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schönen Geister rechnen, an Stellen, wo weit weniger wichtige Schriften und Beispiele gemeldet werden, welches nicht selten eine ziemliche Übereilung zu verrathen scheint. Doch vielleicht hat der Hr. Verf. gedacht:

tuque

Rectius Iliacum carmen deducis in actus,

Quam si proferres ignota indictaque primus.

Aber er hätte auch billig, sonderlich bei Anführung mancher Erempel und Regeln, denken sollen:

Publica materies privati juris erit, si

Nec circa vilem patulumque moraberis orbem,
Nec verbum verbo curabis reddere fidus
Interpres.

The Pleasures of Imagination, a Poem in three Books, by Dr. Akenside. London, printed for R. Dodsley at Tidly's Head in Pallmall. MDCCLIV. d. i. die Ergohungen der Einbildungskraft; ein Ge= dicht in drei Büchern von Dr. Akenside.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 2. Stück 1. 1757. S. 91-124.)

Von diesem vorzüglich schönen Gedichte ist uns eine wohlgerathene übersehung zugeschickt worden, für deren Mittheilung wir hiermit dem Herrn Übersetzer öffentlich danken. Wir hatten ihr gleich in unserm Iten Stücke einen Plaz bestimmt, mußten fie aber wieder zurücknehmen, als wir erfuhren, daß eine andere übersehung, zu Greifswald, in dem Weitbrechtischen Verlage, bereits die Presse verlassen habe. So selten nun die guten Überfegungen aus dem Englischen unter uns sind, so konnten wir doch unmöglich vermuthen, daß man sich an einen so schweren und philosophischen Dichter wagen würde, ohne dem Unternehmen wenigstens einigermaßen gewachsen zu seyn. Akenside ist fast eben so schwer zu übersehen, als Young. Sie haben beide so viel eigenes, daß etwas mehr als Kenntniß der Sprache

erfordert wird, um sie zu übersehen. Man muß sich ihre tiefsinnige Denkungsart zu eigen machen, und alle die Nebenbegriffe lebhaft fühlen, mit welchen sie ihre Gemålde zieren; man muß die nöthigsten Beiwörter wählen, wenn sich nicht alle in unsere Sprache übertragen lassen, ohne den Perioden steif zu machen und die Hauptbegriffe allzu sehr zu beladen; man muß öfters ihren Gedanken einen ganz andern Schwung geben, wenn sie in der Überseßung ihr Leben und ihren Geist behalten sollen. Kurz! man muß wie ein Ebert, und wie der Verfasser der uns zugeschickten Überseßung selbst denken, wenn man solchen Geistern nacharbeiten will, ohne sie zu verunstalten. Der größte Haufen von unsern Überseßern aber, und besonders diejenigen, welche für die übersehungsfabriken arbeiten, lassen es ihr erstes Geset seyn, sich nicht von den Worten der Urschrift zu entfernen. Sie glauben getreulich überseht zu haben, wenn der Leser die übersehung eben so wenig versteht, als er die Urschrift verstanden håtte. Von diesen elenden Schriftstellern unterscheidet sich der Verfasser der gedruckten übersehung nur an sehr wenig Stellen; in den übrigen ist er ein Sklave seiner Urkunde, und zwar ein Sklave, der zu wenig Einsicht hat, um die Meinung seines Herrn zu verstehen, und daher bloß seinen Worten folgt. Er hat erstaunenhauchende Geschichtchen“, „ein rosenfarbigtes Låcheln“, „verwelkliches Wiederhallen“, „eine wasserblaue Schwester der Fluth",,,kühlwedelnde Lüftchen",,,die Locken bey Seite we= ben“ und dergleichen kräftige Ausdrückungen mehr, mit welchen er unsere Muttersprache bereichert. Auch von seinem Verståndnisse der Urschrift läßt er uns nicht die beste Meinung schöpfen. Folgende Stellen aus dem Iten Buche mögen hiervon zur Probe dienen. Gleich in der Anzeige des Inhalts giebt er natural concretes (Steingewächse) durch Naturgaben". V. 14. sagt Akenside von der Fiction: sie führt auf ihren flatternden Schwin,,gen_tausend Farben durch die Luft, welche ihr Zauberblick in ,,unzählige Gestalten vermischt", und diese Gestalten nennt er her wild creation (ihre wilde Schöpfung). Unser überseher liest diese drei Worte mit der folgenden Anrufung der Harmo nie, weld anfångt: Goddess of the lyre u. f. w., zusammen und seht ihre wuve Schöpfungsgöttinn der Leyer. V. 39. must string his nerves verdeutscht er S. 12.: den Pfad auszeichnen. Akenside sagt von den Weltweisen V. 105.:

IV, 1.

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they see portrayd

That uncreated beauty, which delights

The mind supreme. They also feel her charms
Enamour'd they partake th' eternal joy.

Sie sehen die unerschaffene Schönheit geschildert, welche das höchste Wesen vergnügt. Auch sie fühlen ihre Reize entzückt, ,,und nehmen Theil an der ewigen Freude." Unser überseher giebt hier the mind supreme durch den erhabensten Geist", und das nachdrückliche also durch überdieß, und zernichtet den ganzen Gedanken. Blast the Spring verdeutscht er:,,den Früh ling vergnügen". . 317. and every end accomplish'd (und jede Absicht erfüllt) durch: jede Seite zu ihrer Vollkommenheit gebracht; V. 378. a rash and impetuous aim: ein unbesonnener mangelhafter Vorsah. Akenside redet V. 449. von der Schönheit in Linien und Körpern, in the line and variation of determin'd shape; und unser überseher hat den unglücklichen Einfall gehabt, das. Wort line hier durch Reihe zu verdeutschen. Ingenuous youth heißt bei ihm ein sinnreicher Jungling"; harmonious numbers: harmonische Verwunderung, und pleasing call: ein ehrwürdiges Gepräge. Kurz! wir sind müde, alle Fehler dieser vernachlässigten übersehung aufzusuchen; und müssen besorgen, die Leser durch unsere Kritik eben so einzu schläfern, als es der deutsche Akenside, gewiß ohne Verschulden des engländischen, thun muß, wenn man mehr als eine Seite darin liest. Wir eilen vielmehr, unsern Lesern von diesem Ge dicht einen Begriff zu machen, und die Vergleichung desselben mit Withof anzustellen, die wir in unserm Iten Stücke *) vers sprochen haben. Wir werden uns bei dieser Gelegenheit meistens der eingeschickten Überseßung bedienen, weil sie getreu und auch zierlich ist.

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In dem vorangefeßten Entwurf (Design), welcher in der gedruckten übersehung, wir wissen nicht, warum, ausgelassen worden, sagt der Verf.: Es giebt gewiffe Vermögen in der ,,menschlichen Natur, die zwischen den körperlichen Gliedmaßer ,,der Empfindung und der eigentlichen Fähigkeit, das Sislíche ,,wahrzunehmen, ein Mittel zu halten scheinen. Disse hat man ,,mit dem allgemeinen Namen der Vermögen der Einbildungs ,,kraft belegt. Da fie die Quelle von vielen Ergötungen sind,

*) f. oben S. 160.

„so haben sich die Menschen bemühet, ihre angenehme Empfin= ,,dungen in der Seele zu erregen, wenn auch die Gegenstände ,abwesend sind, von welchen sie natürlicher Weise herstammen; ,,und dieses war der Ursprung der nachahmenden Künste. Ei,,nige von diesen Künsten, als die Maler- und Bildhauerkunst, schildern die äußerlichen Erscheinungen, so wie sie sind. Andere ,,hingegen, als die Musik und die Dichtkunst, führen sie durch ,,allgemein angenommene und verstandene Zeichen in das Ge,,dächtniß zurück *). Als man in der Folge der Zeit über die „Künste mehr nachgedacht, hat man zwar ihre Gränzen über die „Gegenstände der eigentlichen Vermögen der Einbildungskraft ,,ausgedehnt. Da aber ihre allererste Absicht nichts anders war als, die Gegenstände der Einbildungskraft abzubilden, so ,,behielten sie in ihrem Fortgange immer noch ihren ursprüngli,,chen Charakter; und alle Ergötungen, die sie erregen, werden „überhaupt die Ergöhungen der Einbildungskraft genannt. Der ,,Endzweck des gegenwärtigen Gedichts ist daher, diese Ergößungen ,,in ihrem weitesten Umfange zu betrachten, dergestalt, daß alles. ,,angenehme, welches unsere Einbildungskraft in den Erscheinun,,gen der Natur empfindet, alles was in der Dichtkunst, Male,,rei, Tonkunst, und in den übrigen schönen Künsten gefällt, ,,von den Grundsäßen herzuleiten seyn soll, die hier, zufolge ,,der Beschaffenheit unserer Seele, festgesetzt werden".

Der Verf. erzählt in der Folge die Art und Weise, wie er dieses auszuführen gesucht hat. Er hat sich vornehmlich an die Addison'sche Eintheilung aller Gegenstände der angenehmen Empfindung in große, neue und schöne gehalten, und diese mit den übrigen Quellen des Vergnügens, als der Ähnlichkeit, Wahrheit, Beförderung der Absichten und Erregung der Leidenschaften, verglichen. Von diesen kömmt er auf das Lächerliche, eine Quelle des Vergnügens, die noch von wenigen Moralisten ist berührt worden; und endlich auf das Vergnügen, das aus der Vergleichung oder Beziehung verschiedener Gegenstände auf einander, und aus der Nachahmung selbst entspringt. Seine Philofophie ist eben nicht die gründlichste, und bezieht sich auf die Hutcheson' schen Grundsäge, von welchen man sich gewiß wundern möchte,

*) Daß dieses von der Sunkunst falsch sei, und daß sich dieselbe gleichfalls der natürlichen Zeichen bediene, zeigt die Abhandlung von den · Quellen und Verbindungen der schönen Künste im 2ten Stücke unserer Bibliothek S. 245. (S. Bd. I. dieser gesammelten Schriften“ Seite 292.)

wie sie bei einigen deutschen Weltweisen so viel Beifall haben finden können. Doch dieß ist hier unsere Sache nicht, wir eilen also zu dem Gedichte selbst.

Erstes Buch.

„Eröffne, mein Gesang, mit welchen anziehenden Reizungen ,,die göttliche Bildung der Natur die willigen Herzen der Sterb„lichen rührt, und was für gefällige Schäße die schöne Nach,,ahmung daher leitet *), die Arbeit der Dichter und Maler zu schmücken." Hierauf erfolgt die allerfeierlichste Anrufung. Der Dichter ladet die Schußgeister des musikalischen Vergnügens, die Phantasie, die Erdichtung, die Harmonie und mit ihr die Auf,,seherinn ihrer lieblichen Scherze, die majestätische Wahrheit, zu ,,seinem Gefange ein. Denn wo die Wahrheit zu kommen ge= ,,ruht, da ist ihre Schwester, die Freiheit, nicht ferne.

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Vom ,,Himmel beginnet mein Gesang. Vom Himmel steiget die ,,Flamme des Genies, Liebe und Schönheit, Dichterfreude und ,,Begeisterung in die menschliche Brust. Ehe noch die strahlende Sonne in Often hervortrat, ehe noch, mitten im Gewölbe der ,,Nacht, der Mond seine sanftscheinende Lampe aufhing, ehe ,,Berge, Wälder und Flüsse den Erdball zierten, oder die Weis,,heit die Menschenkinder unterrichtete; da lebte der allmächtige ,,Eine. Tief in sein unergründliches Wesen gekehrt, übersah er ,,die Gestalten, die ewigen Gestalten der jetterschaffenen Dinge, ,,die strahlende Sonne, des Mondes nächtliche Lampe, Berge, Wälder und Flüsse, den rollenden Erdball, und der Weisheit ,,himmlische Bildung. Auf sie war, von Ewigkeit her, seine ,,göttliche Liebe, seine Bewunderung **) gerichtet, bis zur vollen,,deten Zeit sein belebendes Lächeln, was er geliebet und bewun,,dert hatte, ins Daseyn entfaltete". Dieser große Schauplak aber ist nicht jedem sterblichen Auge gleich weit enthüllt. Die

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*) Dem Hrn. Verf. des,,Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit" dient zur freundlichen Erinnerung, daß

to deck the Poet's or the Painter's toil

nicht heißt: des Dichters oder Malers Blatt zu bedecken, wie er solches in seiner Recension unseres vorhabenden Gedicht geglaubt hat.

**) His admiration. Otejer Ausdruck ist vielleicht in Ansehung Gottes etwas unanständig. Klopstock sagt: kann der bewundern, der die Sterne gemacht hat?

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