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gemindert, dass die Rentner sie kündigen, sondern auch deshalb, weil viele Unternehmer den jetzt erhöhten Zinsfuss nicht bezahlen können.

III.

Die Grenze des Darlehenausgebots wird nothwendig von dem Grade der Ergiebigkeit der erwähnten fünf Darlehensquellen bestimmt. Darüber hinaus vermag das Darlehenausgebot eines Landes nicht ausgedehnt zu werden. Eine Darlehennachfrage also, die jene Grenze überschreitet, muss nothwendig eine Geldklemme oder gar eine Darlehenkrisis herbeiführen.*)

Wie klar jedoch auch sein möge, dass diese Grenze existirt, so wenig wird sie im Publikum anerkannt, und bei jeder Geldklemme ist es bald die Unkenntniss, bald der Eigennutz der Zettelbanken, die man als Ursache derselben bezeichnet. Neuerdings hat man unter Anderm in Frankreich geglaubt, man könne der Bank von Frankreich anmuthen, für ihr Banknotenprivilegium den Zinsfuss niedrig zu halten und stets das Darlehenausgebot dem Bedarf der Handelswelt anzupassen; d. h. mit andern Worten: die Grenze des Darlehen ausgebots abzuschaffen. Um diese Grenze zu erweitern, hat man der französischen Bank folgende Rathschläge ertheilt: Da die Handelsgeschäfte und die zu beleihenden Werthpapiere sehr zugenommen hätten, so müsse auch die französische Bankgesellschaft ihr Bankkapital vergrössern.**)

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*) Macleod (Theory of banking, Ch. III. §. 49. p. 231) glaubt an keine Darlehenkrisis: „It is therefore not the scarcity of money, but the extinction of confidence, which produces a pressure on the ,,money-market; and an examination of all the great commercial crises ,,in this country will shew that they have always been preceded and ,,,produced by a destruction of this credit, which has usually been ,, brought about by extravagant overtrading and wild speculation, as ,,we shall have occasion to see hereafter."

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**) So sagt Js. Pereire (Principes, Ch. II. p. 29): „Les affaires du pays ont décuplé; les titres représentant la richesse mobilière,

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Man hat dabei nicht bedacht, dass nicht das Unternehmerkapital der Bank, sondern die' Grösse der disponibeln Geldersparnisse des Landes die Grösse des Darlehenausgebots bestimmt. Man hat übersehen, dass alle Darlehen nur aus dem Material der Geldcirculation eines Landes überhaupt sich bilden und dass diese, mithin auch dies Material begrenzt ist. Folglich kann erstens die Bank von Frankreich weder allein, noch in Verbindung mit andern Banken, mehr als ein gewisses Quantum Darlehen in einer gegebenen Zeit verabreichen; folglich werden auch die Darlehen des Landes nicht im Geringsten dauernd wachsen, wenn das Bankkapital sich verdoppelt, sowie sie um kein Haarbreit sich vermindern werden, wenn das Kapital der Bank Null wäre. Ebenso wenig vermag die Bank durch Vermehrung ihres Kapitals die Darlehen des Landes zu vermehren; denn dieser Geldzuschuss wäre für die Geldcirculation des Landes zuviel und würde bald wieder ins Ausland übersiedeln. (Hiervon später §. 44.)

So erweisen sich in Frankreich alle dergleichen als Auskunftsmittel gemachte Vorschläge als unpraktisch. In England glauben Viele, man könne durch die Abschaffung der Peelacte vom Jahr 1844 die Grenze des Darlehenausgebots verrücken. So sagt John St. Mill*): „Die Aufgaben der Banken, den Riss auszufüllen, welcher durch die ,,Folge übertriebener Speculationen und deren Rückschlag ,, entsteht, ist so ganz unabweisbar, dass wenn die Bankacte ,, von 1844 in Kraft bleibt, sich mit Bestimmtheit voraus

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,,rentes, actions et obligations, ont plus que quintuplé depuis dix ,, ans. La Banque de France aurait dû proportionner ses ressources ,, propres à ces nouveaux besoins, à ce nouvel état de choses; tout au contraire, elle les a diminuées en retirant de l'industrie qu'elle „, exploite la totalité de son capital en l'immobilisant en divers place,,ments permanents" u. S. W.

*) Grundsätze der politischen Oekonomie, Buch III. Kap. XXIV. S. 4. p. 119.

,,sehen lässt, dass ihre Vorschriften, ebenso wie 1847 ge,, schah, bei jeder Periode grosser commercieller Verlegen,, heiten werden suspendirt werden müssen, sobald die eigentliche Krisis begonnen haben wird.“*)

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Es ist aber keineswegs die Aufgabe der Banken, wie Mill meint, den Riss auszufüllen, der in Folge übertriebener Speculationen entsteht. Wenn dies die Aufgabe der Banken wäre, dann wäre die Volkswirthschaft von Ländern mit blosser Metallcirculation schon deshalb mangelhaft, weil sie keinen Reservefonds, keinen Nothschatz besässen. Ferner sind die Banken einer solchen Aufgabe gar nicht gewachsen: wenn auch die Banken einen noch so grossen Baarvorrath halten, so wird es ihnen doch in Zeiten des Misstrauens, wenn alle Gläubiger auf einmal bezahlt sein wollen, unmöglich sein, jeder dieser Darlehensnachfragen zu genügen. Hat das Darlehensausgebot seine Grenze, die Darlehensnachfrage aber nicht, so kann nie und nimmer für jeden noch so hohen Grad der Darlehensnachfrage mit einem Baarvorrath Vorsorge getroffen werden.

Wenn man endlich die Peelacte im Jahr 1847, 1857 und 1866 suspendirte, d. h. den Reservefonds zu Darlehen benutzt hat, so hat man ihn hierdurch nicht seiner wahren und ursprünglichen Bestimmung wieder zurückgegeben, sondern umgekehrt, man hat ihn seiner Mission, d. h. als

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*) So auch in der deutschen Viertaljahresschrift vom Jahr 1858: Die Handelskrisen, S. 358:,,Würde die Bank in Zeiten des Geldüberflusses auf einen gehörigen Baarvorrath gehalten haben, und dieser in Bedarfsfällen wirklich verwendbar sein, so würde das immer beschränkte ausserordentliche Baarbedürfniss bei mässig gesteigertem Zinsfusse leicht befriedigt werden können. Allein die Peelacte geht von der beschränkten Anschauung aus, den Baarschatz nur als Deckungsmittel der Noten circulation, nicht auch als den, in die verwendbarste Form gebrachten Kapitalpfennig der Volkswirthschaft anzusehen; für eine Baarhaltung zu letzterem Zweck sorgt sie nicht“,

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u. S. W.

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Schutzmittel eines einlöslichen Papiergeldes zu dienen, entfremdet. Verwendet man ihn aber, wie jene Oekonomisten wollen, stets und unter allen Umständen zu Darlehen, so ist er ganz zwecklos; er wird dann weder die Einlösung der Banknoten garantiren, noch in Zeiten der Noth ein Abhilfsmittel des Darlehenbedarfs gewähren.

§. 32.

Von der Circulation der Werthpapiere..

Die Existenz der Werthpapiere, insbesondere der Schuldscheine über empfangene Darlehen, setzt voraus, dass der Verkehr sich so weit entwickelt habe, dass überhaupt von Credit die Rede sein kann; die Circulation der Werthpapiere aber, d. h. dass die errichteten Werthfonds wie andere Güter als Verkaufsobjecte zu Gegenständen des Verkehrs werden, setzt eine weitere Entwicklung des Wirthschaftswesens voraus.

Wenn nun auch dahingestellt bleiben mag, ob nicht im späteren römischen Rechte Spuren selbst von Zahlungsversprechungen an den Inhaber der Scriptur vorkommen, so bleibt doch gewiss, dass erst der mittelalterliche Messverkehr die Circulation der Creditpapiere in Schwung gebracht hat.*) Die Verschiedenheit des Münzfusses fast von Stadt zu Stadt, das oft vorkommende Verbot der Geldausfuhr, die Schwierigkeit des Geldtransports rief den Gebrauch der Anweisungen hervor, von welchem der Uebergang zum gezogenen Wechsel nur ein kleiner Schritt war.

Insofern nun die neu entstandene Circulationsart auf die andern Circulationsorgane von Einfluss ist, insofern sie dieselben in ihren Bewegungen unterstützt oder hemmt und auf Abwege führt, bildet sie das fünfte und letzte Circula

Martens, Ursprung des Wechselrechts, §. 12.

tionsorgan und den Schlussstein des wirthschaftlichen Circulationsorganismus.

Ihr nationaler Nutzen besteht darin, dass auch durch sie dem Mangel an Kapitalien- und Consumtionsgeld abgeholfen und so die nationale Production und Consumtion im Gange erhalten zu werden vermag. Dies hat sie indess mit dem Darlehen gemein; ihr specifischer Nutzen aber besteht darin, dass selbst creditlose Unternehmer und Consumenten, also Personen, die sich durch Darlehen kein Geld verschaffen können, durch Veräusserung ihres Papierbesitzes sich zu helfen vermögen. Sie macht dem Creditlosen den Credit eines Dritten dienstbar und unterstützt selbst da noch die nationale Production und Consumtion, wo die Darlehen-Circulation diese Dienste nicht mehr leisten kann. Wenn ein Consument mit gutem Credit seinen Bedarf mittelst eines von ihm ausgestellten Wechsels deckt, welchen der creditlose geldbedürftige Empfänger auf die Unterschrift des Ausstellers hin leicht zu Geld machen kann, während er auf seine eigene Unterschrift nichts erhält, so wird die Circulation von Consumtionsartikeln durch die Circulation des Wechsels, also eines Werthpapiers, möglich gemacht, nicht durch Darlehencirculation.

Der Privatnutzen der Circulation der Werthpapiere aber, wie etwa der, dass der Rentner sich nicht erst nach einem zahlfähigen Schuldner umzuschauen hat u. s. w., ist für die Gesammtheit ohne Bedeutung. Eben deshalb hat auch die lediglich im Privatinteresse bewerkstelligte Papiercirculation, wie die bei Agiotagegeschäften und Scheinkäufen, für die Nation keinen Werth.*)

Die nationale Bedeutung dieses Circulationselements zeigt sich in vielen wirthschaftlichen Erscheinungen; besonders hat die Ansdehnung der Grossindustrie dadurch sehr gewonnen.

*) J. B. Say, Cours, Part. VIII. Ch. XII.

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