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den Wänden eingemeisselt, und, wie wir wissen, auf mannigfachen, ausgebildeten Musikinstrumenten musizirt hatte. Die dreieckige Harfe, welche die Phöniker Kinnor nannten, kann von der assyrischen wie von der ägyptischen gleich gestalteten herrühren. Sie wurde auch für die Phöniker ein Hauptinstrument1), das Geschlecht der Kinyraden bei dem Tempel der phönikischen AscheraAphrodite in Kypern hat von ihr den Namen. Der mythische Ahn Kinyras ist ein wunderbar schöner Harfner, Aphroditens Zögling, Liebling und Priester, in ihrem Tempel noch nach dem Tode, der ihn nach 160 Jahre langem Leben erreichte, eine Ruhestätte findend, märchenhaft reich an Besitz, König von Kypern, weichlich, salbenduftend, wie es Aphroditens Schützling ziemt, Erfinder der klagenden Gesänge um Adonis, der Adoniasmen, so trefflich als Sänger, dass er mit Apollon zu wetteifern wagt. Seine phönikische Abstammung zeigt er als Begründer der Wollenweberei und des Metallschmelzens auf Kypern. 2) Der thasische Herakles, d. i. der Melkarth, ist, wie Apollon, ein Lyraspieler und Bogenschütze, merklich verschieden vom keulenbewehrten griechischen Herakles. Wie aber jede höchste entzückende Erregung des sinnlichen Lebens endlich auf den geheimnissvollen Punkt kommt, wo sie in Schmerz umschlägt, so ist es für diese Tempelmusik bezeichnend, dass sie einen Charakter schmerzlicher Klage gehabt haben muss, denn die Griechen, welche nach dem phönikischen Kinnor ihre Harfe zuvúga nannten, bildeten darnach das Zeitwort zuviqouat, welches die Bedeutung des Jammerns, des schmerzlichen Klagens ausdrückt. 3) Nach dem Zeugniss Sopater's war auch die Nabla eine phönikische Erfindung, er nennt sie ,,sidonisch" (dáriov váßha)4), ebenso, nach Juba, die Dreieckharfe (Tolywvov). War die Harfe das Tempelinstrument der Göttin entfesselter Sinnenlust (welche dann bei den Alles veredelnden Griechen als die "goldene Aphrodite" eine ganz andere Gestalt wurde), so ist es natürlich, dass sie auch den luxuriösen Festen und Gelagen u. s. w. nicht fehlte, denen die Phöniker als reiche Kaufleute gewiss nicht abgeneigt waren. Wenigstens drohte Ezechiel im Namen des Herrn der Stadt Tyrus: „ich will ein Ende machen der Menge deiner Gesänge, und der Klang deiner Harfen soll nicht mehr gehört werden." Da an den Aschera

1) Julius Pollux nennt IV. 9, bei Aufzählung der Saiteninstrumente auch eines,,Phönix" und ein anderes,,Lyrophönikien", ohne sie näher zu schildern. Die Namen deuten auf phönikischen Ursprung.

2) Vergl. Preller, griech. Mythologie, II. Bd. S. 225.

3) Die Araber nennen die Harfe Kinnin und eine Guitarre „Kinnarè" (de la Borde, essai, Bd. I. S. 197), worin das gleiche Stammwort zu erkennen ist.

4) Citirt bei Athenäus, IV. 77.

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tempeln Hierodulen, Kedeschen, d. i. Tempeldienerinnen, in grosser Zahl der Göttin dienten, wie es ihr angenehm war, so war die Harfe von dorther das Instrument der Buhldirnen, noch in Grieland wurde das Trigonon (die Harfe) vorzüglich von den asiatischen Hetairen gespielt. 1) „Nimm Deine Harfe, zieh durch die Stadt, vergessene Buhlerin", ruft Jesaias Tyrus zu, „rühre die Saiten, singe Deine Lieder, dass man Dein gedenke!" 2) Noch zur römischen Kaiserzeit standen die phönikischen und syrischen Musikantinnen, die Flötenbläserinnen, die Ambubajarum collegia (welche den Verlust des lüderlichen Tigellius so sehr beklagen) 3), wegen ihres Lebenswandels in sehr üblem Rufe. Juvenal beklagt sich, dass der syrische Orontes in die Tiber fliessend, Pfeifen und Pauken und schiefe Saiten (der Harfe) mitgebracht, und verweist alle welche Barbarendirnen in bunten Mützen lieben", an die Mädchen, die sich am Circus feilhalten." 4). Neben solchen Chören trieben sich jene Halbmänner umher, jene Gallen, die als Diener der Astarte bei dem Schalle der Pfeifen, Cymbeln, Pauken und Klappern die Strassen durchzogen, sich mit Schwertern schnitten. und mit Geisseln blutig schlugen. 5) Wenn im Frühjahre in dem syrischen Hierapolis das grosse Feuerfest der Astarte gefeiert wurde, dann half der Klang einer lärmenden Musik von Doppelpfeifen, Cymbeln und Pauken die fanatische Raserei auf ihren Gipfel treiben, dass sich die Jünglinge mit dem Schwerte verstümmelten. 6) Bei diesem Volke, dessen Götterdienst wahnsinnig aufgeregte Sinnlichkeit war, sank die Musik von der Himmelstochter selbst auch zur wahnsinnig aufgeregten Buhldirne herab, bei keinem anderen Volke, zu keiner anderen Zeit ist ihr gleiche Schmach widerfahren. Darum war betäubender Lärm ihr wesentlicher Charakter. Selbst die Flöte wurde von den Syrern wild und kräftig geblasen. 7) Strabo erzählt, dass Marc Anton phönikische Weiber mitbrachte, welche um den Altar liefen und Cymbeln schlugen. 8) Auch Lucius Verus führte, nach der Erzählung des Capitolinus, syrische Musikanten mit ihren Saiteninstrumenten

1) S. Hermann Weiss, Kostümkunde, S. 901.
2) Jesaia, XXIII.

hoc genus omne.

3) Horaz, Sat. II. Ambubajarum collegia
Hier heisst genus" so viel als ,,Zeug" oder „Gelichter".
4) Juv. Sat. III. v. 62:

Jam pridem Syrus in Tiberim defluxit Orontes
Et linguam et mores et cum tibicine chordas
Obliquas nec non gentilia tympana secum
Vexit, et ad Circum jussas prostare puellas,
Ite, quibus grata est picta luba barbara mitra.

5) Movers, Relig. d. Phön. I. S. 681.

6) Lucian, de Dea Syria.

7) Θρασύ τι καὶ εὔτολμον ἐμπνεῖν δοκέουσι. Pollux IV. 11.
8) Strabo, X.

und Flöten nach Rom. Spezifisch syrisch war jene Flötenmusik, womit man Adonis den getödteten, gesuchten und wiederauflebenden feierte und die in Syrien Abobas, in Kypern Gingras hiess, daher letzteres Wort auch zu einem Beinamen des Adonis selbst wurde.1) Diesen Gingrasflöten waren nach Pollux auch die karischen Pfeifen sehr ähnlich2), und Athenäus bestätigt, dass sie von den Karern bei Klaggesängen (Jonvois) gebraucht wurden. 3) Ihr Ton war scharf und kläglich (dù xaì yoɛgór). Die Athener liebten die Gingrasflöten bei Mahlzeiten zu hören.) Ausserdem gab es in Phrygien eine kurze, dicke Flötengattung, genannt „Skytalia“ und „Elymasflöten“, deren Sophokles in seiner Niobe erwähnte. 5) Wie sich dem Babylonisch-Phönikischen verwandte Götterdienste durch ganz Kleinasien hinzogen, so wurde der schwärmende Naturcult der phrygischen Kybele, der Kappadokischen Ma u. s. w. mit ähnlicher orgiastisch lärmender Musik begleitet. Wir danken den römischen Dichtern einige sehr lebendige Beschreibungen. So bei Ovid:

Protinus inflexo Berecynthia tibia cornu
Flabit et Idaeae festa parentis erunt
Ibunt semimares et inania tympana tundent
Aëra tinnitus aere repulsa dabunt.")

Und bei Catullus: (LXIV. 261–264.)

Plangebant aliae proceris tympana palmis
Aut tereti tenues tinnitus aere ciebant
Multis raucisonos efflabant cornua bombos
Barbaraque horribili stridebat tibia cantu.

Denn bekanntlich war der heilige Stein von Pessinus, das Sinnbild der „grossen Mutter", im Jahre 204 v. Chr. auf Anordnung der sibyllinischen Bücher und mit ihm jener wilde Cultus nach Rom übertragen worden. Auch die griechischen Dichter besingen das schwärmende Fest der grossen Naturgöttin. „Zu deinem Feste", sang Pindar, sind die grossen Reifen der Cympeln da und die lodernde Fackel von gelbem Fichtenholz", auch Aeschylos schildert den Lärm der Flöte, den schmetternden Klang der ehernen Becken, die Nachahmung des Stiergebrülls, den Wiederhall der Trommel, der aus tiefer Kluft gleich unterirdischem Donner ertönet.7) Und Euripides lässt den Chor der Bacchen

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3) Athen., IV. 76.

4) Athen. (IV. 76), nach einer Stelle des Amphis. Auch Menander erwähnte ihrer (Menander in Carina).

5) Athen., IV. 77.

6) Fast., IV. v. 181.

7) Beide Stellen citirt von Strabo.

Die Trommeln ergreift! der Phryger und Mutter Rheas
Erfindung
denn Korybanten

ersannen den hautbespannten Reifen und legten
Mit phrygischer Flöten lieblich schallendem Ton

In Rheas Hand den Donner zum Festsang.')

Derlei Musik hat man sich mehr als das Durcheinanderlärmen stark tönender Instrumente, mehr als Getöse, als ein wildes Charivari, denn als wirkliche Musik vorzustellen, und wenn vielleicht auch die Flöten sämmtlich in irgend eine bekannte, orgiastische Weise, welche der eine Flötist begann, einstimmten, so bliesen doch die Hörner, dröhnten Trommeln und Cymbeln willkürlich darein. Aber der Ausdruck tiefen Schmerzes, der in diesen orientalischen Naturculten zwischen all' den tobenden Ausbrüchen einer wilden Begeisterung laut wird, fehlt auch bei den Phrygiern nicht. Insbesondere hatten sie einen ergreifenden Klagegesang, den Lityerses, welchen sie beim Schneiden des Korns sangen. Er soll zuerst gesungen worden sein, um Midas über den Tod seines Sohnes Lityerses zu trösten. Auch Hipponax gedenkt eines besonderen phrygischen Nomos, der auch wohl klagevoll gewesen ist, denn es werden sogar die phrygischen Flöten als „Klageflöten" (avioi Joηvηtizoí) bezeichnet.

Die Griechen fanden in den phrygischen Weisen, wie in den aus Phrygien stammenden Flöten, die Macht, Lust wie Schmerz bis zum orgiastischen Taumel aufzuregen. 2) Der Ton phrygischer Flöten war sehr klagevoll. 3) Nicht ferne von den Quellen des Mäander bei der phrygischen Stadt Kelänä lag der „Flötenbrunn" Aulokrene, ein See, aus dessen häufig wachsendem Schilfrohr4) die Flöten und Flötenmundstücke verfertigt wurden. Der angebliche Erfinder der Flöte und Flötenbläser Marsyas, der Gefährte Kybele's hatte eben dort in seiner Heimat Kelänä einen Localcult. 5) Er soll es zuerst verstanden haben, alle Töne der Pans

1) v. 55 und 120.

2) Aristot. Polit., VIII: ἔχει γὰρ τὴν αὐτὴν δύναμιν ἡ φρυγιστ τῶν ἁρμονιῶν, ἵνπερ αὐτὸς ἐν τοῖς ὀργάνοις· ἄμφω γὰρ ὀργιαστικὰ καὶ παθητικά.

3) Aristid. II. S. 101.

4) Derlei zufällig wachsendes Naturprodukt gab auch anderwärts Anlass zur Ausbildung ähnlicher Kunst, so in Böotien das Schilfrohr am See Kopais. Pindar Pyth. XII. Insgemein waren aber die phrygischen Flöten von Bux und hiessen vuos. (Poll. IV. 10.)

5) Apollod. I. 4. 2. Suidas, Diod. Sic. III. 58. Doch wird die Erfindung auch dem Hyagnis zugeschrieben, nach der Parischen Marmorchronik Ύαγνις ὁ Φρὺς αὐλοὺς πρῶτος εὗρεν ἐν Κελαιναῖς, πόλει τῆς Φρυγίας, καὶ τὴν ἁρμονίαν τὴν καλουμένην Φρυγιστὶ πρῶτος ηύλησε. Er soll in der 10. Epoche gelebt haben und ein Zeitgenosse des Athenischen Königs Erichthonius (1506 v. Chr.) gewesen sein. Suidas versetzt den Marsyas in die Zeit der Richter in Israel (τῶν Ἰουδαίων κριτῶν). Plutarch sagt (de mus.): Ύαγνιν πρῶτον αὐλῆσαι, εἶτα τὸν τούτου υἱὸν Μαρσύαν, εit "Оkvμлоν. Also eine förmliche Genealogie von Flötenbläsern, erst

pfeife auf einem einzigen Flötenrohre hervorzubringen. 1) In dem bekannten Mythus, dass er es wagt, mit seiner Flöte den kitharraspielenden Apollon zum Wettstreite herauszufordern, überwunden aber die schrecklichste Strafe erleiden muss, findet Bippart sinnig eine Erinnerung an den, wohl schon in uralter Zeit geschehenen Zusammenstoss, der ihrer Natur und der dabei angewandten Musik nach einander widerstreitenden Götterdienste des griechischen Apolloncultes und des phrygischen Kybelecultes. 2) Ein zweiter Mythus mit nicht schrecklichem, sondern komischem Ausgang, der den Vorzug der griechischen Kithara und ihren Sieg über die phrygische Hirtenmusik der Flöten feiert, ist die Erzählung, wie der Phrygier Midas, welcher Pan's Hirtenpfeife der Kithara Apollon's vorzog, von diesem zur Strafe Eselsohren erhielt, die er vergebens durch die hohe Phrygermütze zu verstecken suchte. Denn sein schwatzhafter Barbier murmelte das Geheimniss, das bei sich zu behalten über seine Kräfte ging, in eine Erdgrube, wo alsbald Schilf wuchs und beim Durchstreichen des Windes deutlich rauschte: „Midas hat Eselsohren!" 3) Orpheus, dem wir schon in Aegypten als einer mythischen Mittelsperson zur Vermittelung ägyptischer und griechischer Musik begegneten, tritt auch in dem zweiten Lande, aus dem die Griechen Anregung und Kunstübung für die Musik herüberholten, in Phrygien, auf. Er ist ein Gefährte, nach anderen sogar Lehrer jenes Midas.) Trotz aller Siege Apollon's über Pan und Marsyas kommt die phrygische Flötenmusik mit ihrem eigenthümlichen Melodien schon im 7. Jahrhunderte v. Chr. nach Griechenland. Olympos, der von Marsyas selbst das Flötenspiel gelernt haben sollte, wurde zum

Hyagnis, dann Marsyas, dann Olympos. Wenn Plutarch hier und wenn Apulejus (Florida) und Suidas dem Marsyas zu einem Sohne des Hyagnis machen, so ist er nach Hygin (Fab. 165) ein Sohn des Oeagros, nach Apollodor ein Sohn des Olympos. Nach Strabo (X. 3) haben Seilenos, Marsyas und Olympos zusammen (ovvάyovtes is ev) die Flöte erdacht oder doch eingeführt. In Aegypten waren aber die Flöten schon damals seit undenklichen Zeiten in allgemeinem Gebrauche. Dass der jüngere, historische Olympos mit dem älteren mythischen oft verwechselt oder zu einer und derselben Person gemacht wurde, ist sehr begreiflich. Doch unterscheidet Plutarch a. a. O. den älteren Olympos (Olvunos roбτos). Eben so Suidas den jüngeren Olympos als der Zeit des Königs Midas, Sohn des Gordius angehörig: Όλυμπος Φρὺς νεώτερος, αὐλητής γεγονώς ἐπὶ Μίδου τοῦ Γορδίου.

1) Diodor. III. 58: καὶ τῆς μὲν συνέσεως τεκμήριον λαμβάνουσι το μιμήσασθαι τοὺς φθόγγους τῆς πολυκαλάμου σύριγγος, καὶ μετενεγκεῖν ἐπὶ τοὺς αὐτοὺς τὴν ὅλην ἁρμονίαν. Die vielrohrige Syrinx soll Kybele selbst erfunden haben.

2) Bippart Philoxeni, Timothei, Telestis dithyrambographorum reliquiae. S. 85.

3) Ovid., Metam. 11.

4) Ovid, a. a. O., singt: cui Thracius Orpheus orgia tradiderat.

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