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Wie haben da die Gerber so meisterhaft gegerbt!
Wie haben da die Färber so purpurroth gefärbt!

Weil übrigens in dem Gedichte der Greiner als Vertreter des Ritterthums den Mittelpunkt bildet, so sind übereinstimmend damit auch einzelne Ritterpersönlichkeiten ausfürlicher geschildert, während bei den Städtern höchstens einzelne wenige Stände, wie die Gerber und Färber, besonders erwähnt und als Kämpfer näher bezeichnet werden. Bei den Städtern war mehr das Wohl und Wehe des ganzen Standes massgebend, während bei den Rittern und vornehmen Herren das Interesse der einzelnen Person vorwiegend mit in die Wagschale fiel und für ihr Handeln den Ausschlag gab. Unter den Personen, neben dem Grafen von Würtemberg, ist ausser seinem Sohne Ulrich, mit besonderer Ausführlichkeit des Wolf von Wunnenstein gedacht. Dieser ist der gefährlichste, weil kühnste, verwegenste und unversöhnlichste Gegner des Herzogs. „Der Wolf der lechzt nach Blut" (I, 40) sagt der Greiner von ihm, und dass er grade ihn in Heimsen nicht mit in seine Gewalt bekommt, bedauert er laut (II, 48):

„Nur Einen miss' ich, Freunde, den Wunnenstein, 's ist Schad!“

Als Eberhard später gegen die gemeinsamen Feinde des Ritterthums zieht, da vergisst im Gefühle des allgemeinen, man könnte sagen höheren Hasses gegen den Standesfeind der Wolf von Wunnenstein seine dagegen untergeordnete Feindschaft gegen den Herzog von Würtemberg und bietet ihm seine Dienste an (IV, 13-14), die natürlich ganz im Geiste des mittelalterlichen Ritterthums vom Rauschebart sogar höhnend zurückgewiesen werden (IV, 15-16), wie später nach der gewonnenen Schlacht der Wunnensteiner von dem Danke des Grafen Nichts wissen will:

,,Ich stritt aus Hass der Städte und nicht um Euren Dank!
Gut Nacht und Glück zur Reise! es steht im alten Recht."
(IV, 58 59.)

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Und dass der ritterliche Trotz die alte persönliche Feindschaft nicht erlöschen lässt, bezeugt die „,böse Kunde" des

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nächt ist in unsern Trieb

Der gleissend Wolf gefallen, er nahm so viel ihm lieb."

(IV, 69 - 07.)

Die Namen mancher andern Herren mit charakteristischen Merkmalen sind im dritten Gesange nach der unglücklichen Schlacht bei Reutlingen erwähnt.

Wenn unter der poetischen Auffassung Uhland's der volksthümliche Held aus den engern Grenzen seines beschränkten Stammlandes Antheil erregend und Liebe gewinnend hinaus in das allgemeine grosse deutsche Vaterland, gleich manchem berühmten Nationalhelden frühester Vergangenheit, versetzt wird, so dürfen wir es dabei nicht zum Geringsten anschlagen, dass auch die formelle dichterische Behandlung des Stoffes ihren wohlberechtigten Antheil daran hat. So gehört als erste Hauptsache nach dieser Seite hin zu dem Vortrefflichen des ganzen Gedichtes die durchaus echt epische Haltung. Diesem epischen Charakter der Rhapsodie ist es angemessen, dass die Persönlichkeit des Dichters hinter das darzustellende Object vollständig zurücktritt: nur die Sache in ihrer natürlichen Einfachheit, Grösse und Erhabenheit wird dargestellt. Ohne von dem Dichter hinzugefügten unnöthigen Schmuck und ohne Aussprache seiner Meinungen und Empfindungen „schliesst sich das ganze Gedicht treu an die historischen Thatsachen an;" keine ist von dem Dichter erfunden, aber er weiss sie mit solcher Kunst zusammenzustellen, zu motiviren und zu entfalten, er weiss überall das poetische Leben derselben so sicher hervortreten zu lassen, dass wir demungeachtet keine blosse Erzählung, sondern in der That ein poetisches Kunstwerk vor uns haben. Wie in den Meisterwerken der epischen Kunst lebt auch hier die vollendetste Objectivität. Der Dichter ist zum treuen Spiegel der Geschichte geworden, seine eigene Persönlichkeit tritt ganz zurück; nur da, wo die dargestellten Empfindungen auch die seinigen sind, brechen sie in kunstloser Naivetät hervor; z. B. wenn er seine eigene Freudigkeit am Kampfe nicht bemeistern kann, wie III, 33-36. Aber auch dann ist es nicht störend, der Dichter erscheint vielmehr als begeisterter

Zuschauer, ja beinahe als Theilnehmer der dargestellten Begebenheit, so dass im Gegentheil die Anschauung nur noch lebendiger wird."*) Auch III, 63 wirkt die aus bewegter Brust durchbrechende Subjectivität des Dichters nicht störend. Die Erzählung ist nach Epen - Weise ruhig fortschreitend ohne Sprünge und „kühne Würfe," wie sie dem Volksliede eigen sind; es werden im Gegentheil mit einer gewissen Breite Nebenbegebenheiten aufgenommen, die den stetigen Gang der Hauptbegebenheit nur aufhalten, aber in ihrer gemüthlichen und ansprechenden Weise, mit der sie aufgenommen sind, eine glückliche, wohlthuende Wirkung auf den Leser oder Zuhörer äussern. Hierher ist zu rechnen die ganze letzte Strophe im zweiten Gesange, im dritten Gesange die Verflechtung einzelner Stammsagen von den Rittern in die Erzählung (Str. 11, 17, 18); die ausführliche Erwähnung des alten Thores am Reutlinger Zwinger (v. 25 und 26) etc.

Zu dem ruhigen Fortschritt in der Darstellung gehört auch die Vorbereitung der Aufmerksamkeit auf eine folgende Begebenheit. So ruft im zweiten Gesange (v. 27 etc.) der Greiner

aus:

,,Nur sachte! Euch wird das Bad geheizt,

Aufdampfen soll's und qualmen, dass Euch's die Augen beizt!" und in umständlicher Erzählung folgt, was der Graf damit

meint.

Zum epischen Charakter des Gedichtes gehört füglich mit die Kürze der Darstellung und des Ausdrucks; sie bildet gradezu den Gegensatz zu der auf dem Stoffe basirenden epischen Breite und besteht in dem einfach gewählten und genau bezeichnenden Worte und in häufigen Ellipsen: „In heisser Mittagsstunde bergunter und bergauf!" (I, 53.) „Drei Könige von Heimsen, wer hätt' es je gedacht! Mit Rittern und mit Rossen in Herrlichkeit und Pracht!" (II, 1 und 2.) „Verhaltne Männerstimmen, verworrner Gang und Drang, Hufschlag und Rossesschnauben und dumpfer Waffenklang!" (II, 19 und 20.) „Die Heerden weggetrieben," (III, 8) etc. — Einmal gebrauchte

*) Kurz: Handbuch der poetischen Nationalliteratur der Deutschen III. Abth. 389.

Bezeichnungen und Schilderungen werden im Wiederholungsfalle auch wörtlich wieder gebraucht; so heisst es I, 35 und 36:

Der Hauptmann führt drei Beile, sein Rüstzeug glänzt und

gleisst,

Dass mir's, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beisst." und IV, 41 und 42:

Was gleisst und glänzt da droben und zuckt wie Wetterschein?

Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein.

Zu den Schönheiten des Gedichtes sind dann die gebrauchten, alterthümlichen und ungewöhnlichen Wortformen zu rechnen, die auch dem Aeussern des Gedichtes ein ehrwürdiges, alterthümliches Gepräge aufdrücken, wie „,Strauss," "da kömmt einsmals gesprungen“ (I, 15), „Fährden,“ „die Augen unter sich" (II, 42), „zween Ritter," „,nächt" etc.; von besonderer schöner, kräftiger Wirkung ist das kurze, alterthümliche ,,han" in: „Die Städter han vernommen das seltsam list'ge Wort." Endlich finden wir in einzelnen Schilderungen gradezu Anklang an unser altes Volksepos, so Gesang II, 15 und 16:

Da schallt mit scharfem Stosse das Wächterhorn vom Thurm; Wohlauf, wohlauf, ihr Schläfer, das Horn verkündet Sturm! welche Stelle lebhaft an Gudrun XXVI Str. 1360 erinnert ; oder die den Heldengreis so kühn zeichnende Stelle im Gesang IV,

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35

-

36:

Schlagt drein! die Feinde fliehen!"

Er ruft's mit Donnerlaut;

Wie rauscht sein Bart im Winde! hei! wie der Eber haut! die gleichfalls an Stellen in der Gudrun erinnert und zwar an den alten „Wate," dessen Bart auch einmal so im Winde rauscht und der auch einmal in Kampfes wuth wie ein Eber wüthet (limmet) Gudrun XVIII, Str. 882. Ganz im Geiste der alten Sage ist die herrliche Schlachtbeschreibung im III. Gesange (2840) gehalten. So lassen sich noch manche Züge auffinden, die alle bestätigen, was Kurz (a. a. O. S. 389) sagt: „Es weht in diesem Gedichte der ungetrübteste Hauch der alten Heldendichtung, wie wir sie im Nibelungenliede oder im Homer bewundern."

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Treffen wir so charakteristische Merkmale der grossen

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volksthümlichen Epopöe in unserm Gedichte an, so dürfen wir auch nicht die durchaus volksthümliche Haltung des Einzelnen übersehen. Diese zeigt sich einmal in sprichwörtlichen und volksthümlichen Redensarten, wie „dann Lehndienst, gute Nacht" (II, 11), „Nur sachte! Euch wird das Bad geheizt" (II, 27), „Ich weiss, Ihr Uebermüth'gen, wovon der Kamm Euch schwoll" (IV, 29); „Der Fink hat wieder Samen" (IV, 80) etc. Mit weiser Sparsamkeit und echt künstlerischem Sinne ist ein zu häufiger Gebrauch dieser Ausdrucksformen vermieden. Dasselbe ist der Fall mit den weiter hierher gehörenden durch Reim verbundenen Wörter," wie „Gang und Drang" (II, 19). Oefterer noch kommen durch Alliteration verbundene Wörter wie „Nacht und Nebel" (II, 17), die Ritter stehn und starren" (III, 24), „Was gleisst und glänzt da droben?" (IV, 41) etc. und die Alliteration überhaupt vor, was zum volksmässigen Charakter des Ganzen wesentlich beiträgt; z. B. „wann lau die Lüfte wehn" (I, 1), „Graf Eberhard der Greiner" (I, 4), „der sich die Wunde wusch" (I, 21), „ein Röslein roth" (I, 28), „die Schlegler, die schlagen" (I, 29), ,,Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart" (IV, 71), ,,Sie reiten rüstig fürder" (IV, 73), „Da hebt er hoch die Hände" (IV, 78). Ueberhaupt, bemerkt Kurz (in seinem Commentar zum Handbuch der poet. Nationall. der Deut.) „schliesst sich die oft wiederkehrende Alliteration durchaus naturgemäss an die dargestellten Situationen oder Empfindungen an, so dass sie als Nothwendigkeit, nicht als eine absichtlich zur Hebung des poetischen Colorits gewählte Form erscheint." Die Klangfarbe der einzelnen Laute in ihrer besondern Verbindung wirkt an vielen Stellen onomatopoetisch, so in III, 55 und 56:

,,So geht es nach dem Thore, die alte Stadt entlang,
Dumpf tönet von den Thürmen der Todtenglocken Klang."

Volksthümliche Ausdrucksweise ist auch die Wiederholung eines Subjects oder Objects, das durch ein Personalpronomen gegeben wird, durch ein Substantiv, oder wenn es durch ein Substantiv gegeben ist, durch ein Pronomen, wodurch insgemein nachdrucksvolle Hervorhebung des Satzgliedes bewirkt wird, so: „Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast"

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