith. 14 (Jac. A. 3 p. 184), Menses Rom. (Jac. A. 3 p. 219); Ovid. Tr. 3, 1, 1-2. 5, 4, 1-4. Agathias 34, 1. Epigr. inc. 373. 12 (Jac. Anth. p. 196). Aenigmata (Jac. p. 286 fg.).

2) Von Fr. Vischer, Aesthetik 3 p. 1235. Wir verweisen auch auf den Abschnitt des grossartigen Werkes über die Personification 3 p. 1220.

Sophokleischen Philoktet (827-832), oder die Anrede des Herolds in des Aeschylus Agamemnon mit der Begrüssung des Vaterlandes durch den heimkehrenden König Richard II, und man wird den Unterschied des plastischen und individualisirenden Stils auch in der Personification erkennen. Derselbe lässt sich bis in die grössten Einzelnheiten verfolgen. Es ist plastische Personification, wenn Aeschylus die Höhen die Nachbarn der Sterne nennt, individueller empfunden, wenn Shakspere von Hügeln spricht, die den Himmel küssen; es ist plastisch, wenn Aeschylus sagt, dass Feuer und Meer, sonst Feinde, sich verschwuren und sich Treue bewiesen, indem sie das unglückliche Heer der Argiver vernichteten; es ist individuell, wenn Shakspere Meer und Wind alte Zänker (Raufbolde) nennt, die augenblicklich einen Waffenstillstand machen. 1) Wenn derselbe Dichter den Wind einen Buhler, die Luft einen ungebundenen Wüstling, das Gelächter einen Gecken, den Eigennutz einen Herrn mit glattem Angesicht nennt, wenn er von der Zeit sagt, sie trägt einen Ranzen auf dem Rücken, worein sie Brocken wirft für das Vergessen; wenn er die Zeit mit modern individueller Anschauung den alten Glöckner, den kahlen Küster nennt, so sind das Personificationen, welche sich bei den Alten nicht finden und nicht finden können.

1) Aesch. Prom. 746, άorqoyɛítovas zoovyás, Shaksp. Hamlet 3, 4 (Del. p. 101), heaven-kissing hill. Vgl. Lucrece 196 (Del. p. 94), wo von einem Gemälde die Rede ist, auf welchem dargestellt wird the power of Greece, for Helen's rape the city to destroy, threatening cloud - kissing Ilion with annoy; which the conceited painter drew so proud, as heaven, it seem'd, to kiss the turrets bow'd. Aesch. Ag. 632, §vváμooav yáo, ὄντες ἔχθιστοι τὸ πρὶν, πῦρ καὶ θάλασσα, καὶ τὰ πίστ ̓ ἐδειξάτην, φθείροντε τον δύστηνον Αργείων στρατόν, Shaksp. Troil. 2, 2 (Del p. 45), the seas and winds (old wranglers) took a truce.

1. Κάρα, κάρηνον, κεφαλή, caput, head.

1. Nach der schönen mythologischen Darstellung Ovids birgt der Sonnengott sein Haupt im Ocean, erhebt die Nacht ihr Sternenhaupt, vergl. Met. 15, 30. 31: Candidus oceano nitidum caput abdiderat Sol et caput extulerat densissima sidereum Nox. Ohne Mythologie mit Anlehnung an die Alten, aber in freier Personification spricht Shakspere vom Haupte der Sonne in Sonn. 7: lo, in the orient when the gracious light lifts up his burning head, each under eye doth homage to his new - appearing sight. Vergl. Rom. 5, 3 (Del. p. 124): A glooming peace this morning with it brings, the sun for sorrow will not show his head. Ein Haupt wird von den Dichtern den Bergen zugeschrieben z. B. dem Atlas in einer ausgeführten Personification von Virgil. Aen. 4, 247: Atlantis, cinctum assidue cui nubibus atris piniferum caput et vento pulsatur et imbri, vgl. Avien. perieg. 484 surgit caput Apenninus. Hes. theog. 118. 794 κάρη νιφόεντος Ὀλύμπου; Hom. Π. 20, 5 κρατὸς ἀπ' Ουλύμποιο πολυTуzov, doch ging die personificirende Kraft dieser Wörter, wie auch in κάρηνον (Ουλύμποιο κάρηνα, Μυκάλης αἰπεινὰ κάρηνα Π. 2, 869, Κωρίκου ἄκρα κάρηνα, Hymn. in Ap. 1, 39) frühzeitig verloren und in die Bedeutung von „Gipfel" über; beiläufig erwähnen wir Composita: Probl. arithm. 15, 7 (Jac. Anth. 3 p. 185) Ahios vinagývov, Pind. Parthen. 9, 4 (Dissen) τρικάρανον Πτώου κευθμώνα, Ovid. Met 2, 221 Parnassusque biceps. Vgl. Hölderlin 1 p. 109: wo sein einsames Haupt in Wolken der heilige Berg hüllt; p. 99: Fröhlich baden im Strom den Fuss die glühenden Berge, Kränze von Zweigen und Moos kühlen ihr sonniges Haupt; p. 99: Fernhin schlich das hag're Gebirg, wie ein wandelnd Gerippe,

Hense, Poet. Pers.

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