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lieren nichts, wenn man sie einzeln vortrågt; der Hr. Eschen bach kann sie unmöglich zusammenhangend gedacht haben.

Er eifert an verschiedenen Stellen wider den Cartesius, daß er die Farben für bloße Erscheinungen gehalten. Ich ge= stehe es, ich hätte nicht geglaubt, daß man zu unsern Zeiten noch an dieser Wahrheit zweifeln könne. Wenn man bedenkt, daß wir uns die sinnlichen Gegenstände nur nach den Eindrücken vorstellen, die sie in die Gliedmaßen der Sinne machen; wenn man sich aus der Physik erinnert, daß der Unterschied der Farben bloß in dem verschiedenen Grade der Geschwindigkeit besteht, mit welchem sie in unsere Organe wirken; so kann man unmöglich daran zweifeln, daß wir von den Farben ganz andere Begriffe haben würden, wenn wir uns deutlich bewußt wären, wie die Strahlen in die kleinsten Theile unserer Organe wirken. Was ist nunmehr unphilosophischer, als zu glauben, daß die Farben außer uns so und nicht anders wirklich find, als wir sie uns vorstellen? Allein Hr. Eschenbach sagt S. 128., wenn die Farben bloße Erscheinungen wären, so könnte es mit allen übri gen Eigenschaften des Körpers, und folglich mit dem Körper selbst, eben die Beschaffenheit haben; und hierin mag er freilich nicht Unrecht haben. Auch dieses kann man ihm einräumen, daß es nach diesen Vorausseßungen schwer sei, die Idealisten zu widerlegen. Hat man aber deswegen Grund, die unlåugbare Wahrheit der Voraussetzungen selbst in Zweifel zu ziehen?

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Doch Hr. Eschenbach hat sich vorgenommen, die Idealisten zu widerlegen, es koste was es wolle! Wir wollen sehen, wie er fie abfertigt. Das Daseyn seines eigenen Körpers beweist er S. 148. folgendergestalt: „Ich denke ißt wachend, d. i. in einem ,,Zustande, da ich mich nach Belieben so oft und viel ich will, ,,befragen kann, wachst du? und mir bewußt bin, daß ich wache. Dieser Sah ist wahr; Ich fühle es, es braucht keines weitern ,,Beweises. Indem ich aber mit wachender Aufmerksamkeit ,,mich selbst betrachtend sage, Ich denke! indem ich dieses Wort, „Ich, ausspreche; erkenne ich zugleich, daß ich mit verschiedenen „Gliedmassen, Augen, Ohren u. d. g. Begabt fen, die zusammen ,,genommen einen gegliederten Körper ausmachen. Ich stelle „mir auch ißt, da ich zum ersten male fage, Ich denke, diesen Körper als ein aussen wirkliches Ding vor; es fällt mir nicht ,,einmal ein, daß es nur ein bloffer Gedanke seyn sollte" u. f. w. Es ist freilich eine verdrießliche Sache, wenn Jemand bei sich

weiß, daß er wacht, und ein Anderer will ihn bereden, es könnte ihm nur so träumen. Das Unglück ist, daß es immer noch Leute giebt, die sich mit einem: ich weiß es ja, daß es keine Einbildungen find", nicht wollen abspeisen lassen. Als der Ritter Don Quixote seinen Stallmeister bereden wollte, es sei alles Zauberei, was sich mit ihnen zugetragen, seitdem sie auf Aben: teuer ausgegangen, antwortete ihm dieser zwar: „ich will es gern „glauben, daß das Meiste durch Zauberei zugegangen, und will ,,es sogar beschwören, wenn man es verlangt; nur nehme ich ,,mein Prellen aus, welches ganz natürlich zuging, und gar nicht ,,in der Einbildung bestanden hat; denn ich habe sehr wohl ,,beobachtet, daß der Wirth einen Zipfel mit vom Tuche gehalten; ,,und der verfluchte Schelm prellte mich viel stårker, als die An,,dern, und lachte allemal von Herzen dazu. Nun glaube ich ,,nach meinem einfältigen Verstande, daß, wenn man die Leute ,,fo eigentlich kennt, die es gethan haben, es alsdann für keine ,,Bezauberung zu halten sei". Allein der Ritter hielt diese Gründe nicht für zureichend; under glaubte fest, daß auch das Prellen, der Wirth und sein Lachen bloß in der Einbildung des Sancho könne bestanden haben.

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Da sich nun Hr. Eschenbach von dem Daseyn seines eige nen Körpers überzeugt hat; so ist ihm nichts leichter, als zu beweisen, daß auch außer ihm Dinge wirklich sind, und zwar eben so und nicht anders wirklich find, als er sie sich vorstellt. ,,Erstlich", sagt er, ich hätte ja sonst meine Augen umsonst. ,,Wozu nußen Augen, wenn nichts von allem da, und so be,,schaffen ist, als und wie ich es sehe? Zweytens, wäre nicht ,,eben das Auge und kein anderes Glied zum Sehen gemacht, ,,warum sehe ich denn nicht mit dem Ohr, oder mit dem Ell,,bogen? Drittens; so bald ich mein Auge verliere, kann ich ,,nicht mehr sehen", u. s. w. Gewiß! eine sehr neue Anwendung der Lehre von den Absichten der Dinge! Warum läßt man nicht lieber den Idealismus unbestritten, ehe man ihm solche Gründe entgegensett?

Das Daseyn einer vom Körper unterschiedenen Seele be weist Hr. Eschenbach aus dem innerlichen Triebe, den alle Menschen haben, wenn es möglich wäre, nicht unterzugehen und ver nichtet zu werden; und aus der Gerechtigkeit Gottes. Nehme ,,ich die Meynung des Materialisten an", sagt er S. 225.,,,fo ,,muß ich mir die Unsterblichkeit absprechen, und annehmen, daß

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,,ich mit dem Tode aufhöre, und alsdenn alles mit mir aus „sey: ich muß also durch eine unvermeidliche Folge das Daseyn ,,Gottes, leugnen, weil, wenn kein solcher Gott da ist, der das ,,hier unbestrafte Laster dort bestraft, überall kein Gott seyn ,,kann. Ja ich nehme etwas an, das mit meinem natürlichen ,,untadelhaften Triebe, dem Wink zur Unsterblichkeit, nicht über,,einstimmt". Man hätte wider diesen Beweis nichts, wenn ihn nur Hr. Eschenbach nicht für den unlåugbarsten hielte, den man geben kann.

Eine einzige Stelle möchte ich Ihnen durchzulesen empfeh len, nämlich die Demonstration für die Existenz Gottes S. 452. u. flgd. Sie werden vieles darin finden, das für die Langeweile angenommen worden, aber auch einiges, das Aufmerksamkeit verdient. Ich habe nicht ohne Verwunderung den Sag darin angetroffen, den ich Ihnen in einem von meinen vorigen Briefen für neu ausgegeben, daß nämlich kein Ding eine einzige Eigenschaft im allerhöchsten Grade besigen könne, ohne sie alle im allerhöchsten Grade zu besigen. Es ist wahr, Hr. Eschenbach stüßt diesen Sah auf einen sehr seltsamen Grund. Er meint, das allervollkommenste Wesen könne seines Gleichen nicht haben, sonst wäre es nicht das allervollkommenfte Wesen. Alle feine Eigenschaften wären Vorrechte, die keinem andern Dinge neben oder unter ihm zukommen könnten; und also kåme keinem Dinge, außer dem allervollkommensten, eine einige Eigenschaft im höchsten Grade zu. Der Beweis ist falsch, aber der Sah ist doch richtig!

XXIII. Den 7 Juni 1759.

42ster Brief.

Die Differtation des sel. Hrn. Prof. König von der Übereinstimmung der Newton'schen und Leibnißischen Philosophie ist mir nicht zu Gesichte gekommen. Wie haben Sie aber jemals glauben können, diese beiden Systeme könnten nicht mit einander bestehen? Was für einen Grund hat der Leibnißiamer, die

allgemeine Schwere zu läugnen, und die Entdeckungen des großen Newton zu verwerfen, die unsern Zeiten in den Augen der Nachwelt zur größten Ehre gereichen werden? Die Anhänger Leibnizens können zwar, nach ihrem System, keine Wirkung in das Entfernte vermittelst des leeren Raumes gelten lassen; sie können also die allgemeine Schwere für keine ursprüngliche Kraft der Körper ansehen, die nach allen Seiten in der Runde in die entferntesten Körper nach einem gewissen Verhältnisse wirkt; sondern die anziehende Kraft, wenn es eine giebt, muß nach ihrem Spstem irgendwo ihren fernern Grund haben, daraus sie sich begreiflich machen läßt. Allein der Weltweise hat demungeachtet die Befugniß, die Bewegungen der Himmelskörper durch eben die Hypothese zu erklären, durch welche er die gemeinsten Begebenheiten auf der Erde erklären muß. Man darf nur bei der Induction stehen bleisen, und in Ansehung der fernern Ursache seine Unwissenheit zugestehen. Wie glücklich wären wir, wenn dieses der einzige Fall wåre! da wir bei dem zweiten Warum den Finger auf den Mund legen müssen. Daß sich die Newtonianer haben verleiten lassen, die anziehende Kraft für eine urfprüngliche Eigenschaft der Körper zu halten, die keines fernern Grundes bedarf, war keine nothwendige Folge aus den Entdeckungen ihres großen Lehrers, sondern eine gewöhnliche Schwachheit der Systematiker, die sich nicht leicht überwinden können, etwas unerklärt zu lassen. Man kann die ungegründeten Folgerungen verwerfen, aber den Entdeckungen muß man Gerechtigkeit widerfahren lassen.

So viel ist indessen gewiß: wenn es möglich wäre, eine Hypothese zur Erklärung der himmlischen Begebenheiten unmittelbar aus metaphysischen Quellen herzuleiten, so wäre dieses der herrlichste Triumph der Weltweisheit, darauf das menschliche Ge schlecht stolz seyn könnte. Wir finden vor der Hand zwischen der Metaphysik und natürlichen Philosophie noch eine entseßliche Kluft, und sehen kaum die Möglichkeit ein, aus einer Wissenschaft in die andere auf ebenem Wege reisen zu können. Viel leicht hat unsere Nachkommenschaft das Glück, diesen erwünschten Übergang zu finden.

Lehtlich noch hat der Pater Boscovich, ein berühmter Mathematiker, ein neues System der natürlichen Weltweisheit bekannt gemacht. Sein Werk ist zu Wien herausgekommen, und führt den Titel: Philosophiae naturalis Theoria redacta

ad unicam legem virium in natura existentium. Auctore P. Rogerio Josepho Boscovich S. J. Seine Theorie, sagt der Verf., stimmt in einigen Stücken mit Leibnißens, in andern mit Newton's Gedanken überein; in den meisten aber geht sie von beiden ab. Alle Ihre Freunde wünschen Ihr Urtheil über dieses Werk zu vernehmen. Sie sind lange genug Zuschauer gewesen, und mögen nun einmal selbst auftreten !

Ihnen aber die Mühe in etwas zu erleichtern, will ich Ihnen vorläufig einen kurzen Begriff von dem System dieses Paters vorlegen. Aber, wie gesagt, mein Urtheil behalte ich in petto.

Das ganze System des Herrn Boscovich beruht, auf dem Geseze des Stätigen. Der Pater erklärt dieses allgemeine Gefeß der Natur folgendergestalt: „wenn eine Quantität aus einer ,,Größe in die andere übergeht, so muß sie alle mittlere Größen ,,durchreisen, die zwischen den beiden Gränzen anzutreffen find". In währender Veränderung also kommt jedem Augenblicke der Zeit ein bestimmter Zustand zu, der sowohl von dem vorhergehenden als von dem folgenden unterschieden ist. So wie aber die Dauer in einem fort geht, und jeder Augenblick nur gleichsam als der Übergang von der vorhergehenden in die folgende Zeit anzusehen ist; eben also betrachtet Hr. Boscovich den Zustand, welcher jedem Augenblicke zukommt, nur als die gemeinschaftliche Gränze zwischen der vorigen und der folgenden Größe. Will man die Dauer durch eine geradlinige Are, und die verschiedenen Zustände durch darauf stehende senkrechte Linien ausdrücken, so wird jedem Punkte der Are eine eigene senkrechte Linie zukommen; und die Gränzen aller diefer Linien werden eine einzige krumme Linie ausmachen, die nirgend durch Spigen oder Winkel unterbrochen ist, und in ihren kleinsten Theilen nirgend zur geraden Linie wird.

Daß ein solches Gesek in der Natur wirklich statt finde, beweist Hr. Boscovich einmal durch die Induction. So weit unsere Sinne reichen, geht keine Veränderung in der Natur vor, ohne daß dieses Gesetz auf das allergenaueste beobachtet werde. Es geschieht kein Wachsthum, keine Verringerung durch einen Sprung. Kein Körper wird aus einem Orte in den andern verfeht, ohne den dazwischen liegenden Raum zu durchstreichen. In' Ansehung der natürlichen Veränderungen, bei welchen eine Folge auf einander statt findet, hat dieses seine allergenaueste Richtigkeit. In Ansehung der neben einander seienden Dinge aber,

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