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Programmenschau.

Dir. Dr. O. Frick: Ausgeführter Lehr-Plan für den deutschen Unterricht. Burg. Progr. Ost. 1867.

Von der Praxis ausgehend, bezweckt die vorliegende Abhandlung eine vollständige Uebersicht für den deutschen Unterricht des Gymnasiums zu geben, welche neben einer möglichst objectiven Haltung auch das subjective Element nicht unberücksichtigt lassen will. Dieser Absicht gemäss schliesst sich der Lehrplan in seinem ersten Theile, den „leitenden Grund - Anschauungen," nicht selten den hervorragendsten Vertretern dieser Disciplin an. p. III. IV.

Als die Hauptaufgabe des deutschen Unterrichtes stellt der Verf. mit Schaub die hin, unsere angeborene Sprachkraft naturgemäss zu vergrössern. Den übrigen Disciplinen gegenüber soll derselbe ein Hauptmittel der Concentration des gesammten Unterrichtes sein; in der Behandlung ist ausser der Arbeit auch der unmittelbare Genuss mehr als in den übrigen Lectionen zu erstreben.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird 1. Berücksichtigung der Grammatik, 2. Lektüre deutscher Schriftwerke, 3. Uebung im mündlichen und 4. Uebung im schriftlichen Gebrauch der Sprache empfohlen.

ad 1. verwirft Verf. eine systematische Behandlung der Grammatik, ohne aber einer gelegentlichen oder gar vollständig planlosen Einübung derselben za buldigen. Er will eine aus der Anschauung der fremden, besonders der lateinischen Sprache gewonnene und verdeutlichte Aneignung derselben. Er halt eine wissenschaftliche Erörterung der Flexion, eine Theorie der Wortbildung u. dgl. m. für unpassend oder schädlich. Nur in der Satzlehre erlaubt er eine vom Lateinischen weniger abhängige praktische Betrachtungsweise. — Eine eigentliche Rhetorik, Poetik und Metrik darf nicht gelehrt werden; die gebrauchlichsten Tropen, Figuren, die Arten der Periode, die hauptsächhichsten Kunstformen der prosaischen Darlegung, sowie die Hauptgattungen der poetischen Darstellung und die vorzüglichsten Versmasse sollen die Schüler durch die Anschauung, durch Memoriren von Mustersätzen oder bei Gelegenheit der deutschen Lektüre kennen lernen. Das Altdeutsche ist jetzt wenigstens noch nicht als Unterrichtsgegenstand aufzunehmen. Um Uebereinstimmung des Verfahrens unter den einzelnen Lehrern in der Lehre der Orthographie, Interpunktion u. s. w. zu ermöglichen, ist die Einführung und Benutzung desselben Leitfadens rathsam. (Wendt, Grundriss der deutschen Satzlehre; Hoffmann, Rhetorik.) p. IV. VI.

ad 2. bemerkt der Verf., dass ein lautes, deutliches und sinngemässes Lesen in den Stunden selbst zu lehren sei, um die Schüler fähig zu machen, aus ihrer gesammten Lektüre den rechten Gewinn zu ziehen. Was das Material der Klassenlektüre anlangt, so ist bis zur Tertia das eingeführte Lesebuch massgebend. Bei der Auswahl der einzelnen Stücke muss der Gesichtspunkt der Concentration des Unterrichtes, das Fortschreiten vom Leichteren zum Schwereren und angemessene Abwechselung leitend sein. Um die Schüler zugleich in das Verständniss und die Bedeutung der National-Literatur überzuführen, sollen sie sich von Anfang an bestimmte Gedichte, deren wirklich nationaler Gehalt anerkannt ist, aneignen. In Secunda und Prima müssen sich die Schüler mit den hervorragendsten Schriftwerken selbst bekannt und vertraut machen. Die eingehendere Betrachtung einzelner Dichtungen muss in diesen Klassen gleichfalls zwischen einer ästhetisirenden Manier und dem Vertrauen, die Poesie rein an sich wirken zu lassen, die Mitte halten und dem Schüler bei hinreichender Selbstthätigkeit einen tieferen Genuss zu schaffen suchen. 'Privatim muss ein Cyclus von Werken, deren Kenntniss wünschenswerth ist, gelesen und durch die schriftlichen oder mündlichen Uebungen von dem Lehrer controlirt werden. Zur Ueberwachung der häuslichen Lektüre sollen auch die Schüler - Bibliotheken dienen, indem sie, mit specieller Rücksicht auf die Bedürfnisse der einzelnen Abtheilungen angelegt, in getrennten Klassen-Bibliotheken das wirklich Taugliche enthalten. Verf. stellt dann einen solchen Kanon für alle Klassen auf. p. VI-XII.

Um den Schüler 3. im mündlichen Gebrauch der Sprache zu üben, empfiehlt der Verf. im Ganzen mehr Recitationen als Declamationen: lautes Lesen, zusammenhängendes Sprechen, Memoriren klassischer Prosa und Dichtung, Relation des Gelesenen, und ausführliche Beantwortung präzis gestellter Fragen sollen die Mittel sein, das Sprechorgan auszubilden, sowie die Auffassungs- und Darstellungsgabe zu erhöhen. p. XIII.

ad 4. Die schriftlichen Arbeiten sollen 1. stilistisch - grammatische und 2. Aufsätze sein. In den unteren Klassen müssen jene, in den oberen diese vorwiegen, in den mittleren beide Arten gleichmässig betrieben werden. Die Themata zu Aufsätzen sind den individuellen Zuständen der Klassen anzupassen, dürfen aber im Allgemeinen nur solche Anforderungen enthalten, denen ein jeder Schüler entsprechen kann, d h. es müssen Reproductionen und nicht Productionen verlangt werden. Alle Aufgaben, zu deren Beantwortung und Lösung die Lecture der alten Klassiker oder der übrige Unterricht keine Veranlassung bietet, sind daher von Uebel; man fordere also nicht rein moralisirende, kritische oder ästhetische Raisonnements, sondern Erzählungen, Beschreibungen, Recapitulationen und (in Prima) Entwicklung leichterer Begriffe, und lasse die Schüler innerhalb eines Semesters vom Leichteren zum Schwererern fortschreiten. Die Disposition ist dem Aufsatze stets vorzusetzen und im Texte selbst anzudeuten. Bei der Beurtheilung kommt vorzugsweise der Inhalt und die Art, wie der Schüler seine Gedanken wiedergiebt, in Betracht, während selbst die unvollkommene Form, wenn sie nur Mühe und Sorgfalt verräth, mit Nachsicht zu behandeln ist. Von orthographischen, grammatischen oder Interpunktions-Fehlern haben die Schüler eine Correctur zu liefern. Die mündliche Besprechung der Arbeiten erfolgt erst nach Zurückgabe der Hefte an die Schüler summarisch und nach übersichtlicher Zusammenstellung der Fehler. p. XIV-XVII.

Es folgt II. der Lehr Plan. Sämmtliche Klassen des Gymnasiums sind auf die Unterstufe (Sexta und Quinta), Mittelstufe (Quarta und Tertia) und die Oberstufe (Secunda und Prima) vertheilt. Die in den Vorbemerkungen niedergelegte Grundanschauung ist hier für jede Klasse nach den oben besprochenen vier verschiedenen Seiten des deutschen Unterrichtes detaillirt. Die Grammatik wird in der Unter- und Mittelstufe absolvirt; in Secunda wird das Wesen der epischen und dramatischen Poesie, von der Prosadarlegung die Beschreibung und die Chrie erläutert; in Prima wird ein kurzer

Ueberblick der literarischen Entwicklung des deutschen Volkes gegeben und von den Kunstformen der Prosa die divisio, partitio, inventio, definitio und die Abhandlung erklärt. Die Lectüre wird nach dem jedesmaligen Pensum geregelt. Ebenso schliessen sich die schriftlichen Arbeiten an das Durchgenommene oder Gelesene an. p. XVII-XXVII.

Diesem zweiten Theile sind drei Anmerkungen zur Methodik hinzugefügt, die im Allgemeinen auf die leitenden Gedanken zurückgehen, im Besondern aber noch vortreffliche Winke für einen Lehrer des Deutschen enthalten. Ueberhaupt kann Referent diesen Entwurf eines Lehrplanes für den deutschen Unterricht allen Lehrern dieser Disciplin als eine glückliche Lösung der Frage, wie das Deutsche auf den Gymnasien zu behandeln, nur dringend empfehlen. Er selbst ist dem Verf., seinem früheren Lehrer und Erzieher, auch für diese Arbeit zu vielem Danke verpflichtet.

Dr. Heller.

De l'H initiale dans la langue d'oil, von Dr. Süpfle, im Osterprogramm 1867 des Gothaer Gymnasiums.

Der Verfasser spricht zunächst über das lateinische h. Nach Quintilian I, 5, 20 waren die Römer der älteren Zeit sparsam im Gebrauche desselben, Catull aber c. LXXXIV spottet über die unnütze Verwendung dieses Buchstaben. Neuere Untersuchungen indess bestätigen nicht Quintilian's Meinung. Die Aspiration, die sehr alt ist bei den Römern, wurde vielmehr später angewiss und verschwand im Anlaut bei den Gebildeten der Hauptstadt. Zu August's Zeiten waren die Grammatiker über viele Worte uneinig: Ende des vierten und Anfang des fünften Jahrhunderts zeigen die Inschriften, dass das h im An- und Inlaut verschwunden ist. Daneben freilich läuft ein parasitischer Gebrauch desselben her. Ursprünglich stark aspirirt, hat es sich spater abgeschwächt, wiewohl es auch da noch stärker blieb, als der spiri

tus asper.

Dieser im spätern Latein so kraftlose Buchstabe ist nun in die Sprache der Gallier als einfach nur orthographisches Zeichen übergegangen. Fast alle latein. h sind im Altfranzösischen ohne Aspiration, oft fehlt selbst das Zeichen, manchmal noch heute (on, avoir, or, orge). Gebildete Schreiber setzten dies etymologische h, ungebildete liessen es weg. Weil es eben so nichtsbedeutend war, setzte man es auch vor im Latein. nicht aspirirte Worte, welches unorganische h die spätere Sprache unterdrückt, aber nicht ganz aasgerottet hat (huître, ostria). In einigen griechischen und hebräischen Worten hat es sich vor i, e, y bei folgendem Vokal in j verwandelt (jerarchie, hiérarchie).

Die aspirirten h im Anfange nicht lateinischer Worte, die sich in älteren franz. Denkmälern finden, sind dem Einflusse der deutschen Dialekte zuzuschreiben. Einige Zeit hat es natürlich gekostet, ehe das Französische sich an diesen neuen Klang gewöhnte, aber dann wurde es bis in das sechzehnte Jahrhundert so stark aspirirt gesprochen, wie im Deutschen oder Englischen dieser Epoche.

Manches h aspirée ist seitdem wieder stumm geworden. Hierauf giebt der Verfasser eine Liste der aspirirten Worte nach Palsgrave und Bize.

Nur in wenigen Worten lateinischen oder griechischen Ursprungs wurde es aspirirt. In haltères (ahouai), harpie, héros wollten Gelehrte den spirit. asper durch Aspiration wiedergeben. Andere, die im Lateinischen nicht aspirirt sind, sind es im Französischen, weil das entsprechende deutsche Wort aspirirt ist: haut (altus, ahd. hôch), haveron (avena, habaro), hurler, huppe. Oft ist die Aspiration vor lateinischen und anderen Worten, die eine gewisse Anstrengung ausdrücken, z. B. haleter, hennir, hucher; und bei Inter

jectionen, die im Altfranzösischen durchgängig aspirirt waren. In der Regel findet sich das h aspirée in Wortep, welche aus dem Deutschen entlehnt sind, bei denen ein Vokal auf das h folgte.

Zuletzt spricht der Verfasser über das deutsche h. Es vertauscht sich im Deutschen nicht, wie in andern Sprachen mit fund s. Das altfr. ch wird im Altdeutschen durch h vertreten. In der karolingischen Epoche wich diese Aspiration dem deutschen h. Im Ahd. findet man auch hl, bn, hr, hw, wo es nicht ch lautete, sondern h. Doch die Beweglichkeit, die diesem Buchstaben eigenthümlich ist, hat Anomalien veranlasst im Ahd. Es war im Deutschen eine stärkere Aspiration, als im Lateinischen.

Der Verfasser verspricht in einem zweiten Theile von diesem Resultate auf die aus dem Deutschen entlehnten französischen Worte die Anwendung zu machen und über das h in den verschiedenen Dialekten der langue d'oil zu reden.

Berlin.

Dr. O. Weissenfels.

Miscelle n.

Deutsche Nova.

Hochortig angestellte Hilfslehrer. Programm des Kleinseitner Gymnasiums. Prag 1865. p. 11.

Der erstere wurde vom Staatsministerium über sein eigenes Ansuchen an das Gratzer Gymnasium übersetzt. Programm des Staatsgymnasiums zu Hermannstadt 1865. p. 34.

Verzeichniss der im Studienjahre erflossenen wichtigeren Verordnungen. Programm des Gymnasiums zu den Schotten in Wien 1865. p. 90.

Betheilung mit Kleidern, Lehrbüchern und Schreibrequisiten. Programm des Gymnasiums zu Marburg in Steiermark 1865. p. 65.

Der Gymnasiallehrer Mihrens wurde über sein Ansuchen an das Linzer Gymnasium übersetzt. Daselbst S. 68.

Immer grüne Lebensfreudigkeit und Gutmüthigkeit bildeten den Grundton seines Wesens, welches eine Horazische Lebens-Philosophie durchgeisterte. Das. S. 82.

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Literarhistorisches.

Ungefähr a. 1545 oder 1546 hat Diethelm Keller, Burger in Zürich, ein, Keyserbuch geschrieben, wahrscheinlich bei Grüninger in Strassburg herausgegeben (mein Exemplar entbehrt des Titelblattes), das ein schönes, mit Alemannischem untermischtes Hochdeutsch bietet.

S. 680 heisst es: „Under seiner herrschung (Hercules Estensis) ist under anderen unzalbaren gleerten fürbündigen menneren, auch Ludwig Ariostus mit herrlichem schein herfürgebrochen, der ein zierd ist under allen italienischen poeten und dichteren."

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Zum Volksbuch der Melusine" berichtet Diethelm Keller S. 525 Folgendes: dass man aber erdicht hatt die Mellusina sey ein halber track gewesen, wirdt villicht nit ungereimpt sein, ob man es gleich dem laachsnen (zaubern) zugibt, darinn sy gar wol bericht und erfaren gewesen ist; wie dann auch zu denselbigen zeyten die schwarzkunst und zauberey gar gemeyn was. oder dass sy villicht ein sömlich (gleichaussehend) thier für ein waapen gefürt hat.“

Beifügen will ich noch, was er S. 346 über die bekannte deutsche Sitte sagt, die uns schon Tacitus bestätigt diem noctemque continuare potando (ep. XXII, Germ.). ,,Magnentius der kayser hat auff ein zeyt den knächten ein maal geben, das von dem morgen hin bis zur vesperzeit gewärt hat nach gemeinem brauch desselbigen deutschen volks."

Birlinger.

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