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leibliche Not. Er ist durchaus gewillt, allein für sich zu sorgen, keiner Kirche zur Last zu fallen. Hier aber macht er eine Ausnahme, eine dauernde Ausnahme, Philippi durfte ihm mit Geld beistehen. Gewiss hat diese Gemeinde wolhabendere Mitglieder gehabt, die doch nicht nur Geld sondern auch warme christliche Herzen besassen. Er hat ihre Liebesgabe schon manchmal erhalten und genossen, besonders genossen als Zeichen ihrer Hingabe und ihrer Teilnahme an dem Geist Christi.

Es ist natürlich nicht anzunehmen, dass Paulus in den uns erhaltenen Briefen genaue Rechenschaft über die ihm von den Philippern gewährten Hilfeleistungen ablegt. Doch vier Fälle finden wir erwähnt. Zweimal haben sie ihm nach Thessalonika notwendige Hilfe geschickt. Diese Stadt war im Vergleich nah, wenn sie auch nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft lag. Später dehnten sie ihre Güte bis nach Korinth aus. Unsern Brief schulden wir dem Umstand, dass sie einen Boten mit ihren Gaben sogar bis nach Rom hin gesendet hatten. Sonderbar erscheint es, dass Paulus in Rom Geld nötig hatte. Der Grund mag einerseits darin gelegen haben, dass reiche Kreise noch nicht in grossem Mass zum Christentum bekehrt worden waren. Wir sehen später, dass Rom überall hin Gaben spendete. Andererseits mag die eifersüchtige Haltung der römischen Führer, es Paulus und seinen alten Freunden haben wünschenswert erscheinen lassen, ihn in Geldsachen unabhängig zu erhalten. Seine Spesen als Gefangener in eigener Wohnung mögen höher als sonst gewesen sein und er wird unter solchen Umständen nicht haben arbeiten und verdienen können.

Ich neige zu der durchaus nicht zu belegenden Meinung, dass dieser Brief, erst nachdem Paulus längere Zeit in Rom gewesen ist, etwa gegen Ende des Jahrs 58 geschrieben wurde. Ist diese Annahme richtig, so hatte die philippische Gemeinde schon zehn Jahre hindurch dieses Verhältnis und ihre Liebestätigkeit fortgesetzt. Es ist nicht denkbar, dass Paulus nicht schon öfters an sie geschrieben hat; vgl. oben, S. 117. Der Grund für die Erhaltung gerade dieses Schreibens lag vielleicht darin, dass es aus der Welthauptstadt kam. Es kann aber auch der längste und bedeutendste der Briefe von ihm, oder etwa der letzte, den sie von ihm empfangen haben, sein. Ich möchte den Umstand betonen, dass, obschon man an grösseren Reichtum der Gemeinde in Philippi denken muss, es keine Zeichen im Brief gibt, dass die Hilfeleistung irgend wie als Tat einzelner mit Gütern gesegneten Mitglieder angesehen wurde. Paulus dankte der Gemeinde.

Paulus schreibt an die Philipper, um ihnen durch ihren eigenen Boten zuerst herzlich zu danken, und sodann um Nachricht über

sich und über den freien Lauf der Frohbotschaft Christi zu geben. Dass er nebenbei zur Einigkeit und zur rechten geistigen Beschneidung mahnt, ist nicht Hauptzweck des Schreibens. Er konnte kaum an sie schreiben, ohne ihnen irgend einen guten Rat mitzugeben. Der Inhalt des gerade hier erteilten Rats hängt von den Erzählungen des Epaphroditus, wenn nicht etwa von einem nicht erwähnten durch Epaphroditus mitgebrachten Brief ab.

Echtheit.

Wie der Kolosser-, Epheser-, und Philemonbrief, so ist auch der Philipperbrief selbstverständlich von der Tübinger Schule und von ähnlichen Forschern als unecht bezeichnet, und dem zweiten Jahrhundert, sowie einem vereinigend wirken wollenden Schriftsteller zugewiesen worden. Die Versuche Gnostisches darin zu finden, sind für uns, nachdem wir es nicht einmal im Kolosserbrief oder im Epheserbrief gefunden haben, durchaus nichtssagend. Wir wissen ebenfalls von keiner Veranlassung für jene erdichtete Vereinigungstätigkeit. Ein Fälscher hätte Wichtigeres zu tun gehabt, als einen so wenig Auffallendes bringenden Brief zu verfassen. Zweck der Fälschung eines solchen Schreibens könnte höchstens eine Schmeichelei für die Philipper sein, etwa als geschickte Empfehlung für irgend einen Wanderprediger, der in Philippi gut ankommen und sich dort niederlassen wollte. Keine Erklärung für das Vorhandensein dieses Briefs kann der Annahme seiner Echtheit gleichkommen.

Wir haben in dem Brief des Polykarp an die Philipper eine Anknüpfung der philippischen Kirche an die Literatur des zweiten Jahrhunderts. Mir scheint es in hohem Grad unvernünftig vorauszusetzen, dass die Philipper im Jahr sagen wir 120 eine klare und glaubwürdige Überlieferung, die sechzig Jahre zurückreichte, nicht hatten und nicht pflegten. Wir schreiben jetzt 1908. Wie viele Menschen leben heute noch, deren Gedächtnis bis zum Jahr 1848 zurückreicht! Und wie viele werden noch lange leben, die durch Andere genaue Kunde über 1848 und über viel frühere Jahre erhalten haben!

Gregory, Einleitung in das N. T

46

1, 1

4.

Jakobus.

Anordnung.

Gruss des Jakobus an die zwölf Stämme in der Diaspora, und sofort

1, 2-4 die Ermahnung zur Geduld bei der Ver

suchung und
+

5-8 zum gläubigen Gebet in jeder Not.

9-11 Arme und Reiche sind gleich zu achten.

12-15 gesegnet ist der, der der Versuchung widersteht.

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16-18 Gottes Güte ist die Quelle alles Guten.

19-27 man soll die Tugenden pflegen, besonders Selbstbeherrschung und Gehorsam.

27 Zunge +

27 θρησκία +

2, 1-13 Arme und Reiche sind gleich zu achten,

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3, 1-12 die Wichtigkeit der Pflege des Worts, der

Beherrschung der Zunge.

13-18 Weisheit, die ,,himmlische", zeigt sich im

Wandel.+

4, 1-12 Notwendigkeit der Tugendpflege, der Selbst4,6b Bescheidenheit

beherrschung

13-17 der Gottergebenheit. 4,16 Bescheidenheit 5, 1-6 die Reichen sollen sich der Armen erbarmen

5,5 Bescheidenheit 7-11 und Alle in Geduld der Parusie harren.

12

kein Falscheid soll geschworen werden.

13-20 praktischer Rat.

Der Brief will das richtige, wirkliche Christsein vom falschen Christsein unterscheiden. Zu diesem Zweck drängt er auf die Wichtigkeit des Tuns. Die Taten bezeugen den Glauben. Die Versuchung will zu schlechten Taten führen, während die Frömmigkeit aus den richtigen Taten besteht. Die Taten bekunden die Weisheit besser als die Zunge sie bekunden kann. Die Zunge hat eine besonders gefährliche Tätigkeit. In seinen Taten soll der Christ keine Rücksicht auf Personen nehmen. Die guten Taten der Christen finden ihren Lohn bei der Wiederkunft Christi.

Verhältnis zu Früherem.

Die schlichte, praktische Art dieses Briefs passt recht gut zu der Einfachheit des synoptischen Jesus, und erinnert verschiedentlich an seine Worte und Taten, wenn er auch nur zweimal genannt wird. Irgend etwas besonders Pharisäisches ist nicht zu bemerken. Das Alte Testament ist durch sechs Anspielungen auf Hiob, so wie eine auf die Sprüche vertreten. Die apokryphische Literatur erscheint in etwa fünfzehn Hinweisungen auf Jesus Sirach und in fünf auf das Buch der Weisheit.

Die wahrscheinlichen Berührungen mit dem 1 Petrus-Brief sind bei dem geringen Umfang der zwei Schriften nicht ohne Bedeutung, und der Jakobus-Brief ist der benutzende Teil.

Der Hebräer-Brief ist auch dem Verfasser bekannt gewesen. Es ist durchaus nicht tunlich, den Brief als besonders gegen die paulinische Lehre in Bezug auf den Glauben gerichtet zu denken. Die Besprechung der Genesis-Stelle in Jak 2, 23 (21-23) hat keine Paulo feindliche Spitze. Der Verfasser spielt mit den Worten auf jüdische Weise, ohne Rücksicht auf genaue Dialektik. Die Ausdrücke darin, die man paulinisch nennt, sind ebensowenig paulinisch wie die im ersten Petrus-Brief so bezeichneten. Die Notwendigkeit des Glaubens erhellt nirgendwo deutlicher als in diesem Brief. Nur muss dieser wichtige Glaube durch die Werke fest belegt werden.

Die Zeitlage.

Das Christentum, das dieser Brief uns vorträgt, ist ein unentwickeltes, dem Christentum der paulinischen Briefe gegenüber. Die Reichen bedrücken die Armen auch in dem Fall, dass beide den. Christennamen führen. Die Gemeinden bestehen zum grössten Teil aus Armen. Die Presbyter sind die alten einfachen Gemeindevorsteher, obschon Jakobus selbst in Jerusalem, freilich nicht in modernem Sinn, ein Einzelbischof war. Vielleicht blieb er lange der einzige Einzelbischof. Die Lehre im Brief ist ganz schlicht, einfach. Die einzige mehr mystische Bemerkung, 1, 18, beruht auf dem λóyo aλndrias. Das Wort des Herrn ist die Hauptsache.

Das Hauptziel des Verfassers ist die Erwartung der nahen Wiederkunft des Herrn als eines Richters und als eines herrlichen Königs. Beziehungen auf Beschneidung und auf das Gesetz fehlen, sind auch nicht zu erwarten. Der Verfasser hat keine Veranlassung diese Fragen zu berühren. Der sogenannte „Apostelkonvent" hat nach der Meinung der Urapostel die Sache endgiltig geregelt. Nur soll kein Mensch jenen Konvent mit einer modernen. gesetzgebenden Körperschaft verwechseln. Für jüdische Kreise gibt es keinen Zweifel über Beschneidung und Gesetz. Der Name Christ ist wahrscheinlich nicht jünger als diese Schrift, auch wenn 2, 7 nicht sicherlich darauf hinweist. Das Salben mit Öl ist im Allgemeinen ein Zeichen hohen Alters.

Empfänger.

Nirgends in diesem Brief finden wir eine Hinweisung auf die Zustände in einer einzelnen Gemeinde. Jede Bemerkung, die so gedeutet worden ist, hat eine völlig allgemeine Anwendung, die die zunächstliegende ist. Der Verfasser schreibt an die zwölf Stämme in der Zerstreuung, in der Diaspora. Dass der Verfasser, wie vorgeschlagen worden ist, als Jude an die noch nicht vom Christentum berührten Juden in der Diaspora schreibt, scheint mir völlig undenkbar. Doch finde ich andrerseits keinen Grund anzunehmen, dass Jakobus unter den zwölf Stämmen, die die Kirche bedeuten, auch das Heidentum mitverstanden wissen wollte. Der in den zwei letzten Sätzen liegende Widerspruch löst sich durch die Beobachtung, dass der Verfasser bei allem Christsein noch guter Jude ist. Er wendet sich an Christen. Allein er ist der Ansicht, dass das Christentum hauptsächlich aus Juden besteht und bestehen soll, wenn er auch nicht gewillt ist, die Heiden überhaupt vom Christentum auszuschliessen. Will jemand von diesen Beobachtungen aus, den Brief noch zeitiger, etwa vor den Korintherbriefen ansetzen, so will ich dem nicht widersprechen. Die Leser sind Leute, die selbstverständlich als Christen das Gesetz noch beobachten. Die Zustände in den Gemeinden waren danach. Die Reichen, ob innerhalb oder ausserhalb der eigentlichen Gemeinden, das heisst, ob nur jüdische oder ob judenchristliche Genossen, verfuhren gegen die Armen ohne Rücksicht auf die Bruderliebe, die in Christo nötig war, und scheuten sich nicht davor zurück, sie vor die Synagoge zu ziehen.

Man meinte durch Vielreden, durch Wortstreitigkeiten sich hervorzutun. Lehrmeinungen oder gar Lehrkämpfe, kommen hier gar nicht zum Vorschein. Die Hauptsache im Christentum ist die Fürsorge für sozial Leidende, für Arme oder für Kranke.

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