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fang der aus Handschriften getreu abgedruckten Texte wird, desto mehr Hülfsmittel werden für die Erklärung und Verbesserung derselben an die Hand gegeben. Mangel an Belesenheit kann hier allerdings Irrthümer veranlassen; insofern unvollkommene Bewältigung der stets anwachsenden litterarischen Mittel solche hier verschuldet hat, darf der Herausgeber auf Nachsicht der Kenner rechnen.

Die in den litterarhistorischen Einleitungen zu den Sprachproben gegebenen Nachweisungen und Andeutungen hat ein Freund und Mitstrebender, Herr Karl Goldbeck, bearbeitet, welcher sich mit eingehender Erforschung der litterarischen Schätze des Mittelalters im germanischen und romanischen Sprachgebiete und ihrer Verwandtschaft beschäftigt; seine Mitwirkung ist dieser Arbeit aber auch in anderer Beziehung, namentlich für die Bewältigung des lexikalischen Theiles derselben gesichert. Das beigegebene altenglische Wörterbuch soll sich nämlich nicht auf den in den Sprachproben enthaltenen Sprachstoff beschränken, sondern das gesammte Gebiet behandeln und theils die Etymologie, theils die Entwickelung der Bedeutungen der Worte darzulegen suchen.

Wie wenig der Einzelne in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, wie in jeder anderen Sphäre, zu werden und zu leisten vermag, ist eine leicht gewonnene Einsicht; das Beste was er ist, verdankt er Anderen. So mögen denn die Besten sich selber in dem wiedererkennen, was in diesem Buche ihnen angehört; abweichende Ansichten nicht ohne Bewährung zu lassen, eigene Unkunde nicht zu verschweigen, Schwierigkeiten nicht klüglich unberührt zu lassen, war des Herausgebers redliches Bestreben. Die Anspruchlosigkeit eines auf die Sache gerichteten Forschers stimmt ihn zu der Dankbarkeit, womit er die Leistungen Anderer aufnimmt, wie zu der Unbefangenheit, womit er vermeinte Irrthümer Anderer zu heben sucht. Auf äussere Erfolge waren die schriftstellerischen Versuche des Herausgebers nie berechnet. Wer nicht den Muth hat ohne Hoffnung auf Lohn und selbst auf wohlthuende Anerkennung einer Wissenschaft zu dienen, wird weder auf diesem Gebiete etwas erreichen, noch würdig erachtet werden können, sich edleren Bestrebungen beizugesellen.

Wenn aber dies Buch geeignet wäre, ein tieferes Interesse an der englischen Litteratur in Deutschland oder anderswo zu fördern, und das weit verbreitete handwerksmässige Gebahren auf dem Gebiete der englischen Sprache und Litteratur einigermaassen zu beschränken, so werden die hochverdienten Forscher jenseit des Meeres einem Fremdling verzeihen, es versucht zu haben, ihre Arbeit, wenn auch nicht ihr Verdienst zu theilen.

ERSTE ABTHEILUNG.

POESIE.

ORM.

Orm oder Ormin, der Verfasser des von ihm selbst so benannten Ormulum, aus dessen Werke, einer Reihe von Homilien über neutestamentliche Texte, wir zwei Abschnitte an die Spitze unserer Sammlung stellen, ist, wenn nicht der älteste, doch in mehrfacher Hinsicht der eigenthümlichste Dichter aus der Zeit, in welcher die verlebte angelsächsische Sprache ihrer Neugestaltung durch die Beimischung des romanischen Elementes entgegenging. Er gehört zu den Schriftstellern der Uebergangsperiode, welche man die Halbsächsische nennt, und deren bedeutendste Vertreter Orm und Lazamon oder Layamon sind.

Die einzig bekannten sicheren Notizen über Orm giebt er selbst (Introd. 7-10, 324-25; Pref. 1, 2). Sie geben keinen Anhalt für die Bestimmung der Zeit, in welcher er schrieb. Die Beschaffenheit der Handschrift (Bodleian Libr., Junian MS. 1), aus welcher White zum ersten Male die Ueberreste des Ormulum herausgegeben hat (The Ormulum, now first edited from the original Manuscript in the Bodleian, with notes and a glossary, by R. M. White, 2 voll. Oxford), lässt auf ihre Entstehung zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts schliessen; die Wortformen und der Satzbau ermöglichen die Annahme einer früheren Abfassung. Der noch von jeder romanischen Beimischung freie Dialekt mit seiner Neigung zum Gebrauche altnordischer Formen gehört jedenfalls dem Norden Englands an, welcher für die ältere englische Litteratur überhaupt von besonderer Bedeutung ist. Als Quellen der homiletischen Betrachtungen Orms, die nicht frei von Breite und zahlreichen Wiederholungen bleiben, kommen Augustinus, Beda und Elfric in Betracht, obwohl sie nicht namentlich angeführt werden.

Das Ormulum besteht aus einer Widmung (Dedication, Wh.) von 342 Versen, worauf 242 lateinische Ueberschriften zu den Homilien folgen, die indess nur bis XXXII. erhalten sind, ferner einer Vorrede (Preface, Wh.) von 106 Versen, einer Einleitung (Introduction, Wh.) von 108 Versen, mit welcher die fortlaufende Bezifferung der Verse von White beginnt, und den Homilien von V. 109-20068. Von 19993 ab erscheinen die Verse jedoch nur verstümmelt.

Einzelne Stellen des Ormulum haben Hickes (Thesaur. I. 88, 138, 165, 166), Wanley (Catal. 59-63), Tyrwhitt (Poet. W. of G. Chaucer Lond. 1855 p. XXXIV), längere Auszüge Thorpe (Anal. Anglo-Sax. 171-178) und Guest (Hist. of E. Rhythms II. 208-219) mitgetheilt. Orms rhythmische Zeilen, welche sich durch Korrektheit und leichten Fluss der Verse auszeichnen, sind lateinischen rhythmischen Versen nachgebildet. Die Allitteration ist im Allgemeinen aufgegeben. Reime finden sich, wohl nur unbeabsichtigt, an einzelnen Stellen. Tyrwhitt und Guest haben die Verse als Langzeilen von 15 Sylben dargestellt, welche durch die Cäsur nach der achten Sylbe in zwei ungleiche Hälften getheilt werden, und einem lateinischen rhythmischen Tetrameter entsprechen. Wir folgen White, welcher die Langzeile in zwei jambische Verse

abtheilt.

Durch seine eigenthümliche Orthographie (cf. Ded. 95), in welcher im Allgemeinen der auslautende Konsonant nach kurzem Vokale nicht blos in Stammsylben, sondern auch in Ableitungs- und Flexionssylben verdoppelt wird, stellt der Verfasser entschieden die Aussprache seiner Zeit dar. Sie mag rückwirkend selbst die Quantität einzelner angelsächsischer Wörter festzustellen dienen können. Oft wird indessen auch von dieser Verdopplung abgewichen, wenngleich in solchen Fällen der kurze Vokal meist durch ein Zeichen der Kürze (~) kenntlich gemacht wird, welches sich vorzugsweise auf Wörtern, die nach den Konsonanten e oder -enn bieten, findet. Cf. fěle, adj. chěle, s. stěle, v. stěde, s. und stědefasst, adj. běde, s. hěte, s. měte, s. fĕre s. hère, s. were, s. sipe, s. sine, s. lire, s. kine, s. bite, s. hire, pr. tăle, s. năme, s. răpe, adv. sìme, s. cùde, s. bodeword, s. u. a. Zusammensetzungen; letenn, v. witenn, v. wilenn, v. tăkenn v. hătenn, v. lõfenn v., u. v. a. Doch findet sich hete neben hěte, sipe neben sipe, fele neben fele, kinedom neben kinedom, lofenn neben lofenn u. a. Auffallend ist auch der Gebrauch von Zeichen in der Form des Akutus, welche White zum Theil fast als horizontale, zum Theil, bei ihrer Verdopplung oder Verdreifachung, auch als mehr aufrecht stehende diagonale Striche über Vokalen wiedergiebt. Das einfache Zeichen wird selten auf einsylbigen Wörtern oder auf der Endsylbe mehrsylbiger angetroffen, wie ā, adv. man, s. hat (gew. hat), adj. tōr (a. tor), adj. för, v. fir, s. Sabā, Adām, Ennōn, Salim, Acāb, Eleazar, Itamar; häufig auf

der Stammsylbe von auf e ausgehenden Formen, wie ane (d. i. alone), num. are, s. läre, s. hāte, adj. lāte, s. nāpe, s. wāhe, adj. fére, s. here, adv. sēne, partic. time, s. rīme, s. wide, adv. side, adv. pine, pron. size, s. wite, s. write, v. (conj.) pīne, s. mõte, v. lõme, adv. cōme, s. gōde, adj. tūne, s. ūte, adv. ūpe, v., dann aber auch in Verbalformen wie lātepp, bēdepp, swētepp, rēdenn, (3 p. pl.), tōkenn (3 p. pl. præt.), cómenn (desgl.), lūtenn (inf.), in den Substantiven mõnepp, takenn, auch in geschlossenen Sylben, wie in hirne, s. Marze, Macherōnnte, und bei Zusammenziehungen wie pilde, popre u. dgl. m. Ein verdoppelter und verdreifachter Strich wird meist über einsylbigen Wörtern und stets vor auslautendem t gefunden: gät, s. hat, adj. swat, s., den Verbalformen wrât, wät, nät, ferner zēt, adv. swet, a. Et, v. (præt.), let (desgl.), bihêt (desgl.), set, partic., fet s. főt s. mót v. ut, praep. und but (neben butt), konstant auch bei Zusammenziehungen, wie hết (he itt), zết (ze itt), put (pu itt), wet (we itt), pett (þe itt), zhốt (3ho itt), und so auch vor tt in onndlett, s. reclefätt s. Mit dreifachem Zeichen trifft man ut, winndeclût, zết, swết, skết, zhỗt (3h0 itt), hat, gat, gæt, ohne dass man einen Grund der Unterscheidung von üt etc. entdecken kann. Ein Zeichen in der Form des Circumflex (~), welches auch in angelsächsischen Handschriften zu finden ist, begegnet in late, sæte, lætenn, næfrær. Wenngleich in der Verwendung dieser Accente eine gewisse Gleichförmigkeit bemerkt wird, und sie namentlich oft lange Sylben treffen, so ist doch ihre Bedeutung nicht vollkommen zu enträthseln. Zum Theil sind sie wohl Unterscheidungszeichen gleichlautender Wortformen, zum Theil deuten sie entschieden die Zusammenziehung mehrerer Wörter an, zum Theil mögen sie zur Hervorhebung der Bedeutsamkeit eines Wortes dienen, gleichwohl herrscht in ihrer Verwendung Nachlässigkeit und Willkür.

Zu bemerken ist im Ormulum die Verwandlung eines anlautenden p in t nach auslautendem t und d, selten nach s, eine Erscheinung, die vielfach noch in der älteren englischen Litteratur zu bemerken, aber schon im Ormulum nicht ohne Ausnahme ist.

Die Handschrift, welcher wir die Kenntniss des Ormulum verdanken, ist wahrscheinlich das Urexemplar von der Hand des gelehrten Verfassers; daher die verhältnissmässige Korrektheit, welche der Verbalkritik kaum irgend Raum giebt, und das Vermissen jener Verwilderung der Orthographie, welche man als Zeichen des Alterthums der Handschriften anzusehen pflegt. Selbst dass die Poesie des Verfassers fern von jeder romantischen Färbung bleibt und eher nüchterner Prosa das Gewand des Rhythmus leiht, mag nicht blos für die Zurückgezogenheit des Verfassers von der Berührung mit der Welt, sondern auch für das Alterthum seiner Schöpfung zeugen, welche als sprachliches Erzeugniss von höchster Wichtigkeit ist.

Nu, broperr Wallterr, broperr min Affterr pe flashess kinde; Annd broperr min i Crisstenndom purrh fulluhht annd purrh trowwpe; 5 Annd broperr min i Godess hus, 3ét o pe pride wise,

10

Purrh patt witt hafenn takenn ba
An rezhellboc to follzhenn,
Unnderr kanunnkess had annd lif,

Swa summ Sannt Awwstin sette;
Icc hafe don swa summ þu badd,

Annd forpedd te pin wille,
Icc hafe wennd inntill Ennglissh
Goddspelless hallzhe lare,
Affterr patt little witt tatt me
Min Drihhtin hafepp lenedd.
pu pohhtesst tatt itt mihhte wel

Till mikell frame turrnenn,
3iff Ennglissh follk, forr lufe off Crist,
Itt wollde zerne lernenn,

Annd follzhenn itt, and fillenn itt
Wipp pohht, wipp word, wipp dede.

3. Annd. Der Text des Ormulum hat meist die im Ags. ebenfalls geläufige Bezeichnung der Partikel durch ]; wir geben überall annd. Freilich findet man auch and neben annd, wie auch bei anderen Kombinationen nd, ng, nk etc. neben nnd, nng, nnk etc. vorkommt. 7. witt..ba. Die Dualformen der Fürwörter der ersten und zweiten Person, welche sich noch längere Zeit im Altenglischen erhalten, wenn auch der Form nach von dem ags. vit, uncer, unc, uncit (unc), git, incer, inc, incit (inc), zum Theil entfernt haben, nehmen öfter zur Unterstützung das Zahlwort zu sich, cf. unnc.. bape Oвм Ded. 27, 87; unnc ba Hom. 11002; off unnc bape 10987; Junnc bape 4493, 5147, 5148, 6157; to gunnkere bapre gode 6183; wit tweie LA3. II. 571. gunc boden GEN. a. Exod. 2830. 9. kanunnkess had, canonici ordo, gradus, dignitas. Had ist status, vitae conditio: widdwess had, Hom. 4606, ags. fœmnan hâd CYNEV. Crist 92 Gr.; in cildes hâd ELENE 337. Schon im Ags, wird hâd auf geistlichen Stand und Orden bezogen. Cænobia clericorum juxta regulam S. Augustini communiter viventium werden seit dem eilften Jahrhundert erwähnt GIESELER, Kirchen - Geschichte 2, 2, 283ff. 21. follzhenn itt annd fillenn itt, cf. Follzhenn annd fillenn all þatt gap Till ure sawle bote Hom. 2691; ags. Ealle rihtvîsnesse gefyllan MATH. 3, 15, 5, 17. pîn vord and villan häbbe gefylled GUTHL. Prol. 22. Die Zusammenstellung der hier an einander gereihten Substantive ist häufig bei ORм cf. 94; Hom. 1490, 5419; statt dede auch weorc Hom. 2577. Die Zusammenstellung von Wort und That, wie von Wort und Werk ist alt, ags. dædum and vordum СДDи. 2249, Gr. vordum ne vorcum ВEOY. 1100 Gr.

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