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vermittelst welcher wir ohne deutliche Schlüsse das Wahre, Gute und Schöne gleichsam fühlen. Die Schönheit in den äußern, finnlichen Empfindungen hångt von den Schranken unserer Fåhigkeit ab. Håtten wir andere Sinne, sagt Montesquieu mit Recht, etc. (Dissertation sur le goût.) Nicht so die sittliche Empfindung. Unsere Seelenkräfte mögen beschaffen seyn, wie fie wollen, so find allezeit Großmuth, Liebe, Dankbarkeit noth= wendig Gegenstände des Wohlgefallens.

Es ist also die Schönheit in den äußerlichen sinnlichen Empfindungen allzu wandelbar, als daß man sie als unumstößliche Gründe sollte herleiten können. Der Geschmack muß hier die Vernunft zurechtweisen, dahingegen die Vernunft allezeit den bon-sens und die sittliche Empfindung leiten muß.

In Ansehung des bon-sens ist man völlig überzeugt, daß sich die Urtheile desselben in richtige Vernunftschlüsse auflösen laffen; bon-sens ist eine geübte Vernunft. Vernunft und bonsens wirken nach ähnlichen Regeln; jene langsamer, so daß wir die Verbindung der Mittel- Begriffe wahrnehmen; dieser so schnell, daß wir von der ganzen Folge der Begriffe nichts behalten, als Anfang und Ende.

Unsere Urtheile vom Guten und Schönen hingegen sollen sich, wie Einige wollen, auf keine Vernunftschlüsse reduciren lassen. Hutcheson sagt, Gott habe uns einen von dem Verstande und von allen übrigen Fähigkeiten ganz unterschiedenen Sinn gegeben, mit welchem wir das Schöne und Gute erkennen und lieben. So wie wir die Qualitates sensibiles nicht durch den Verstand wahrnehmen, sondern empfinden, eben so unterscheiden wir das Angenehme vom Widrigen, das Schöne vom Häßlichen, das Gute vom Bösen durch einen unmittelbaren Sinn, dessen Aussprüche sich in keine einfachere Begriffe auflösen lassen. Diese Theorie hat ihren guten Grund, bedarf aber Erläuterung.

Mit jedem sinnlichen Gefühl strömt ein Meer von Begriffen in unsere Seele. Die Seele denkt, wenn sie einige von diesen Begriffen deutlich wahrnimmt; und sie empfindet, sobald sie sich dem Eindruck überläßt und sie alle faßt. Die Elemente find eben dieselben, wir mögen sie mit der Vernunft oder mit den Sinnen begreifen; und eine sinnliche Empfindung ist nichts andres, als die Wahrnehmung unendlich vieler Wirkungen und Gegenwirkungen, die an und für sich von den deutlichen Begriffen

des Verstandes nicht unterschieden sind. Indem sie sich aber der Seele auf einmal darstellen, bringen sie eine Wirkung hervor, die von der Wirkung einzelner Begriffe des Verstandes ganz unterschieden ist, und daher Phänomena genannt wird. Die Begriffe des Verstandes verhalten sich zur sinnlichen Empfindung wie etwa der Ton einer Saite zum Brausen des Meeres, oder wie die Stimme eines vernehmlich redenden Menschen zum Geräusch und hohlen Murmeln eines versammelten Volks.Denn aus der Vermischung vieler Begriffe entsteht eine zusammengesette Erscheinung, die von den Elementen, aus welchen sie besteht, völlig unterschieden ist, so wie etwa zwei Körper, die zusammentreten, einen dritten erzeugen, der ganz andere sinnliche Eigenschaften zeigt, als diejenigen, aus welchen er besteht.

Die Menge der Begriffe, die eine sinnliche Empfindung ausmachen, ist die Ursache ihrer Lebhaftigkeit. Die Freiheit vermag unmittelbar nichts über die Sinne.

Facultas determinandi voluntatem pro lubitu dicitur libertas. Lubitus est cognitio, qua substantia pollet, ex qua secundum leges appetitionis aversationisque cognosci potest, cur sic, non aliter se determinet circa actionem liberam ratione executionis. Daher kann die Quantität der Triebfedern und Beweggründe öfters zu gering seyn, die Lebhaftigkeit eines gegenwärtigen finnlichen Eindrucks zu überwältigen oder die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Wenn wir die Gegenstände nicht wahrnehmen wollen, so müssen wir sie auf die sinnlichen Werkzeuge nicht wirken lassen, oder durch außerordentliche Übung ein Phantasma lebhafter zu machen gelernt haben; in rselchem Falle wir freilich nichts em: pfinden. Zum Beispiele können die Enthusiasten dienen.

Diese Lebhaftigkeit vermehrt auch ihre Wirkung in das Begehrungsvermögen, aber nur, so lange sie gegenwärtig bleiben. Sobald sie aber abwesend sind, verliert sich der Eindruck vermöge seiner Dunkelheit. Man bereut öfter den Genuß, als die Versäumung einer sinnlichen Wollust.

Eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit Geschmack und sitt= licher Empfindung. Ihre Urtheile lassen sich in vernünftige und deutliche Gründe auflösen; aber so wie sie sich in der Seele darstellen, sind sie von den Wirkungen deutlicher Vernunftgründe völlig unterschieden. Es sind Phänomena, die sich zu den

Vernunftgründen, in welche sie aufgelöst werden, verhalten wie die Farben zu den Winkeln, unter welchen sich die Lichtstrahlen brechen; dem Scheine nach von einer ganz andern Natur, aber im Grunde eben dasselbe. Der musikalische Dreiklang ist, wie bekannt, im Grunde nichts andres, als eine sinnliche Wahrneh= mung gewisser Verhältnisse. Aber was wir bei Anhörung des Dreiklangs empfinden, ist weit von der Betrachtung einiger Verhältnisse unterschieden; denn hier hat sich die Empfindung durch alle Nerven vervielfältigt und ist zur Erscheinung geworden. So erregt eine regelmäßige Bildsåule ganz andere Empfindungen, als die Verhältnisse, aus welchen sie zusammengesett ist; und selbst die moralischen Tugenden empfinden wir anders, als wir sie mit der Vernunft begreifen.

Wer von der Natur keinen Geschmack empfangen, wird die Regeln des Schönen begreifen wie Sanderson Newton's Theorie der Farben, als Vernunftgründe, nicht als Phänomena. Aber so wie sich die Nachurtheile der Seele durch lange, wiederholte Übungen in die Empfindungen mischen und die finnlichen Urtheile verbessern, eben so können die Regeln des Schönen den Geschmack reinigen, verbessern.

Unsere Urtheile von den Größen, Entfernungen, Figuren und Bewegungen der körperlichen Dinge sind ebensowohl, als unfer Begriff von der Schönheit und Ordnung, von den sinnlichen Eindrücken unterschieden, stehen ebensowenig unter der Freiheit, und kommen aller Beziehung und Gewohnheit zuvor. Deswegen aber nehmen wir keinen besondern Sinn an, vermittelst dessen wir die Entfernung u. s. w. wahrnehmen

Wie die äußerlichen Sinne, sind sie der Freiheit nur mittelbar unterworfen, indem wir durch übung, Gewohnheit und Erziehung unsern Geschmack sowohl, als unsre moralische Empfindung verändern können.

Die Wahrheit streitet sehr oft mit dem bon-sens; und in diesem Falle kann sie nur durch die Vernunft erreicht werden; 3. B. die Gestalt der Erde, ihre Bewegung, die Entfernung der Firsterne, die unendliche Theilbarkeit der Materie. Eben also streitet sehr oft die sittliche Empfindung mit der Pflicht.

Anmerkungen über Bayle's ,,Pensées diverses sur Bayle's,,Pensées les Comètes."

§. 13. 14.

Unrichtige Begriffe von der Schwere. Die Cartesianer sollen einem jeden Körper eine Kraft zueignen, sich vom Mittelpunkte zu entfernen.

§. 15.

Rem. Man ist auf sehr viel Irrthümer verfallen, indem man gewisse abgesonderte Begriffe für Wesen gehalten, die für sich bestehen können; z. B. den mathematischen Körper, das Chaos, die mitgetheilten Eigenschaften der Peripatetiker u. s. w.

§. 18.

qui louoit la belle Daphné d'avoir réfuté la superstition des oracles d'Apollon, en faisant échouer les entreprises amoureuses de ce Dieu, qui se vantoit tant de savoir l'avenir.

§. 19.

Rem. Wie kommen die Chinesen zu unsern Himmelszeichen, um sie in ihrer Astrologie adoptirt zu haben?

§. 31.

C'est une superstition la plus basse et la plus grossière du monde, que de prétendre, que parceque St. Clair s'appelle St. Clair, Dieu lui ait accordé la vertu de guérir le mal des yeux plutôt qu'à un autre etc. Vielleicht hat dieses Niemand geglaubt. Man kann sich vielmehr beredet haben, Gott habe es gefügt, daß dieser Herr St. Clair genannt werden soll, um den Menschen die Tugend anzuzeigen, die er ihm beigelegt. §. 34.

Les raisons de Palingenius (in Capricor.) à l'avantage de la guerre.

§. 59.

Dieser Schluß hångt nicht zusammen. Die Cometen können die Wirkungen der causarum secundarum, und zugleich zu

Zeichen bestimmt seyn, wenn man bedenkt, daß Gott das ganze System seiner Absichten durch wirkende Ursachen hat ins Werk gerichtet, und also auch die Erscheinung dieser Zeichen mit seinen Absichten verbunden haben kann.

§. 115.

L'imperfection est aussi contraire pour le moins à la nature de Dieu, que le non-être. C'est là la première de Mr. Bayle, que l'athéisme n'est pas un plus grand mal, que l'idolâtrie.

Die Schwierigkeit hierbei ist nur, daß man die Gränzen nicht weiß, wie weit sich dieses erstrecke. Die mindeste Unvollkommenheit ist der Natur Gottes so sehr zuwider, als das Nichtseyn; und also wird derjenige z. B., der da glaubt, Gott existire in der Zeit und in dem Raum, eben so schlimm daran. seyn, als ein Atheist. Was für ein Unglück, wenn sich dieses also verhielte!

Jedoch die Gründe des Plutarch sind nicht die bündigsten. J'aimerois bien mieux, fagt er, que tous les hommes du monde disent, que Plutarque n'a jamais été, que s'ils disoient: Plutarque est un homme inconstant, léger etc. Dieses läßt sich vom Plutarch gedenken, der um seinetwillen gekannt seyn will. Gott aber will von uns unserer Glückseligkeit halber gekannt seyn. So lange also die Erkenntniß, die wir von Gott haben, mehr Vergnügen an seinen Vollkommenheiten, als Furcht und Abscheu vor den ihm zugeschriebenen Unvollkommenheiten gewährt; so lange wie noch, im Ganzen betrachtet, mehr Bewegungsgründe zu guten als zu bösen Handlungen aus der übel zusammenhangenden Idee, die wir uns von Gott machen, hervorgehen; so lange ist die Abgötterei noch immer der Atheiste= rei vorzuziehen. Man sege niemals den Endzweck, warum Gott verlangt, daß sein Name auf Erden verherrlicht werde, aus den Augen. Dieser ist: 1) damit wir uns an der anschauenden Erkenntniß des allervollkommensten Wesens vergnügen, und 2) daraus Bewegungsgründe zu unsern Handlungen hernehmen. mögen. Eine jede Erkenntniß also, welche diese beiden Absichten mehr befördert, als verhindert, ist löblich.

§. 118.

IV. Preuve. La connoissance de Dieu ne sert à un idolâtre, qu'à rendre ses crimes plus atroces. C'est un

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