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ALTENGLISCHE SPRACHPROBEN

NEBST EINEM WÖRTERBUCHE

UNTER MITWIRKUNG

VON

KARL GOLDBECK

HERAUSGEGEBEN

VON

EDUARD MÄTZNER.

ERSTER BAND: SPRACHPROBEN.
ERSTE ABTHEILUNG: POESIE.

BERLIN.

WEIDMANN'SCHE BUCHHANDLUNG.

1867.

VORWORT DES HERAUSGEBERS.

Bei der Veröffentlichung von Sprachproben, welche dem altenglischen

Sprachgebiete und seinen verschiedenen litterarischen Mundarten, von dem Verschwinden des Angelsächsischen als Buchsprache bis zum fünfzehnten Jahrhunderte, angehören, ist die Absicht maassgebend, die Entwickelung der englischen Sprache und Litteratur in Beispielen darzulegen, die Deutung dieser zum Theil vollständig mitgetheilten Denkmäler zu unternehmen, und den Standpunkt, welchen die Exegese und Kritik derselben gegenwärtig einnimmt, zur Anschauung zu bringen.

Die hier erscheinende erste Abtheilung umfasst die Poesie, die zweite Abtheilung wird prosaische Denkmäler enthalten. Ein altenglisches Wörterbuch wird einen besonderen Theil der Arbeit bilden.

Bei der grossen Regsamkeit, womit in England, meist von uneigennützigen Vereinen und Sprachforschern, die Ueberreste der alten Litteratur aus einem reichen handschriftlichen Vorrathe veröffentlicht werden, sind die Mittel zur Kenntnissnahme der altenglischen Litteratur in grösserem Maasse als früher gegeben. England beschämt durch die Anbahnung einer tieferen Einsicht auf diesem Gebiete die meisten Völker des Festlandes. Gleichwohl ist die Herbeischaffung des reichen Stoffes für auswärtige Forscher nicht ohne bedeutenden Aufwand möglich. Schon in dieser Beziehung mag eine Sammlung wie diese weiteren Kreisen, namentlich in Deutschland, nicht unwillkommen sein.

Unseren Texten sind ausführliche erklärende Anmerkungen beigefügt; sie sind nicht bloss für Diejenigen bestimmt, welche das Studium der veralteten Sprache beginnen. Die Feststellung der thatsächlichen Bedeutung der Worte, die Berichtigung mancher verbreiteter Irrthümer ist für den Erklärer noch unerlässlich. Die etymologische Seite, welche das Studium der verwandten germanischen Sprachen, insbesondere des Angelsächsischen und des Altnordischen, voraussetzt, ist dabei noch vielfach näher zu erwägen. Auch wird dem Erklärer die kritische Erwägung der Texte nicht erlassen. Die Ehrfurcht vor den Fehlern und Unvollkommenheiten der Handschriften ist ein allmälig in weiteren Kreisen überwundenes Vorurtheil, wenn auch eine Textkritik wie die an den Werken des klassischen Alterthums vollzogene auf die Werke des Mittelalters nicht völlig anwendbar ist. Und je grösser der Um

fang der aus Handschriften getreu abgedruckten Texte wird, desto mehr Hülfsmittel werden für die Erklärung und Verbesserung derselben an die Hand gegeben. Mangel an Belesenheit kann hier allerdings Irrthümer veranlassen; insofern unvollkommene Bewältigung der stets anwachsenden litterarischen Mittel solche hier verschuldet hat, darf der Herausgeber auf Nachsicht der Kenner rechnen.

Die in den litterarhistorischen Einleitungen zu den Sprachproben gegebenen Nachweisungen und Andeutungen hat ein Freund und Mitstrebender, Herr Karl Goldbeck, bearbeitet, welcher sich mit eingehender Erforschung der litterarischen Schätze des Mittelalters im germanischen und romanischen Sprachgebiete und ihrer Verwandtschaft beschäftigt; seine Mitwirkung ist dieser Arbeit aber auch in anderer Beziehung, namentlich für die Bewältigung des lexikalischen Theiles derselben gesichert. Das beigegebene altenglische Wörterbuch soll sich nämlich nicht auf den in den Sprachproben enthaltenen Sprachstoff beschränken, sondern das gesammte Gebiet behandeln und theils die Etymologie, theils die Entwickelung der Bedeutungen der Worte darzulegen suchen.

Wie wenig der Einzelne in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, wie in jeder anderen Sphäre, zu werden und zu leisten vermag, ist eine leicht gewonnene Einsicht; das Beste was er ist, verdankt er Anderen. So mögen denn die Besten sich selber in dem wiedererkennen, was in diesem Buche ihnen angehört; abweichende Ansichten nicht ohne Bewährung zu lassen, eigene Unkunde nicht zu verschweigen, Schwierigkeiten nicht klüglich unberührt zu lassen, war des Herausgebers redliches Bestreben. Die Anspruchlosigkeit eines auf die Sache gerichteten Forschers stimmt ihn zu der Dankbarkeit, womit er die Leistungen Anderer aufnimmt, wie zu der Unbefangenheit, womit er vermeinte Irrthümer Anderer zu heben sucht. Auf äussere Erfolge waren die schriftstellerischen Versuche des Herausgebers nie berechnet. Wer nicht den Muth hat ohne Hoffnung auf Lohn und selbst auf wohlthuende Anerkennung einer Wissenschaft zu dienen, wird weder auf diesem Gebiete etwas erreichen, noch würdig erachtet werden können, sich edleren Bestrebungen beizugesellen.

Wenn aber dies Buch geeignet wäre, ein tieferes Interesse an der englischen Litteratur in Deutschland oder anderswo zu fördern, und das weit verbreitete handwerksmässige Gebahren auf dem Gebiete der englischen Sprache und Litteratur einigermaassen zu beschränken, so werden die hochverdienten Forscher jenseit des Meeres einem Fremdling verzeihen, es versucht zu haben, ihre Arbeit, wenn auch nicht ihr Verdienst zu theilen.

ERSTE ABTHEILUNG.

POESIE.

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