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Männer aus der philosophischen Claffe beschäftigen, die wes der ein theologisches, noch juristisches, noch medicinisches Schild aushängen, so ist es sehr begreiflich, wie der Brotftudent aus jenen Facultäten diese Gegenstände mehr unter die Waaren des gelehrten Luxus, als der Nothdurft rechnen könne. Theolog und Jurist wollen freilich auch gut schreiben lernen. Allein jener hat dabei nur seine Kanzel, dieser bergegen seine Praxis im Kopfe. Was versteht denn aber, denken Beide, der Lehrer der Philosophie und schönen Wissenschaften vom Predigt und Kanzelley-Styl? Der mag allenfalls ein wenig blumeln lehren, welches zwar zuweilen gang artig läßt, oft hingegen nicht einmahl angenehm, in jedem Falle aber zur Leibes-Nahrung und Nothdurft ents behrlich ist. Daher glaubt denn in Rücksicht auf Sprache und Schreibart der Theolog Alles gethan zu haben, wenn er sein Homileticum, der Jurist aber, wenn er sein Practicum hört, beides Collegia, die von Männern aus ihren Mitteln veranstaltet werden. Bloß von diesen erwartet man die rechte Schreibart, wie sie Theologen, oder Juristen geziemet. Es geht hierin gerade eben sv, als wenn irgend wo ein altes Christliches Gesangbuch verbessert werden soll. Wann denkt ein Consistorium daran, ein solches Geschäft einem wahren Dichter von Talenten und geprüftem Geschmacke, wenn der auch gleich ein weltlicher Dichter wåre, aufzutragen? Muß

der Besorger nicht fast immer ein geistlicher Herr Confrater feyn? Und ist er nicht gut genug dazu, wenn man nur irgend einmahl wahrgenommen hat, daß er wohl auch seinen Vers und Reim zu seßen wisse?

Was ist denn nun aber von dieser Denk- und Handlungsart die Folge? Nichts anders, als daß Alles im Gar zen genommen seinen alten barbarischen Schlendrian fort schlendert. Um hierin vor Widerspruche, wenigstens vernünftigem Widerspruche sicher zu seyn, will ich mich nur auf den so genannten Kanzelley-Styl berufen. Ich weiß es zwar eben so gut, und vielleicht noch ein wenig besser, als die ganze Zunft der Juristen, die weiter nichts, als Juristen find, daß der Kanzelley-Styl seine Eigenheiten habe, die, ob fie gleich den Regeln der Vernunft in mancher Hinsicht, den Regeln des guten Geschmackes aber durchaus zuwider find, ihm dennoch nicht füglich genommen werden können. Und wahrlich, wofern sich irgend ein unbesonnener Geschmacksaffe unterstehen wollte, ihm diese zu nehmen, oder ihn deßwegen zu hänseln, da würde ich, der Dichter, dem man das wohl nicht zutrauen follte, der als Dichter tausend Meilen weit von dem Kanzelley-Style fein Wesen treibt, dennoch sehr willig mit Schwert und Speer für den Kanzelley-Styl zu Felde ziehen. Aber bei dem Allen weiß ich auch sehr gut, was für Gråuel des Ausdrückes unter diesem Vorwande der

Unentbehrlichkeit beibehalten und in Schutz genommen wer den. Woher kommt nun das? Woher kommt es, daß, wenn in der Schreibart aller übrigen Gelehrten der gute Geschmack: fortrückt, derselbe allein in der juristischen Schreibart so ungeheuer weit zurückbleibt? Hauptsächlich davon, daß Juristen gemeiniglich bloß von ihres Gleichen das Schreiben lernen.

Nun ist es aber ein höchft feltener, ja vielleicht ganz: unmöglicher Fall, daß ein vollkommener Lehrer der Rechte: auch zugleich ein vollkommener philosophischer Lehrer des guten Geschmackes sey. Das Gebieth der Rechtskunde ift schon für sich allein von fo großem Umfange, und übersteigt die Kräfte eines einzelnen Menschen so weit, daß Mehrere. sich in seine Provinzen theilen müssen, wenn das Ganze vollkommen beherrscht werden soll. Wie könnte man also von dem Rechtslehrer mit einiger Billigkeit begehren, daß er auch noch in einem andern Felde bewandert sey, in einem Felde, welches vielleicht noch weitläuftiger, als das seinige ist, das außer mannigfaltigen Sprach- und Sachkenntnissen, außer großem Fleiße, auch noch besondere, nicht jedem Ers densohne verliehene Naturgaben erfodert? Nun ist aber einmahl der schlimme Umstand vorhanden, daß seit Jahrhun derten in dem Tempel der Themis die Barbarei des Ausdruckes in Riesengestalt unerschütterlich neben der heiligen Göttinn thronet, die an und für sich nichts weniger, als häßs

lich, nichts weniger, als den Gefeßen einer edeln keuschen · Schönheit abgeneigt ist. Die Juristen, welche öfters im Dienste des Tempels dort ein und ausgehen müssen, haben sich einmahl durch täglichen Umgang nnd Anblick an die gråßliche Gestalt des Ungeheuers gewöhnet. Sie fühlen nicht mehr bei seinem ungekämmten Zottelhaar, bei seinen borstigen Augenbraunen, die wie Fußsäcke herunterhangen, bei seinem Nafengebirge, bei den behaarten Warzen seines vierecki, gen Angesichtes, bei seinen ungewaschenen Hånden mit zolllangen Någeln, und dem zu dieser ganzen Unholdsfigur paf·senden Ornate, was andere Menschenkinder empfinden, welche in Gegenden bewandert sind, wo ihnen schönere Gestalten begegnen. Daher läßt es sich denn auch erklären, wie selbst in so manchen neuern nicht wenig gerühmten Anweisungen zum juristischen und übrigen Geschäfts Style, die aus juris stischen Federn geflossen sind, solche entbehrliche, Vernunft und Geschmack beleidigende Auswüchse nicht nur entschuldigt, sondern sogar in Schuh genommen, für nothwendig geachtet, oder als Zierlichkeiten empfohlen werden. Dieß bleibt nun größten Theils unbemerkt und ungerüst, weil die Juristen wenig bei andern gelehrten Leuten in die Schule gehen, andere Leute von Gelehrsamkeit und Geschmack aber fich um die juristischen Zierlichkeiten eben nicht zu bekům, mern pflegen.

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Welche Beispiele könnte ich hierüber nicht häufen! Eins muß ich jedoch anführen, um zu zeigen, daß meine Behauptungen etwas mehr, als leere ungegründete Decla mation find. Da schlage ich ein Buch auf, und stoße sogleich auf ein Präsentations-Schreiben eines Candidaten zu einem Pfarramt, welches also lautet:

P. P.

Nachdem das hiesige Pfarramt vor kurzem durch die erfolgte Translocation des zeitherigen Pfarrers M. N. nach N. erledigt worden, und mir daher als Besißern des Nitterguts N., welchem in Gemäßheit der gnädigst ertheilten Lehnbriefe das Patronatrecht über die hiesige Pfarrey zusteht, oblieget, ein taugliches Subject zu erwähntem erledigtem Pfarramt gehorsamst zu präsentiren. Als erfülle ich diese Pflicht, indem ich den Candidat N., welcher sich, daß er. ein Landskind sey, und 3 Jahre zu N. der Gottesgelahrtheit obgelegen, legitimiren wird, hierzu pflichtschuldigst pråfentire, und zugleich geziemend bitte, denselben gewöhnli chermaßen prüfen, und wenn selbiger tüchtig erfunden wor den, das weitere nöthige wegen Eröffnung der Canzel zur Probepredigt, sodann auch seiner Zeit wegen seiner Ordina tion und sonst allenthalben verfügen zu lassen.

Ich legitimire mich als Besiter des Ritterguts N. und also als Patron und Collator der hiesigen Kirche und Pfarre

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