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B. Besonderer Theil.

(Fortsetzung.)

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Abschnitt II.

Die Sprachkunst im Dienste der Rede.

I. Wiefern die Werke der Sprachkunst im Dienste der Rede als der Kunst angehörig schon bisher betrachtet wurden. Unterschied dieser Sprachkunst - Werke von den entsprechenden Bildungen innerhalb der Sprache, d. h. von den Tropen und den grammatischen Figuren. - Eintheilung der Sprachkunst-Werke und Kritik der früher aufgestellten Eintheilungen.*)

Wir wenden uns zu demjenigen Theile der Sprachkunst, welcher schon bisher, wenn auch nur in beschränktem Sinne, als der Kunst angehörig aufgefasst worden ist. Wir nennen ihn zum Unterschiede von der vorangegangenen Betrachtung, welche die Sprache selbst dem Gebiete der Kunst zuordnete, die Sprachkunst.

Auch in der Sprache als solcher konnte ein Kunstschaffen in Bezug auf die Tropen und die überaus kunstvolle Formenentwickelung nicht unbemerkt bleiben; aber man bedachte nicht, dass

* Aus Gründen der Zweckmässigkeit haben wir diesen oben [Bd. I. p. 100] als dritten Abschnitt bezeichneten Theil unserer Schrift zum zweiten gemacht und nennen ihn,,Sprachkunst im Dienste der Rede" (statt „der Sprache“).

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eben das ganze Material der Sprache Tropus ist, seine Formen überall nach einer wundersam angelegten Technik gestaltet werden, und dass gerade dieses beständige Schaffen und Nachbilden des Geschaffenen die Sprache selbst ausmacht. Dazu kam, dass man die Uebung einer Kunst sich nothwendig verbunden dachte mit dem Wissen um die Kunst, und so gelangte man nicht dazu, die Sprache an sich als Kunst zu fassen. Anders nun bei der Sprachkunst, bei welcher jedes Schaffen sich als ein Individuelles von dem Grunde eines usus, wie ihn die Literatur, die Sprache der Gebildeten, feststellt, mit Auszeichnung deutlich abhebt, bei welcher die Kunstthätigkeit nicht ohne ein reflektirendes Bewusstsein, nicht ohne die Helligkeit einer Absicht geübt wird, welche deshalb ihr Wesen als Kunst leicht zu erkennen gab. Wie man sieht, verhält sich die Sprache als Kunst" etwa so zur Sprachkunst", wie im Gebiete der Poesie die sogenannte Volksdichtung zur Kunstdichtung.

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Cicero (Brut. 79, 275) sagte über „verborum et sententiarum illa lumina, quae vocant Graeci oxuara", dass durch sie die ganze Rede Glanz erhalte, gleichwie durch Prachtstücke eine architektonische Ausschmückung: tanquam insignibus in ornatu distinguebatur omnis oratio, cf. or. 39, 134, 135; de or. III, 25, 96. Freilich betrachtet er sie lediglich als Mittel und denkt nicht eben hoch von den „auctores et inventores harum sane minutarum rerum" (de or. III, 37). Quintilian (IX, 1, 4. 14) definirt die rhetorische Figur als „arte aliqua novata forma dicendi “; Alexander (Rhet. Gr. Sp. Vol. III, p. 11) als gánhagıç hóyou ἐπὶ τὸ κρεῖττον; deutlicher Tiberius (l. c. p. 59): ἔστι σχῆμα τὸ μὴ κατὰ φύσιν τὸν νοῦν ἐκφέρειν μηδὲ ἐπ' ευθείας, ἀλλ' ἐκτρέπειν καὶ ἐξαλλάσσειν τὴν διάνοιαν κόσμου τινὸς τῇ πλάσει ἢ χρείας ἕνεκα; ebenso Caecilius Calactinus: σχῆμά ἐστι τροπὴ εἰς τὸ μὴ κατὰ φύσιν τὸ τῆς διανοίας καὶ λέξεως; und nach der erfreuenden Wirkung eines Werkes der Kunst Athenaeus Naukratites und Apollonius Molon: σχῆμά ἐστι μεταβολὴ εἰς ἡδονὴν ἐξάγουσα τὴν ἀκοήν (l. c. p. 44); Phoebammon (1. c. p 43) vergleicht die Sprachkunst mit der Kunst der Pantomime Tanzenden oder der Bildhauer und fügt hinzu: ὅτι οὐ φύσει ἐστὶν οὕτως, ἀλλὰ τέχνῃ προσγίνεται. Freilich decken sich die Begriffe unserer Kunst und der réxvn nicht

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durchaus (vid. Steinthal, Gesch. der Sprachw. p. 525 sq.), aber es ist doch eine bewusst kunstmässige Behandlung eines Stoffes zu verstehen, und es ist im Uebrigen für den Theil der Sprachkunst, welcher sich in den Dienst der Rede stellt, ganz richtig, wenn die Alten seinen Nutzen als ein Wesentliches hervorheben. Sie finden ihn darin, dass durch die hierher gehörigen Figurationen der Ausdruck an Nachdruck gewinne (ἐπίτασιν γὰρ δύκαται τῶν πραγμάτων ἐμφαίνειν -- παρέχει ἔμφασιν ἤθους χρηστοῦ, (Alex. περὶ σχημι. 1. c. p. 13 sq.), an Lebhaftigkeit und Anmath (ποικιλίαν τινὰ τῷ λόγῳ παρέχει (1. c.); τὸ δὲ ἐξαλλάττου καὶ ξενίζου ἡδύτερόν ἐστι τοῦ μονοσχήμου καὶ ὡςαύτως ἔχοντος Phoeb. 1. c. p. 43), so dass er die Ueberredung erleichtere (ὅτι πιθανώτεροι διὰ τῶν σχημάτων φαίνονται οἱ λόγοι Phoeb. 1. c.). -Man sah auch, wie in diesen Gestaltungen der Kunst sich eben ein Individuelles geltend mache, ein die Momente besonderer und affektvoller Seelenerreguug abspiegelndes Umschaffen der zum blossen Material gewordenen Sprachelemente, durch dessen Kraft und Schönheit sich von den Ungebildeten die Sprachgewaltigen und diese unter sich nach dem Maasse ihrer Begabung unterschieden. Alexander (1. c. p. 11 sq.) widerlegt Diejenigen, welche meinten, dass die Sprachkunst sich in Nichts von der gewöhnlichen Rede unterscheide, u. A. dadurch, dass er auf die besonderen Seelenbewegungen hinweist, welche sie ausdrücke: κα κεῖνο λέγοι τις ἄν, ὅτι καὶ ἡ ψυχὴ κατ' ανάγκην μὲν διηνεκῶς ἐσχημάτισται, ἔστι δ' ὅμως καὶ ψυχῆς κατὰ φύσιν τινὰ κινήματα καὶ παρὰ φύσιν ἐπί τε τῆς καθεστώσης καὶ φρονούσης καὶ ἐπὶ τῆς ἐν πάθεσιν οὔσης, ἀφ ̓ ἧς οἱ παθητικοί λόγοι, so dass ein Unterschied der Individuen sich ergäbe: εἰ μὴ ἦν διανόημα τὸ μὲν κατὰ φύσιν, τὸ δὲ ἐσχηματισμένον, οὔτ ̓ ἂν τῶν ἰδιωτῶν οἱ ῥήτορες διέφερον οὔτ ̓ ἀλλήλων, ταὐτὰ οἱ μὲν ἁπλούστερον καὶ ἄνευ κόσμου τινὸς μετὰ λόγου λέγοντες, οἱ δὲ ἐναργέστερον καὶ οὐ μετὰ ἀκοσμίας cet. So führt Aquila Romanus aus (de figg. sent. et eloc. in den Rhet. Lat. min. ed. Halm p. 22): quo maxime orator ab oratore differat, unum hoc aut certe esse praecipuum, figuras sententiarum atque elocutionum. Schien nun die Verwendung der Figuren vor Allem eine Sache der Redner zu sein, so bemerkte man einen besonders häufigen Gebrauch der Tropen bei den Dichtern, wie Tryphon (περὶ τρόπων Rhet. Gr. III,

p. 191) nach Aufzählung der Tropen, unter die er freilich auch Figuren grammatischer und rhetorischer Art mischt, hinzufügt: τούτους δὲ ποιητικούς καλοῦσιν, ἐπεὶ κατά γε τὸ πλεῖστον ἡ τούτων χρῆσις παρὰ ποιηταῖς (Vide auch Anon. περὶ ποιητικών тоолш 1. c. p. 207; Georg. Choerob. 1. c. p. 244.) Natürlich wird leicht von einem Jeden, wenn etwa ein Willensakt, ein Affekt sich kraftvoll ankündigen soll, oder die Phantasie sich lebendiger regt, eine der Sprachkunst angehörende Figur oder Trope gebildet, aber es wird dann solche Gestaltung eines Seelenmoments eben als ein Neues empfunden und hebt sich von den gewöhnlichen Formen des Sprachgebrauchs ab durch den Reiz individuellen Schaffens, welcher ihr dauernd zu eigen ist. Auf dieser Neuheit beruht dann auch der Unterschied dieser Figuren und Tropen der Sprachkunst von den Figuren und Tropen der Sprache selbst (den sogenannten grammatischen Figuren), welche ursprünglich ebenso mit rhetorischem oder poetischem Charakter hervortraten, allmählich aber dem usus verfielen. Indem wir dazu kommen, diesen Punkt genauer zu erörtern, erinnern wir zuvor, dass nur diejenigen Schöpfungen der Sprachkunst hier in Betracht kommen, welche im Dienste der Rede verwandt werden. Eine Abgränzung ist unnöthig in Bezug auf jene, welche wir später als selbstständige Werke zu besprechen haben. Es wurden allerdings von den Rhetoren dergleichen Bildungen, wie z. B. Wortspiel, Parabel, Allegorie häufig unter den Figuren der Rede mit aufgeführt, aber wenn diese auch in den Zusammenhang der Rede verflochten vorkommen können, so werden sie dann eben als Beiwerk, als Einschaltungen, Unterbrechungen empfunden.

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Es kann scheinen, als läge der Unterschied zwischen den Figuren und Tropen der Sprache und denen der Sprachkunst nur in der Art, wie man sie betrachtet; bei jenen fasse man die Sprache als in ihrer Bildung begriffen, bei diesen als eine fertige, und ein wesentlicher Unterschied bestehe also nicht, da Sprache nur unter dem Scheine der Gegenwart sich als eine fertige darstelle. Auch sind in der That die Mittel, durch welche die Werke der Sprachkunst hervorgebracht werden, keine anderen, als die, welche für die Figuren der Sprache zur Verwendung kommen: Wendungen der Bedeutung, Zusätze, Wegnahmen, Vertauschungen, welche entweder den Laut berühren oder den Sinn. Dennoch be

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