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gelernt, und das mit einer Bestimmung (adjectivum, participium, adverbium) ausgedrückt, wozu man erst ein neues Wort feste. Hierdurch wären schon zum Nachtheil der Dichtkunst eine Menge Synonymen ausgemerzt worden. Den Überrest suchte der Philosoph durch hineingelegte feine Unterschiede, als neue, nicht gleichbedeutende Wörter zu gebrauchen, wodurch der dichterischen Sprache vollends ihr Reichthum entzogen worden.

Diese Geschichte der Synonymen: scheint uns weder natürlich, noch der Erfahrung gemäß. Wahrscheinlicher ist es vielleicht, daß die gleichbedeutenden Wörter entstanden, indem man einem Dinge in verschiedenen Provinzen verschiedene. Namen ge geben, die in der Folge in die Hauptsprache sind aufgenommen worben ober, wo keine Hauptsprache gewesen, von den Dichtern mit gleichem Rechte haben gebraucht werden können. Nach dem Charakter dieser Provinz, und nach dem Grade der Achtung, in welcher fie bei der Nation gestanden, hat auch das von ihr entlehnte Wort eine edle, niedrige, komische oder ernsthafte Nebenbedeutung erhalten können. Auch wird man sich in den verschiedenen Provinzen dasselbe Ding wahrscheinlicherweise gleich mit verschiedenen Nebenzügen vorgestellt haben, welches abermals Ges legenheit giebt, die Synonymen durch Nebenzüge zu unterscheiNicht der Weltweise hat Synonymen abgeschafft. Seine Machtsprüche haben bei dem Volke wenig und bei den Dichtern noch weniger zu bedeuten. Wo hat auch jemals der Philosoph den verkehrten Einfall haben können, eigene Wörter auszumerzen und an ihre Stelle allgemeine Wörter mit adjectivis, participis oder adverbiis einzuführen? z. E. stätt Laufen: sehr geschwind gehen; statt Thal: eine Ebene zwischen Gebirgenz oder statt Sonne: den allergrößten Stern einzuführen ? -→ Wenn Synonymen abgeschafft werden, so thut es der Hof, die Modewelt, die sich gewiffer Worte, deren sich das geringere Volk bemächtigt, enthalten, wodurch sie nach und nach aus dem Gebrauch kommen. Daher die Sprachen sich schleuniger verändern, wo eine Hauptstadt ist und der Hof sich in der Landessprache ausbrückt.

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Wenn der Sprachforscher Synonymen unterscheidet, thut er dem Dichter dadurch Abbruch? Wir glauben nein! Die verschiedenen Nebenzüge der Synonymen sind es ja, aus welchen der Dichter den größten Vortheil zieht. Der Herr Verfasser bemerkt selbst (S. 56.), daß die Wiederholungen in den orientalischen

Gedichten, die uns Tautologien scheinen, den Morgenländern nichts weniger als Tautologien waren; indem ihre synonymischen Gegenfäße durch Nebenzüge verschiedene Wendungen und Neuheit bekamen. Wenn diese Nebenzüge verloren gehen, so ist es um den Reichthum des Dichters geschehn. Seine Schäße werden beschwerlicher überfluß und sein Aufwand artet in Ber: schwendung aus. Mithin ist es eine Wohlthat für den Dichter, wenn diese feinen Nebenzüge festgesezt und bestimmt werden. Wenn wir fie in den orientalischen Sprachen zu bestimmen im Stande wåren, so würden wir Poesie finden, wo wir jezt verdrießliche Tautologien sehen.

Ja, wenn die Philosophen die Unterschiede der Synonymen angeben, so hören diese dadurch nicht einmal auf Synonymen zu seyn. In allen Fällen, wo es nur um den Hauptbegriff zu thun ist und auf den Nebenbegriff nicht gesehen wird, bedient man sich derselben ohne Unterschied. Auch hat sich noch selten ein Dichter abhalten lassen, von den Vorschriften des logischen Sprachforschers zuweilen abzuweichen, wenn es Wohlklang, Nachbruck, Kühnheit oder Abwechselung erfordern; und der Philosoph muß so billig seyn, diese Ausnahmen gelten zu lassen. Daß bei den Franzosen die Richtigkeit der Sprache dem Reichthume derselben so sehr geschadet hat, kömmt wahrscheinlicherweise daher, weil dieses Volk niemals eine poetische Sprache gehabt und seine kühnsten Dichter allezeit in den Schranken der Prosa gehalten hat. Man mache aber hieraus keine Regel für andere Völker.

Von der Constructionsordnung hegt der Verfasser eine ähnliche Hypothese. Alle alte Sprachen,“ heißt es (S. 98.), „die ursprünglich sind und das Gepräge der ersten sinnlichen Lebensart führen, sind voll Inverfionen; eine grammatikalische Construction ist noch nicht eingeführt. So wie die Sprache sich in der Folge der Zeit zur Büchersprache bildete, wurde auch ihre Construction nach und nach an eine bestimmte Ordnung gebun= den und die Inversionen aufgehoben.“ In Absicht auf die neueren Sprachen heißt es (S. 101.): je mehr eine derselben von Grammatikern und Philosophen gebildet worden, desto hårtere Fesseln trägt sie; je mehr sie ihrem ursprünglichen -- Zustande nåher ist, desto freier wird sie feyn." - Dieses alles scheint uns willkührlich und ohne genugsamen Grund für allgemein ausgegeben zu werden. Die hebräische Sprache trägt mehr als eine das Gepräge der ersten finnlichen Lebensart, und hat sehr

wenig Inversionen. Die Inversionen der griechischen und lateinischen Sprache haben sich auch mit der Zeit nicht vermindert, vielleicht gar vermehrt. Pindar hat mehr davon als Homer, und Luzan mehr als Virgil. Im Deutschen haben in den lekten Zaten durch die Bemühung großer Schriftsteller die Inverfion mehr zu als abgenommen. Es scheint hier alles auf die Fall-Endungen anzukommen. In Sprachen, welche die Cafus nicht genug unterscheiden, muß die Ordnung der Wörter zu Hülfe genommen werden, und eine Inversion würde Undeutlichkeit verursachen. Hieraus erklärt es sich, warum die Hebråer so wenige Inversionen, und die Deutschen mehr als die Franzosen, weniger aber als die Griechen und Römer haben. Je bekannter wir mit der Litteratur anderer Völker werden, desto mehr lernen wir unsere Gedanken von verschiedenen Seiten betrachten; wir gewöhnen uns, die Ordnung derselben nach Belieben und Erforderniß umzukehren und die Construction von ihren Fesseln zu befreien. Solchergestalt kann die Construction mit der Zeit vielmehr freier werden.

Da eine jede Inversion eine Abweichung der Ordnung in den Worten von der logischen Ordnung der Begriffe ist, so kann diese Abweichung entweder frei und dem Bedürfnisse des Redners überlassen, oder an eine bloß grammatische Ordnung gebunden seyn. Inversionen von der ersten Art sind, wenn die Deutlichkeit nicht ganz vernachlässigt worden, eine große Vollkommenheit der Sprache. Dieses hat der Verfasser sehr wohl auseinandergesett. Aber die von der zweiten Art, da die Ord= nung der Wörter an willkührliche grammatische Regeln gebun= den ist, ohne mit der metaphysischen Ordnung der Begriffe übereinzukommen, diese sind bloße Capricen der Sprache, die ihr zu keinen Tugenden angerechnet werden können. - Zieht schon der Virtuose, der im Nachahmen Gottes auch das Böse zum Guten wenden kann, manchmal aus diesem Eigensinn selbst seine Vortheile, so geschieht dieß doch nur zufälligerweise; und es würde ihm angenehmer seyn, wenn ihm freie Hånde gelassen würden. Wenn ein Ausländer die Inversionen in unsrer Sprache tadelt, so meint er nur die von der lehten Art, und hat in so weit Recht. Wir können zwar die Beschuldigung zurückschieben und, wenn es angeht, in seiner Muttersprache, die er erheben will, gleichen Eigensinn bemerken; aber wir müssen nicht aus Fehlern Tugenden machen wollen. Die freie Constructionsordnung, IV, 1.

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die nach allen unsern Bedürfnissen und Endzwecken eingerichtet werden kann, ist noch von Niemanden getadelt worden.

S. 115. wird Hr. Ramler für den vermuthlichen Verfasser einer Abhandlung in den Litteraturbriefen ausgegeben. Wir ers innern uns, auch anderswo gelesen zu haben, daß man so manches Stück in den Litteraturbriefen diesem würdigen Gelehrten zugeschrieben, wodurch er sogar den Anfällen mancher ergrimmten Schriftsteller ausgesetzt worden. Wir können das Publikum im Namen unsers Verlegers, so wie im Namen des Hrn. Ramler selbst hiermit versichern, daß er nicht den geringsten Antheil an den Briefen, die neueste Litteratur betreffend, hat, und niemals weder ordentlicher, noch außerordentlicher Mitarbeiter an dieser periodischen Schrift hat seyn wollen. In Ansehung unserer Bibliothek können wir dasselbe versichern.

Das Bild der orientalischen Litteratur, das der Verfasser in der zweiten Sammlung (Fragm. 23.) entwirft, hat viele treffende Züge. In den Folgen aber, die er daraus für die Nachahmung zieht, scheint er zu weit zu gehen. Auf solche Weise können wir uns alle Schönheiten wegråsonniren. Können wir in unserer Dichtkunst keinen Engel des Todes, keinen Gott, der Blige schleudert, keine Veste des Himmels, wo der Thron Gottes ruht, brauchen? Sind uns die Winde nicht mehr Engel des Herrn, die Flammen des Feuers nicht mehr seine Diener? Und warum dieses? weil uns die Naturkunde über diese Punkte ungläubig gemacht? Wenn dieses ist, so können wir nur den ganzen Plunder Poesie abschaffen, denn solche unglaubhafte Dinge machen ihre ganze Nahrung aus. Die griechische Mythologie streitet nicht weniger mit unserm Bes= serwissen, als die hebräische oder scandinavische. Was ist die Muse? Eine Eigenschaft der menschlichen Seele. Was ist der Gott der Liebe? u. s. w. Die nördliche Mythologie, ob sie gleich auf unserm Grund und Boden gewachsen, findet noch mehr Unglauben zu bestreiten, weil wir mit derselben noch weniger bekannt sind, als mit der griechischen. Von Gerstenberg's „Lied eines Skalden" widerstrebt, seiner Vortrefflichkeit ungeachtet, doch immer noch weit mehr, als die schwärmendste Dithyrambe, wenigstens bevor man sich überwunden, mit seiner nordischen Fabellehre nåhere Bekanntschaft zu machen. Wie kann also der Verfasser S. 223. den Vorschlag thun, die Mythologie der alten Skalden und Barden einzuführen? er, der in

unserer jeßigen Denkungsart Unglauben genug findet, die poeti= schen Bilder der hebräischen Sprache, die uns vermittelst der Religion in unserer ersten Kindheit eingeprägt und beinahe zur Natur geworden sind, für unbrauchbar zu halten?

überhaupt aber ist dieses der Gesichtspunkt nicht, aus welchem wir die Schönheiten der Poesie zu betrachten haben. Wer wird sich durch das Vernünfteln um ein unschuldiges Vergnügen bringen? Die Dichtkunst ist in unsern Tagen bloß Nachahmung, nicht mehr Natur. Auch ihre Empfindungen sind nur nachahmende, nicht mehr natürliche Empfindungen. Nach dem Endzwecke, den wir uns bei der Dichtkunst vorsehen, kann und soll fie nichts anders als nachahmende Empfindungen erregen; und diese kehren sich selten an Glauben und Unglauben des Naturforschers. Wohin sie wollen, können sie uns durch ihre Täuschungen versehen, und was sie wollen, troh unsres Besserwissens glauben machen. Wilde Einfalt," sagt der Verfasser (S. 229.), ist das Feld der Dichtkunst." ja! als ein Gegenstand der Nachahmung; denn sie ist reich an Illusion. So lange aber diese wilde Einfalt noch Natur ist, giebt es noch keine Dichtkunst.

Was wollen wir mit der Poesie? Liebe zur wilden und rauhen Lebensart erzeugen? O nein! wir schreiben es vielmehr dieser Kunst zum Theil zu, daß wir der Barbarei entkommen und gesitteter geworden sind. Unsere Poesie soll nunmehr ein gesittetes Volk rühren, die Empfindungen gesitteter Menschen durch angenehme Täuschung beleben und in anständiger Übung erhalten. Die Lebensart und die Bildersprache rauher Zeiten können zu dieser erwünschten Täuschung den schicklichsten Stoff hergeben; sie sind also zu unserm Endzweck fruchtbare Gegenstånde der Nachahmung, aber auch mehr nichts. Sie müssen die feinere Politur nicht verdrängen und sich als die Zeiten der ächten Poesie anbieten wollen. Die übertriebene Empfehlung rauher Zeiten und Völker zum Vortheil der Dichtkunst kömmt uns vor, als wenn man zum Kunstgårtner sagen wollte: alle eure Blumen und Früchte stammen doch ursprünglich von Wiesen und Wåldern her; euer Kunstgarten wird also am vortrefflichten seyn, wenn ihr nichts als Wald und Wiesen anzubringen ucht."

Bilder und Metaphern wachsen auf dem wilden Boden einer unbearbeiteten Sprache. Das Ungestüme in dem Ausbruch

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