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In neu angebauten fruchtbaren Ländern, wo die circulirenden Kapitaliengüter leicht vermehrt werden können, leidet das Entstehen der Unternehmerkapitale an der Knappheit des Privateinkommens, wodurch die Ansparung und Concentrirung der Kapitalien werthe gehemmt wird. In Ländern von alter Civilisation dagegen, wo die Kapitalienwerthe leicht angespart werden, leidet die Ausdehnung der Kapitalienbildung an der Knappheit der Kapitaliengüter, an der Begrenztheit des rohen Gütereinkommens der Nation. Weil dasselbe mit dem Anwuchs der Bevölkerung nicht gleichen Schritt zu halten vermag, muss sich, wenn nicht neue Productionsverbesserungen eintreten, die Kapitalienbildung verhältnissmässig von Jahr zu Jahr vermindern. Dazu kommt noch der Umstand, dass bei jeder verhältnissmässigen Verminderung der Kapitaliengüter alle Arten Lebensmittel, also alle Arten Bedürfnissgüter theurer werden und dadurch ein grösserer Theil der Zahlmittel der ärmern, der grössern Consumentenklasse dafür in Anspruch genommen wird. Dies entzieht den Verkäufern anderer Arten Güter, wie denen von Luxusgütern, den Absatz und nöthigt sie, wegen Mangels an Consumenten, ihre Production und ihre Kapitalienanwendung zu beschränken (§. 8 und §. 20).

§. 28.

Von der Darlehen-Circulation.

Eine besondere Species der Geldcirculation ist diejenige, bei welcher die Werthleihe in Geldform (§. 10) oder das Darlehen als Object der Circulation vor sich geht. Insofern dieselbe Umgestaltungen im Wirthschaftswesen erzeugt und in die Bewegungen der bisher behandelten Circulationsorgane maassgebend eingreift, bildet sie für sich ein viertes wirthschaftliches Circulationsorgan.

Wir haben schon erwähnt, dass das Darlehen eine Schö

pfung des Credits ist (§. 18); aber das Darlehen ist schon der Natur der Sache nach von weit jüngerem Datum, als der Waarencredit; auch war seine Entwicklung Jahrhunderte lang durch das kirchliche Verbot des Zinsennehmens beschränkt, welches hin und wieder auch von der bürgerlichen Gesetzgebung adoptirt worden ist; dazu kam, dass bei geringerer Entwicklung des Gewerbfleisses die meisten Darlehen zu Consumtionszwecken gemacht wurden; es war mit andern Worten von geringer wirthschaftlicher Bedeutung. Eine solche Bedeutung gewann es erst durch den Aufschwung der Production und des Handels in neuerer Zeit, und seitdem hat es weitere Entwicklung und Förderung durch Creditinstitute gewonnen.

Der Nutzen der Darlehencirculation ist für Privatperso

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für die Rentner und wieder für die Gesammtheit von sehr verschiedener Art. Hier haben wir nur seine Bedeutung für die Volkswirthschaft, zunächst also hauptsächlich den nationalen Nutzen zu betrachten. Für die Nation im Ganzen und Grossen hat die Darlehencirculation den grossen Nutzen, dass sie dem Geldmangel der Unternehmer und der Consumenten abhilft und dadurch die nationale Production und Consumtion nicht wegen augenblicklichen Geldmangels in Stockung gerathen lässt. Nicht immer empfangen die Consumenten ihr Geldeinkommen pünktlich und nicht immer kann der Unternehmer auf Eingang seiner Ausstände rechnen, dergestalt, dass ohne Darlehen die Consumenten ihre Consumtionsbedürfnisse und die Unternehmer ihren Kapitalbedarf nicht zu befriedigen vermöchten und folglich Production und Consumtion in Stockung gerathen würden. Dazu kommt, dass viele Unternehmer nur deshalb Waaren auf Credit verkaufen, weil sie die, durch den Verkauf in ihrem Betriebskapital entstehende Lücke durch Aufnahme von Darlehen ausfüllen können, und so erscheint die Darlehencirculation sogar als Hebel einer andern Art Werth

leihe, des Waarencredits nämlich, nützlich. Ferner ist die Darlehencirculation das Mittel, wodurch die Association der Unternehmerkapitale und dadurch wieder die Grossindustrie (in Actienunternehmungen u. dergl.) möglich wird. Ohne Darlehen konnte die Concentration grosser Massen von Kapitaliengelder, wie die Grossindustrie sie bedarf, gar nicht zur Existenz kommen. *) Da ferner einerseits oft die Verkäufer von Waaren und Diensten mit dem besten Willen nicht creditiren können und anderseits der Reiche zwar Geldleihen oft und gern aufnimmt, den Waarencredit dagegen in Anspruch zu nehmen oft verschmäht, so leuchtet ein, dass hauptsächlich auf die Darlehen der ungestörte Fortgang der Production und der Consumtion sich gründet. Dies Circulationsorgan hat folglich für die Nation den grossen Nutzen, dass es der Stockung der andern Circulationsorgane vorbeugt.

Dagegen ist die Zinseneinnahme des Darlehengebers zwar ein Nutzen des Letztern, aber kein nationaler Gewinn, denn dabei erwirbt der eine nur auf Kosten des andern Privaten, der Darlehengeber auf Kosten des Darlehenempfängers. **)

Während es die allgemeine Aufgabe jeder Geldcirculation ist, die Gütercirculation zu unterstützen, und sie ursprünglich nur zur Förderung der Circulation der Consumtionsgüter diente, dient die Darlehencirculation nicht allein der Circulation der Consumtionsgüter, sondern auch derjenigen des Circulationskapitals, indem sie dieselbe lebendig erhält. Das Entstehen der Darlehen war deshalb, seitdem das Unterneh

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*) Marbach, Die Association der Geldkräfte.

**) Und doch heisst es in dem mehrerwähnten Aufsatz: Ueber Handelskrisen (Deutsche Vierteljahresschrift 1858, S. 272): „Wenn der volle Gleichbetrag der ausgegebenen Noten in Baar vorräthig ge,,halten und prioritätisch den Notengläubigern verpfändet wäre, so „, würde dies für die Bank die Notenausgabe verlustreich machen, und ,,volkswirthschaftlich betrachtet wäre diese Deckung eine Verschwendung."

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merkapital sich entwickelt und ausgebildet hat, ebenso unentbehrlich, als in einem frühern wirthschaftlichen Stadium die Geldcirculation.

Diese beiden Circulationsorgane gleichen sich aber darin, dass sie zur Unterstützung anderer Circulationsorgane dienen; sie sind deshalb auch nicht (wie die Güter- und Kapitalcirculation) selbstständige, sondern blos Hilfs-Circulationsorgane. Sie unterscheiden sich aber darin, dass die Geldcirculation stets auch andere Sachen (Güter, Dienste, Werthpapiere u. s. w.) in Bewegung setzt; bei der Darlehencirculation dagegen ist das Geld selbst das Object, das übertragen, das in Bewegung gesetzt wird; das Geld circulirt da nicht andere Sachen, sondern es wird selbst circulirt. Auch findet die Geldcirculation zwischen jederlei Art von Contrahenten, die Darlehencirculation nur zwischen Borgern und Leihern statt. Ferner ist die Geldcirculation ohne die Darlehencirculation denkbar, aber nicht umgekehrt, wie denn überhaupt keine Art der Werthleihe ohne die Geldcirculation denkbar ist. Dagegen ist sowohl eine Circulation dér Darlehen ohne Umlauf von Circulationskapital möglich, und es haben schon Darlehen als solche circulirt, bevor es noch Circulationskapitale im heutigen Sinne des Wortes gegeben hat, wo allerdings hauptsächlich nur Darlehen zu Consumtionszwecken und nur zur Vermeidung der Consumtionsstokkung dienten, während heute ihre Domäne wesentlich auf das Gebiet der nationalen Production sich erstreckt.

Auch dies Circulationsorgan bewirkt, wie schon die drei andern, durch Verbindung wirthschaftlicher Factoren, wie die des Leihers zum Borger, dass die Volkswirthschaft immer mehr und mehr von einem Aggregat von Einzelwirthschaftern zu einem vollkommenen Wirthschaftsganzen, zu einem Wirthschaftsorganismus sich erhebt. Die Einzelwirthschaften sind jetzt nicht blos durch ihre Consumtionsbedürfnisse, ihre Zahlungsmittel, ihre Productionsverhält

nisse, sondern auch durch ihre Leih- und Borgbedürfnisse an einander gebunden. Das Wohlergehen und die Existenz des Einzelnen hängt nicht mehr blos von der Natur, sondern auch von dem Willen der Coexistenten ab.

Wir haben oben (§. 9) gezeigt, dass jedes Leihkapital, wenn es einmal seinen Anlageplatz gefunden, zu einem fruchtbaren Fonds wird und dass ein solcher Fonds entweder ein Werthfonds (wie ein verzinsliches Werthpapier) oder ein Sachfonds (z. B. ein Pachtgut) sein kann. Ferner, dass ein solcher Sach- oder Werthfonds entweder durch ein Leihkapital neu errichtet, oder fertig von Dritten erworben sein kann. Dasjenige Leihkapital nun, das als Darlehen, also als Leihobject neu aufgenommen wird, kann nur zur Errichtung und nicht zum Erwerb eines bereits bestandenen Werthfonds dienen. Nur durch diesen letztern Dienst, nur durch Errichtung neuer, nie bestandener Werthfonds unterstützt das Darlehen die nationale Production und Consumtion und nützt es der Gesammtheit. Der Erwerb der bereits bestehenden Werthfonds, wie der Ankauf von Staatsobligationen, kann für den Einzelnen, muss aber nicht nothwendig immer für die Gesammtheit nützlich sein.

Nicht blos Geld, auch geborgte Waare hat als Werthleihe ihre Bedeutung. Jedoch müssen wir an dieser Stelle erinnern, was von vielen Oekonomisten übersehen wird, dass das Darlehen, weil es zu vielen Diensten, namentlich zur Schuldentilgung tauglich ist, wozu die geborgten Waaren keine Fähigkeit besitzen, von weit höherer Bedeutung ist, als die Werthleihe in Waarenform. Von anderer Seite aber hat man das Darlehen unterschätzt, indem man es stets lediglich für eine andere Form der Waarenleihe hielt.*)

*) So meint Ad. Smith, dass, wenn auch alle Darlehen in Geld gemacht würden, doch dasjenige, was der Entleiher eigentlich bedürfe und womit ihn der Darleiher eigentlich versorge, nicht das Geld, son

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