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Und süfs umduftete Westwinde sich

Um Florens Busen eifersüchtig drängen.

Wie ist diefs Meer so wild! der Fels so fürch→

terlich!

Ach, du mein Theseus, komm, umarme mich!

Du schläfst noch? Nein, du irrst vielleicht im

Thale,

Jagst mit dem Morgenstrahle

Nach Löwen, deiner muntern Jagd.

Sieh auf! dein Mädchen ist erwacht.

Mein Theseus! Theseus! Erst in dieser Nacht

Hab' ich in Träumen ihn, mit welcher Angst be

weinet;

Umsonst streckt' ich die Hände nach ihm aus,

Umsonst sah ich in diese Wüstenei'n hinaus,

Wo aufser mir kein menschliches Geschöpf erscheinet! Mein Theseus! Theseus! Nicht der Minotaurus nur

War furchtbar für dein Heldenleben.

Es giebt viel Schrecken der Natur!

Es können Drachen um dich schweben!

Es können Hydern sich um deine Schenkel weben!

Wer, Götter, wer errettet dich ?

Sieh Ariadnen weinen!

Mich, die du liebst, sieh um dich weinen,
Dein Mädchen, mich!

O du, für den ich lebe! leb', um dich

Und nichts als dich zu lieben,

Mein Wunsch, mein Gott! mein Alles! kannst du mich

Einsame so betrüben?

Der wüste Fels ist fürchterlich:

Wo find' ich dich?

OREADE DES FELSEN.

Zu weit entfernt das Meer den Frevler schon : Er ist auf ewig dir entflohn!

ARIADNE.

Entflohn? Wer donnerte mich nieder?

OREADE.

Ich, Nymphe dieser Höhen,

Hab' ihn im Sturme dir entfliehen sehen.

Er fürchtete das Licht,

Dein bittend Angesicht,

Dein weinend Auge, nur den Sturm der Wogen

nicht.

Der Männer Herz ist muthig zum Verrath, Sie wagen jede Frevelthat!

Doch der betrognen Liebe Klagen,

Den Vorwurf ihrer Tücke, wagen

Sie nicht, die Feigen, zu ertragen;

Sie schreckt der Vorwurf, nicht die That.

ARIADNE.

Ist's wahr? Ihr, des Olympus fürchterliche

Mächte!

Bin ich verlassen? hier allein am Fels? am Meer? Verlassen? Götter! Götter! Und kann er,

Kann Theseus mich verlassen? mich am Fels, am

Meer

Verlassen? Die ihr seinen Schwur gehört, gerecht Beleidigte, ihr des Olympus fürchterliche Mächte! Warum trifft mich, nicht ihn, der Donner eurer

Rechte?

Warum? O alle Götter rettet mich! Da fliegt

Am Horizont das Schiff mit Ungestüm

Vorüber! Ha, vorüber der Barbar auf ihm,

Der über dieses Herz gesiegt,

Das er also! also! betrügt.

Kannst du, mein Herz!

Unter diesem stechenden Schmerz

Fühllos und wund und dumpf erliegen?

Brich! brich! o brich!

Warum, warum verfolgt ihr mich?

Götter! lafst mein wundes Herz

Unter diesem stechenden Schmerz,

Lafst, o lafst's erliegen!

Was für ein Graun

Herrscht hier an diesem stürmischen Gestade!

Ist der Kozyt so furchtbar anzuschaun,

Wie dieses Meer? Gleicht diesem Sitz der Oreade

Das Flammenreich des Dis, der Erebus?

Und bin ich hier? Und mufs

Die einst gefeierte Kretenserin,

Die Hoffnung und die Lust der stolzen Krete,

Die Königstochter, eines Gottes Enkelin,

Mufs ich in meines Lenzes Morgenröthe

Auf diesem Felsen irren? Hier allein,

Die Hände ringend und verlassen,

Der Götter Spott, ein Raub der Thiere seyn?

Minos Tochter und Theseus Liebe,

Wie war ich zu beneiden! Ha,

Stolzes Mädchen! du throntest im Olympus!

Schienst Juno dir und Paphia!

Stolzes Mädchen! wie tief gefallen!

Schweifst, gejagt von allen Wiederhallen,

Unter den reifsenden Thieren allen

Dieser Felsen, allen am Meer

Heulenden Ungeheuern umher.

O Schmach! Unseliger! und Schand' und Grauen! "Mich, die ihn liebte! die den ausgestreckten Klauen Des Ungeheuers ihn entrifs!

Mich, mich verliefs der Undankbare! liefs

Mich hier zurück, die so voll Zärtlichkeit,
Die Götter wissen es, voll wahrer Zärtlichkeit,
Ihn aus dem Labyrinth des Untergangs befreit?

Mein eignes Leben

Für ihn gewagt,

Um es von Müttern nicht mehr, von Töchtern

vergebens beklagt,

Den Thieren dieser Felsen hinzugehen!

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