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Mühe der eigenen Präparation auf die Lecture reducirt sich hierdurch nach und nach ausserordentlich. Uebrigens enthält das Vocabulär eine sehr zweckmässige Auswahl von Ausdrücken sowohl aus dem alltäglichen Leben, als auch aus abstrakteren Sphären. Insbesondere findet man ein reichhaltiges Verzeichniss geographischer Eigennamen und eine gewiss Vielen willkommene Zusammenstellung von Redensarten, die man bei der praktischen Anwendung der englischen Sprache in den Lehrstunden beständig gebraucht. Die ganze Anordnung und Einrichtung des Vocabulars können wir, ebenso wie die der „Anleitung“, als höchst durchdacht und praktisch rühmen.

Bratuscheck.

Sammlung interessanter geschichtlicher Werke der englischen Sprache, vollständig oder in Auszügen. Mit sprachlichen und sachlichen Anmerkungen herausgegeben von Dr. Rudolf Sonnenburg. Erstes Bändchen: History of Frederick the Great by Thomas Carlyle. Erste Hälfte. 191 Seiten. Von den bedeutenden, höchst interessanten geschichtlichen Werken, welche die englische Literatur besitzt, wird auf Schulen nur sehr wenig gelesen. Die vorliegende Sammlung hat zum Zweck, solche Werke zugänglicher zu machen und in einer für Schulen passenden Form zu bieten. Die Wahl von Carlyle's History of Frederick the Great, womit die Sammlung eröffnet wird, halten wir für eine durchaus zweckmässige. Carlyle gehört unter die geschichtlichen klassischen Schriftsteller und er durfte daher nach dem Plane der Sammlung schon als solcher nicht fehlen. Ganz besonders aber empfiehlt sich das Werk für den Deutschen durch den Stoff; derselbe ist in hohem Grade anziehend, belebt die Lust, die englische Sprache zu lesen und zu studiren, und kein anderes Buch vereint so neuere englische Sprache und lehrreichen patriotischen Stoff. In Bezug auf Styl und Phraseologie ist die Lecture Carlyle's ebenfalls sehr zu empfehlen. Carlyle ist sehr originell; er hat eigenthümliche Wendungen und Worte, welche durch ihn eingebürgert werden; Jeder, der sich mit der modernen Ausdrucksweise bekannt machen und in ihr zu Hause sein will, muss ihn daher nothwendigerweise lesen. Die Originalität seiner Sprache ist kein Grund, ihn nicht zu lesen, sondern gerade ein sehr zwingender Grund, ihn recht fleissig und genau zu lesen. Wer wollte die Lecture des Tacitus etwa aus dem Gymnasium verbannen, weil sein Styl originell ist? Englisch lernen und Carlyle nicht lesen ist ebenso, wie wenn Jemand französisch lernen will und V. Hugo und andere Schriftsteller derselben Richtung nicht kennt und lesen kann. Von der Lecture eines Schriftstellers abrathen, blos weil er Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten hat, ist gänzlich verkehrt und ein Zeichen von einem einseitigen und pedantischen Urtheil. Welcher Art sind überhaupt ein grosser Theil von Carlyle's Eigenthümlichkeiten? Derjenige, welcher mit der modernen gebildeten Umgangssprache nicht sehr vertraut ist, glaubt in Carlyle überall ganz absonderliche und ungebräuchliche Wendungen und Ausdrücke zu finden; dies ist aber durchaus nicht so häufig der Fall; sehr viele seiner Eigenthümlichkeiten beruhen darauf, dass er die vertrauliche moderne Umgangssprache der Gebildeten einführt. Der Vortheil, welcher aus der Lecture Carlyle's in dieser Beziehung erwächst, ist daher ein sehr bedeutender. Man lernt Englisch nicht nur, um Bücher zu lesen, sondern auch um es zu sprechen in der modernen Gesellschaft. Wie manche junge Deutsche habe ich in England gesprochen, welche alle grammatischen Regeln kannten, aber in Folge ihrer Unbekanntschaft mit den gerade gebräuchlichsten Ausdrücken weder sprechen noch viel verstehen konnten, und darüber sehr klagten.

Für den practischen Zweck, sich mit der gebildeten intimen Umgangssprache bekannt zu machen, leistet die Lecture Carlyle's vortreffliche Dienste.

Der Auszug ist mit grossem Geschick angefertigt worden. Carlyle, welcher ihn durchgelesen hat, ertheilt ihm das Lob: „Well and faithfully done." Wir wünschen daher dieser Sammlung einen guten Erfolg und Fortgang. Möge namentlich Carlyle's Werk in diesem Auszuge eine allgemeine Verbreitung und Eingang in allen Schulen finden! Es giebt kein zweites Werk, welches in so interessanter und belehrender Weise preussische und englische Verhältnisse beleuchtet, und vielleicht ist selbst von keinem Preussen mit solcher Gefühlswärme und mit solchem herzlichen Enthusiasmus das Leben der preussischen Helden beschrieben worden.

Danzig.

Gustav de Veer.

Liederkranz aus dem Liebesfrühling des Venezianischen Volkes. Dargebracht der Società Italiana zu Berlin, bei seiner Aufnahme als deren Ehrenmitglied von Julius Braun.

Berlin 1866.

Ist dieser „Liederkranz“ zunächst auch nur einem bestimmten Kreise von Interessenten gewidmet, so ist der Herr Verfasser doch nicht so particularistisch gesinnt, dass er nicht gern und willig", wie jene ,,harmløsen Männer und ehrbaren Mädchen und Frauen dem „Professore prussiano“ ihre Lieder sangen", auch anderen Kennern und Freunden des Schönen aus seinem Schatze mittheilen sollte, zumal wenn es sich handelt um „einen annähernden Begriff eines süssen Volkslebens, dessen Dasein der literarischen Welt beinahe unbekannt geblieben ist. Wir erinnern uns bei dieser Verheissung der schönen Schilderung, welche Frau v. Staël in ihrer „Corinne" von Venedig macht: „Dans ce séjour tout est mystère, le gouvernement, les coutumes et l'amour. Sans doute il y a beaucoup de jouissances pour le coeur et la raison, quand on parvient à pénétrer dans tous ses secrets . . . .“ und dazu ladet eben dieser duftige Liederkranz uns ein. Der Verfasser stimmt dem Urtheil der Frau v. Staël: les étrangers doivent trouver l'impression du premier moment singulièrement triste. bei, wenn er den an der Oberfläche haftenden Fremden „wenig mehr von diesem venezianischen Leben gewahren" lässt, weil die Vornehmen und Gebildeten bereits moderne Italiener geworden sind, der Mittelstand,,sittig und hochachtbar in dieser Umwandlung begriffen ist: aber in dem liebenswürdigen Proletariat ist mit der alten Sitte auch die alte Volksdichtung lebendig geblieben, ein leichter, süsser Genuss des Daseins, verklärt durch eine köstliche Poesie, welche das treue Herz dieses lieben Völkchens aus der grossen Zeit des Mittelalters seinem stillen und abgelegenen Leben aufgehoben hat." On trouve des hommes du peuple (a. a. O.) à Venise, qui n'ont jamais été d'un quartier à l'autre, qui n'ont pas vu la place Saint-Marc, et pour qui la vue d'un cheval ou d'un arbre serait une véritable merveille.

Dem glänzenden Tagesleben fern, in den stillen Gassen und einsamen Höfen, umgeben von halb verlassenen Palästen, „da spinnt sich das sinnige Leben des Tages ab an dem Rosenkranz eines ungezählten Liederschatzes. In Hunderten von Vierzeilen und Achtzeilen träumt das Krieger- und Schifferleben der alten Venezia", so bestätigt der Verfasser uns, was wir sonst gehört: On entend quelquefois un gondolier qui, placé sur le pont de Rialto, se met à chanter une stance du Tasse, tandis qu'un autre gondolier lui répond par la stance suivante, à l'autre extrémité du canal aber es giebt viele Lieder, von denen Niemand weiss, wann sie entstanden und wer sie gemacht. Pflegerinnen derselben sind die Frauen - die Bräute und Mütter -auch zum Tanze werden sie gesungen. Ihre Melodie ist arm, „,mehr rhythmisch,

als melodisch, weil die helle, Farbe jenes lieblichen und kindlichen Dialektes nicht eines tieferen Tones bedarf". Ihr Inhalt aber ist um so erschöpfender, bald voll Empfindung, bald scherzend, geistreich, epigrammatisch; in einzelnen findet der Verfasser sogar Anklänge an Rückert, Göthe, Shakespeare!

Soweit die Einleitung. Es folgen ihr im Ganzen 52 meist vierzeilige, einige achtzeilige Liebeslieder bei einzelnen ist der Uebersetzung das Original beigegeben.

Einige der ansprechendsten mögen hier folgen:

Nro. 2.

Das Meer hat Gott geschaffen für die Schiffer,
Und für die Schreiberzunft Buchstab' und Ziffer,
Das Fegefeuer für die Buss' und Schmerzen,
Die Lieb' hat er gemacht für zarte Herzen.
Nro. 24. Der Januar klagt, und klagt der Februar:
Uns fehlen zwei, und ach! die schönsten Sterne,
Mein Liebehen leuchtet mit zwei Augen klar:
Ich glaub', das sind die beiden Sterne.

Charakteristisch für „die Königin der Meere" ist das Lied:
Nro. 39. In meiner Brust trag' ich ein Schiff umher,
Mein Schleier sind die Segel, welche fliegen,

Berlin.

Und meine Locken sind zum Schiff die Stiegen,
Und meine Thränen sind das Meer.

L. v. Schultzendorff.

Miscellen.

Nachträge zu J. und W. Grimm's Deutschem Wörterbuch. 5. Band. 2. und 3. Lieferung. Von R. Hildebrand. Kartenbild - Kind.

Da ich mein Material über K vollständig seiner Zeit den Herausgebern des Wörterbuchs zur Verfügung gestellt habe, so gebe ich im Folgenden nur, was ich seither gesammelt.

Zu Kartenspiel (242) kommt als zweite Bedeutung: Gesellschaft, Bande, Gaunertafelrunde, von der jedes Mitglied einen Kartennamen trägt. Oberschwäbische und alemannische Urgichten vom 16. Jahrhundert ab besagen das deutlich. J. Eberhart, von Horb pürtig, so sich sonst schwarz Jäckli nennet, ain klaine Person, hat ain schrammen an ainem Backen, schwarz ploderhosen und kain Latz daran, ain schwarz Knebelbärtlin, ist Schellenking im Kartenspil." - Bastian Kinig — (den Namen) ime Aichelen fenfer im Kartenspil geben" und so des öftern. Es hatte dieser Gaunerhäuptling König auch Gesellen,,so ausser dem 'Kartenspil sein". Urgicht eines Tettnangers in Aulendorf, 17. Jhd.

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Zu Käse und seinen Compos. (249 ff.). Käs machen in der bairischen und oberschwäbischen Zotensprache coire; somit erklärt sich das von Schmeller und unserem Wörterbuch unerklärte Käswoche Flitterwoche (258). Uebrigens hätte Sp. 285, 1 Aufschluss geben können, wo die obscöne Redensart angeführt steht die Katze über den Käs kommen lassen". „Mädle, witt 'n Käs?" sagt der Bursche in der Saulgauer Gegend. Käse bringt der „Heiret" seinem Schatz; der Bauer seiner Bäurin vom Markte heim. Als Abgabe an den Lehnsherrn, besonders an den Geistlichen, was im Entlebuch heute noch für ausserordentliche liturgische Handlungen“ üblich ist, ist Käse uralt. Nach Mone, Zeitschr. I, 279, gült ein Hof unter Anderm, agger und sechs Käs- oder aber nün haller für die Käs" (1387). Eng damit zusammen hängt Käsegeld (251). Schon in einer Vorarlberger Urkunde von 1394 (Joller, Feldkircher Programm 1860) steht: „item sô hân ich vier käsgelts ûs dem vorderen mellen." S. 75. Auch die Monum. Zoller. I, Nro. 402, S. 273, führen agger oder käsgelt auf. Käspfenning ist dasselbe. Ebenfalls in einer Feldkircher Urkunde steht: „,5 schilling pfennig die man käspfennig nent" (1343, Joller S. 39). 2 pfund den: usser dem hof ze Marpach gelegen in dem Rinnthal und die haissent die käspfenning" (1394, S. 79). Wiewol ich keinen Beleg vom 16. Jahrhundert ab beizubringen im Augenblicke vermag, müssen die Benennungen zweifellos auch noch dem 15., 16. und 17. Jahrhundert sporadisch angehören, wie im Ale

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mannischen die alten Verhältnisse wesentlich sich nicht sehr gegen früher änderten.

Käsbohrer (250) ist Familienname in Lauingen und vielleicht eingewandert auch in München.

Käsegaden (251). Abt Caspar von St. Blasien berichtet anno 1555: „mer die Hoffkuchin mit Inbeuwen lassen machen als namlich ein Kessgaden, ein Ankhengaden, ein Salzgaden und Fleischgaden." Mone, Quellensammlung II, 75 a.

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Käsmolken (255) kommen auch in einem Frankfurter Kochbuch von 1545 vor (sich mein alem. Büchl. v. guter Speise 173). Frische Schotten oder Kessmolken von Gayssmilch geschaiden und wol durchsiehen" (Bl. 45 b). Käsmus (355) erscheint unzähligemal in alem. Schriften, ungefähr so häufig als Kässuppe im Tegernseer Kochbüchlein (vgl. alem. Büchl. v. g. Speise, S. 190, und Mon. Zoll. I, Nro. 327. 1381).

Käsnudla und in Niederschwaben Käsbêta sind echt schwäbische Speisen. Letzteres würde Käsberet, Käsbêrt hochdeutsch lauten; das alte beren, bören schlagen, breitschlagen, das sonst nur mehr urkundlich vorkommt, steckt darin. Ich führe hier die echt alem. Käsknöpflein (Spätzlein) an.

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Käswasser (257) kommt in Mynsinger's Vogel- und Pferdebuch in seiner eigentlichen Bedeutung mehrmals vor als Hundätze: „und zum ersten sol man in geben zu essen Käswasser mit Milich." ,,Disen edlen wind sol man mer ätzen mit Milich, dann mit Käswasser“ (S. 91, 92). Die bildliche Bedeutung in der herkömmlichen Redensart es kommt selten etwas Besseres nach dem Käswasser kennt auch Conlin in der verwitibten Närrin.

Sp. 251 wäre der terminus technicus Käsegährung einzuschalten; sie tritt ein, wenn die Flüssigkeit durch Pressen entfernt und die Einsalzung und Warmlegung zum Austrocknen vor sich gegangen ist. (Leuchs, allgem. Waarenlexicon I, 613, Nürnberg 1826). Dort sind auch die beliebtesten alten und neuen Käse aufgezählt.

Ich füge noch bei den „faulen, schäffin käs", den das alem. Fischbüchlein von Mangolt (17. Jhd.) als Kerder gebraucht. Im 15. Jhd. scheinenauf vorarlbergischem Grund und Boden die Wertkäse in der Volkssprache gebraucht worden zu sein (1427). Urkd. b. Joller, Progr. S. 111. In Staindl's bairischem, aber in Dilingen gedrucktem Kochbuch, Bl. 30 b, erscheint „ein guter windischer Käs oder sonst ein guter Käs".

Zu Kasten und seinen Compos. Ein beliebter Ausspruch in Urkunden und Kinderreimen für Behälter von Esswaaren, in welcher Form immer ist ,,Speicher und Kästen", Kisten und Kästen. Eine Urkd. v. 1390, Mon. Zoll. I, S. 293: „usser unserm spicher und kasten dryssig malter guter vesen gaben." S. 305 (1392): „2 malter roggen usser unserm spicher und kasten." Beide Worte besagen dasselbe nach altem, echtem, rechtsalterthümlichem, poetischem Gebrauche. Conlin sagt: „es schimmret alles an ihm: Kisten und Kästen sind voll." Uralt ist der Kasten für Brotbehälter. Zu Sp. 264. i. a gehört darum der Kinderreim:

Lirum, Larum, Löffelstil,

Die alten Weiber fresset vil;

Die junga müesset fasta:

's Braot leit im Kasta,

's Meahl leit im Daubahaus u. s. w.

Sieh mein Kinderb. „Nimm mich mit!" (S. 24.)

Als Behälter von Kleinoden gibt das alte Lied einen Beleg:
(256, 3) Leg es (das Ringlein) du in deinen Kasten,
Lass es ligen, lass es ruhen, lass es rasten,

Bis an den jüngsten Tag.

Bettkästen am Oberrhein, truhenartige Winkel mit Oeffnung; altes Herkommen. (Baar.)

Archiv f. n. Sprachen. XLI.

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