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§. 10.
Arten des Leihkapitals.

In den verschiedenen wirthschaftlichen Stadien kommt ein verschiedenartiges Leihen und Borgen, also auch ein verschiedenartiges Leihkapital vor. Schon in der Naturalwirthschaft leiht man Güter gegen Güterrückgabe oder Güterzahlung; in der Creditwirthschaft leiht man auch Güter gegen Geldzahlung, und Geld um Geld. Demzufolge gibt es zwei Arten des Leihkapitals, und zwar :

1) Die Sachleihe. Hier sollen dem Verleiher dieselben Güter, die er geliehen, oder Güter derselben Art restituirt werden. So z. B. wenn ein Gutsbesitzer sein Landgut verpachtet und er dasselbe Landgut zurückerhalten will; oder wenn er 100 Malter Waizen unter der Bedingung verborgt, dass ihm kommendes Jahr 105 Malter dafür zurückvergütet werden.

2) Die Werthleihe. Diese ist umgekehrt ein solches Leihkapital, bei welchem der Verleiher nicht sowohl auf die Rückzahlung derselben Art, derselben Quantität und Qualität Güter, als vielmehr auf dieselbe Tauschwerthgrösse, die er geliehen, reflectirt. Wenn z. B. jemand 100 preussische Thaler verleiht, so gilt es ihm gleichviel, ob er wieder 100 Thaler oder 175 Gulden dafür, und ob er Silbergeld oder Gold dafür erhält; wohl aber reflectirt er auf die Zahlung einer Tauschwerthgrösse, die 100 Thaler repräsentirt. *)

men. Jenes Privilegium ist, wenn auch durch Ersparnisse verdient, immer Privileg, jedoch ein solches, welches mit dem nationalen Nutzen Hand in Hand geht. Dies wird von den Socialisten übersehen.

*) Wenn nun ein hingegebenes Darlehen stets durch dieselbe Werthgrösse wiedererstattet werden muss, so müsste, wenn zwischen der Leihzeit und der Zahlzeit der Gehalt der Münzstücke von der Regierung um die Hälfte verringert worden wäre, dem Gläubiger eigentlich durch eine vermehrte Münzzahlung dieser Schaden ersetzt werden und der Entleiher von 1000 Thaler sollte eigentlich zur Verfallzeit 2000

Die Werthleihe kommt mehr in der Jetztzeit vor und ist der Hauptgegenstand, mit dem sich die Creditwissenschaft beschäftigt.

Die Sachleihe selbst lässt sich in zwei Arten unterscheiden. a) Sie kann nämlich in Sachen bestehen, die durch andere derselben Art, derselben Quantität und Qualität zurückerstattet werden können, die also durch andere Sachen vertreten sind. In diesem Falle ist sie eine vertretbare Sachleihe; so z. B. wenn Jemand von einem Andern 100 Stück Rinder unter der Bedingung leiht, dass er ihm später 105 Stück andere Rinder von derselben Raçe, demselben Gewicht und derselben Qualität dafür wieder zurückgibt. Derartige Sachleihen sind in der Jetztzeit weniger gebräuchlich, ausser in dem Vieheinstellungsvertrag und etwa bei dem sogenannten Deportgeschäfte im Effectenhandel.

b) Nicht vertretbare Sachleihen. Diese sind solche geliehene Gegenstände, die dem Verleiher in Natur und individuell zu restituiren, die nicht durch andere vertretbar sind. Wenn z. B. Jemand ein Landgut verpachtet, oder ein Haus oder Pferd vermiethet, so will er nicht ein anderes Landgut, ein anderes Haus u. s. w. dafür an Zahlung nehmen, er will seine Sache nicht durch irgend eine andere vertreten wissen.

Alle Objecte der Sachleihe dürfen natürlich von dem Entleiher benutzt werden. Nun ist möglich, dass sie entweder bei dem erstmaligen Gebrauche sich zugleich verbrauchen, wie geliehenes Oel, Schreibpapier, Esswaaren u. s. w., oder sich blos dabei abnutzen und zu mehrmaligem Gebrauche

Thaler zahlen müssen. Die bürgerliche Gesetzgebung aller Länder entscheidet jedoch anders. Als Ursache führt Troplong an: das eigentliche Unrecht an der Sache sei die Münzverringerung. Sobald diese aber einmal vorgenommen und Thatsache sei, müsse der Gesetzgeber den Bestimmungen der Regierung Achtung zu verschaffen suchen. (Le droit civil expliqué suivant des articles du code, pag. 66. No. 239.)

sich anwenden lassen, wie z. B. eine geliehene Maschine. Ob eine geliehene Sache eine verbräuchliche oder nicht verbräuliche ist, entscheidet öfters die Art und Weise des Gebrauchs. Ein geliehenes Joch Ochsen, als Schlachtvieh benutzt, ist eine verbräuchliche, als Zugvieh angewendet, eine nicht verbräuchliche Sache. Die nicht vertretbare Sachleihe kann natürlich sich nur auf nicht verbräuchliche Gegenstände beziehen.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die vertretbare Sachleihe sich nur auf Güter in neuem ungebrauchten Zustande erstrecken kann, während die nicht vertretbare Sachleihe auch auf alte, schon gebrauchte Güter Anwendung findet. Die erstere lässt sich schon deshalb nicht durch Güter im gebrauchten Zustande vollführen, weil von schon gebrauchten Sachen es oft schwer oder gar unmöglich ist, derartige geliehene Güter durch andere in derselben Quantität und Qualität zurückzuerstatten. So z. B. können Bücher, als vertretbare Sachleihe geliehen, nur in ungebrauchtem Zustande hingegeben und nur durch neue Exemplare derselben Bücherart zurückerstattet werden. *) Dagegen können Landgüter, Häuser u. s. w. als nicht vertretbare Sachleihe, weil sie nicht durch Güter derselben Art zurückerstattet werden, auch im gebrauchten Zustande vermiethet und auch darin zurückgegeben werden.

Bei der Hingabe einer nicht vertretbaren Sachleihe wird daher nicht blos auf die Rückgabe derselben geliehenen Tauschwerthgrösse, sondern auch auf die der geliehenen Gebrauchswerthgrösse verzichtet; wer z. B. ein Pferd oder eine Chaise miethet, der restituirt nicht dieselbe Gebrauchswerthgrösse, die er erhalten.

Weil nun bei der nicht vertretbaren Sachleihe eine Ab

*) Siehe hierüber Kumpf's vortreffliche Abhandlung: Die wirthschaftliche Natur des Darlehens, in der bereits §. 1 angeführten Zeitschrift.

nutzung, eine Verminderung der Gebrauchswerthgrösse der geliehenen Sache vorkommt, so muss auch der Miethzins neben dem Zinseinkommen eine Vergütung für die Abnutzung enthalten; bei der vertretbaren Sachleihe aber, bei welcher die geliehene Sache nur in derselben Art, in derselben Qualität, also in derselben Gebrauchswerthgrösse zu restituiren ist, kann natürlich von einer solchen Vergütung für Abnutzung nicht die Rede sein.

Auch die Werthleihe lässt sich in zwei Arten unterscheiden: a) Güterwerthleihe. Diese kommt vor, wenn der

Werth gekaufter Güter oder Waaren geborgt worden und Geld dafür bezahlt wird.

b) Die Geldleihe oder das Darlehen, wo Geld geborgt und auch Geld bezahlt wird. (Kap. III.)

Bei beiden Arten der Werthleihe kommt es dem Rentner nicht sowohl auf die Rückerstattung derselben Gebrauchswerthgrösse, als vielmehr auf die der geliehenen Tauschwerthgrösse an. Wenn der Rentner sein in vollwichtigen Silbermünzen verabreichtes Darlehen auch in abgeriebenen oder gar in Papiergeld bezahlt bekäme, so würde dies ihn wenig kümmern, wenn sie nur dieselbe Tauschwerthgrösse wie jene besässen. Umgekehrt ist es natürlich bei der Sachleihe, wo der Bewilliger nur die Zurückerstattung derselben Gebrauchswerthgrösse im Auge hat.

Die Werthleihe, bei der es nur auf die Restitution derselben Tauschwerthgrösse ankommt, unterscheidet sich auch darin von der Sachleihe, dass nicht, wie bei dieser, dieselbe Güterart und Gütermaterie zurückverlangt wird. Wenn auch der Darleiher die Rückerstattung des geliehenen Geldes in Geld verlangt, so ist dies nicht, wie bei der Sachleihe, weil er dieselbe geliehene Materie und dieselbe geliehene Güterart an Zahlung zu haben wünscht; denn er findet sich ja auch schon befriedigt, wenn er für geliehenes Silbergeld Gold oder Banknoten an Zahlung empfängt. Dieser Um

stand, dass Geld geliehen und auch Geld bezahlt wird, kann folglich noch keine Veranlassung geben, das Darlehen als eine vertretbare Sachleihe zu betrachten.

Viele Güter, die als Sachleihe dem Borger durch ihren eignen Gebrauch nützen, nützen ihm als Werthleihe oft nur durch Wiederveräusserung. So z. B. nützen dem Miether von Maskenkleidern dieselben nur durch ihren Gebrauch; dem Handelsmann aber, der bei einem andern Maskenkleider auf Credit kauft, können dieselben nur durch Veräusserung, durch Wiederverkauf nützen. Wie die Gebräuchlichkeit oder Verbräuchlichkeit das Wesen der Sachleihe bildet, so ist die Veräusserlichkeit das Charakteristische der Werthleihe. Nur veräusserliche Sachen können als Werthleihe dienen, unveräusserliche, verpachtete Güter oder vermiethete Häuser aber nicht. Weil nun geliehenes Geld nicht durch eignen Gebrauch und nur durch seine Veräusserung dem Borger zu nützen vermag, so kann ein Darlehen nur eine Werthleihe sein.

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