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265 leichtsinnige Zweifel zugeschrieben håtten, die man aus Morgengebeten und geistreichen Kirchenliedern widerlegen kann.

Der Styl in dieser Lobschrift ist ungemein affectirt, und fållt nicht selten in das Possierliche, z. B.: „Breßlau, die Hauptstadt in Schlesien, hat unsern geheimen Rath und Kanzler, Herrn Christian Freyherrn von Wolf, in ihrem Schoße her,,vorgebracht. Der vier und zwanzigste Tag des Jånners, ein ,,Tag, der auch in diesem Jahrhunderte, durch die Geburth eines ,,der größten Monarchen, noch merkwürdiger geworden, ward im ,,1679sten Jahre sein Geburthstag; und lieferte, des Abends ,,um halb 8 Uhr, Deutschland einen künftigen Weltweisen" u. f. w.

Daß sein Vater Christoph Wolf, ein gemeiner Bürger zu Breslau, und seine Mutter Anna, eine geborne Gillerinn, ge= wesen, würde ein Andrer so schlechtweg erzählt haben. Man bewundere aber die Tour des Hrn. Prof. Gottsched:,,war es ,,dem größten Weisen zu Athen keine Schande, eines Bildhauers; ,,und dem größten Redner daselbst, eines Waffenschmieds Sohn ,,gewesen zu seyn; so durfte sich auch unser Freyherr nicht schá,,men, daß sein wackerer Vater, Christoph Wolf, ein ehrlicher ,,Bürger zu Breßlau, sein Großvater gleichfalls nichts anders; ,,seine Mutter aber, Anna, eine gebohrne Gillerinn gewesen“. Wer hätte wohl geglaubt, daß man die Schande, eine ge= borne Gillerinn zur Mutter zu haben, mit dem Exempel der größten Männer aus Uthen bedecken müßte!

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,,Seine Geburth", erzählt der Hr. Verf. S. 5.,,,ward der „Wöchnerinn überaus schwer, und die Wehemütter wußten die ‚Schuld davon nur auf die besondere Größe der künftigen Werkstatt eines einmal so wirksamen Geistes zu schieben". Die be= sondere Größe des Kopfes würde in einer schönen Schrift zu gemein geklungen haben!

Vom Descartes urtheilt der Hr. Prof. Seite 25. ziemlich verwegen. Er nennt seine meditationes ein sehr seichtes Werkchen". Welche Kühnheit!

Der Hr. Prof. hålt sich öfters bei unerheblichen Kleinig= keiten allzu lange auf; und sein Werk könnte um die Hälfte kleiner, und dennoch wichtiger geworden seyn, wenn er das Unerhebliche hatte weglassen wollen. 3. B. S. 127. widerlegt er im Ernste tie Meinung Einiger, die das lange Leben des Hrn. Kanzlers bedauert haben,,,bloß weil sie dafür hielten: Er würde IV, 1.

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,,weit größer in den Augen der Welt geblieben seyn; wenn er ,,entweder nie nach Halle zurückgekommen, und also gleichsam ,,in beständiger Verfolgung und Verbannung geblieben; oder doch „bald nach seiner Zurückkunft in vollem Ruhme gestorben wåre“. Diese klugen und großen Personen", wie sie der Hr. Verf. nennt, müssen abenteuerliche Begriffe von einem ruhmvollen Tode, gleichsam auf dem Bette der Ehren, im Kopfe gehabt haben. Verdienen aber solche Einfälle widerlegt zu werden?

Die angehängten Beilagen von Zuschriften verschiedener Fürsten und anderer hohen Standespersonen an den seligen Hrn. Baron, und sonst merkwürdige Urkunden, enthalten viel wichtige Stücke. Vor andern hat uns folgendes Schreiben Sr. Majestät des Königes, als damaligen Kronprinzen von Preußen, an unsern Weltweisen, welcher zu derselben Zeit als Regierungsrath zu Marburg sich aufhielt, und diesem Prinzen den ersten Band feines Rechtes der Natur" zueignete, am merkwürdigsten geschienen. Dieses ist S. 107. in die Lobschrift selbst eingerückt worden; und wir können nicht umhin, solches unsern Lesern ganz mitzutheilen.

Monsieur,

à Rupin ce 23 de May 1740.

Tout être pensant, et qui aime la vérité, doit prendre part au nouvel ouvrage, que Vous venés de publier; mais tout honnête-homme et tout bon Citoyen doit le regarder comme un 'Trésor, que Votre Libéralité donne au monde et que Votre sagacité a découvert. J'y suis d'autant plus sensible, que Vous me l'avés dédié; c'est aux Philosophes à être les précepteurs de l'univers, et les Maîtres des Princes. Ils doivent penser conséquemment, et c'est à nous de faire des actions conséquentes, ils doivent instruire le monde par le raisonnement, et nous par l'exemple; ils doivent découvrir et nous pratiquer.

Il y a longtems que je lis Vos ouvrages, et que je les étudie: et je suis convaincu, que c'est une conséquence nécessaire pour ceux, qui les ont lûs, d'en estimer l'auteur. C'est ce que personne ne sauroit Vous refuser, et relativement à quoi je Vous prie de croire, que je suis avec tous les sentimens, que Votre mérite exige, Monsieur,

Votre très affectionné
Frederic P. R.

Man muß dem Hrn. Prof. unstreitig für die Mittheilung dieser und anderer merkwürdigen Urkunden ungemein verbunden seyn; aber kann man ihm wohl verbunden seyn, daß er sich

unterwunden hat, aus diesen Materialien ein Gebäude aufzuführen, ob es ihm gleich, wie man aus allem ersehen kann, an der gehörigen Einsicht, sie als ein würdiger Lobredner zu gebrau chen, gefehlt hat? Er hat uns eine magere Chronik von Wolf's Leben geliefert, mit solchen Anmerkungen untermischt, wie sie zuweilen die Chronikschreiber des dreizehnten Jahrhunderts zu machen pflegten. Die Stelle einer månnlichen Beredsamkeit, welcher es zukömmt, das Andenken großer Geister zu verewigen, nimmt ein kanzleistylhaftes und `oft possierliches Wortgeprånge ein, so wie es sich kaum in die Personalien einer nach dem Schlendrian eingerichteten Leichenpredigt schicken möchte.

Sind denn die schönen Wissenschaften so gar erstorben bei uns, daß die Hoffnung verloren seyn sollte, einen deutschen Fontenelle aufstehen zu sehen, der einem großen Geiste ein würdiges Andenken stiftete? einem Geiste, dem jeder, auch der nicht auf seine Säße geschworen hat, zugestehen wird, daß er die Ehre seines Vaterlandes und der Welt gewesen ist. Dürften wir es wagen, einen Sulzer, einen Kästner zu einem so rühmlichen Unternehmen zu ermuntern!

Principes pour la Lecture des Orateurs. 3 Tomes, à Paris chez Durand et Pissot 1753. 1089 Seiten in 8°.

Oder:

Grundsähe und Anweisung die Schriften der Redner zu lesen, aus dem Französischen übersezt von C. L. R. 3 Th. Hamburg bey Christian Herold, 1757. 888 Seiten in 8°.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 2. Stück 2. 1758. G. 336-365. und Bd. 3. Stück 1. 1758, S. 29-56.)

Dieses Werk ist in Frankreich mit dem Beifalle aufgenom men worden, den es verdient. Der Verfasser, von welchem in der Approbation des Königl. Censors gesagt wird, daß er schon durch andere gelehrte Werke bekannt sei, und der sich, vermuthlich aus Bescheidenheit, nicht hat nennen wollen, besißt einen

feinen, aber nicht verzårtelten Geschmack; er verehrt das Alterthum, ohne es anzubeten, und ist Philosoph genug, in Sachen, die den Geschmack betreffen, auch den Verstand nicht unbeschäf tigt zu lassen. Er verspricht Grundsäge, die Schriften der Redner zu lesen; aber wahrlich! sein Werk enthält eine vollständigere Redekunst, als der größte Theil der neuern Schriften, die unter diesem Namen bekannt sind.

In der Einleitung S. 47. fagt der Verf., er habe oft beim Rollin gelesen, daß keine Art, die Redekunst zu lernen, „besser seyn würde, als wenn man aus den Quellen selbst schöpfte, ,,nämlich aus dem Aristoteles, Dionysius von Halicarnak, Lon,,gin, Cicero und Quintilian; wenn nur nicht diese Bücher, und ,,vornehmlich die griechischen, für die studierende Jugend zu schwer ,,wåren". Fénélon habe nicht selten eben denselben Wunsch geäußert. Dem Rathe dieser berühmten Männer zufolge habe er es unternommen, die Jugend mit denen Schriftstellern des Alterthums bekannt zu machen, die sonst am meisten über ihre Fåhigkeit sind. Unter allen andern hat er sich vornehmlich an Aristoteles, Cicero und Quintilian gehalten.

Die Redekunst des Aristoteles, fährt er S. 49. fort, ist nach dem einstimmigen Geständnisse aller Kenner ein vortreffli ches Werk, und seine Abhandlung von den Leidenschaften insbesondere ist aus der Natur und der Wahrheit geschöpft. Gi bert *) sagt: dieser Lehrer der Beredsamkeit ist noch heutiges Tages der Meister aller Meister, selbst Cicero und Quintilian nicht davon ausgenommen. Unser Verf. betrachtet ihn S. 52. als einen philosophischen Redner und den Vater der Erklärungen, ob sie ihm gleich nicht alle völlig gelungen seyn mögen. Er ist ein Lehrer, sagt er, der seine Schüler unterweist, nicht nur in bloßen Worten, sondern in wirklichen Sachen beredt zu seyn; und seine Regeln haben mehr die Aufklärung des Verstandes, als die Lösung der Zunge zur Absicht. Da er selbst vom Plato **) gebildet worden, welcher vom Sokrates den herrlichen Grundsaß erlernt hatte, daß die Wahrheit allezeit eine Quelle

*) Règles d'Éloquence p. 4.

**) Der Überseger begeht hier eine sträfliche Nachlässigkeit, zu sagen:,,da er vom Sokrates gebildet worden, welcher vom Plato den herr,,lichen Grundsag erlernt," u. s. w.

der Schönheit sei; so geht er beständig bis zu den ersten Gründen zurück, und seht unveränderliche Regeln fest. Er bemüht sich, die Menschen beredt zu machen, indem er ihren Verstand verbessert. Zu diesem Ende hat er sich der geometrischen Lehrart bedient, alles sorgfältig erklärt und auf bestimmte Begriffe zurückgeführt, damit die Seele ordentlich denken, und sich deutlich und richtig ausdrücken lerne. Daher entstand die umständliche Be= schreibung von den dreien Gattungen der Beredsamkeit, was sie mit einander gemein haben, und worin sie unterschieden sind. Von diesen schreitet er zu einer großen Mannigfaltigkeit von Mitteln, eine Sache von verschiedenen Seiten zu betrachten. Alsdann folgt die Betrachtung über den Ursprung, die Ursache, Wirkung und Erregung der Leidenschaften; und zulegt eine kurze und strenge Dialektik, in welcher Grundsäße festgeseht werden und von Schluß auf Schluß fortgegangen wird, dergestalt, daß das Werk des Aristoteles ein so zusammenhangendes Ganze ausmacht, daß man schwerlich einen Theil davon trennen kann,ohne es völlig zu verunstalten. Der Verf. gesteht aber auch, daß dieses Werk des Aristoteles vieles enthalte, das wenigstens für unsere Zeiten unbrauchbar sei. Er habe ihn daher öfters verlassen, und sich beim Cicero, Quintilian und vielen von den neuern Schriftstellern Raths erholen müssen.

In der Folge giebt er eine umständliche Nachricht von der Einrichtung seines ganzen Werks. Dieses ganze Werk", sagt er,,,besteht aus sechs Büchern. In dem ersten wird die Be„redsamkeit überhaupt, nebst ihren verschiedenen Gattungen und ,,Arten, untersucht. Das zweite handelt von dem Ursprunge „und der Natur der Redekunst, von ihrem Endzwecke, und von ,,den Hülfsmitteln, die sie sowohl von der Natur, als von der Kunst erhält. Hier habe ich mich bloß an Aristoteles Grund„fäße gehalten, und das Wesentlichste, was er davon in seinem ersten ganzen Buche und in einem Theile des zweiten sägt, ,,forgfältig zergliedert; was mir darin dunkel vorgekommen, er„klårt, und zu seinen Regeln Beispiele hinzugethan, wo sie im "Griechischen entweder gänzlich fehlen, oder mir nicht bequem genug geschienen haben. Nächst diesem habe ich die Lehre von ,,den gemeinschaftlichen Örtern (Locis communibus), als welche gemeiniglich in allen Rhetoriken unter dem Titel: von der Er,,findung vorzukommen pflegen, vorgetragen, und die Meinungen

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