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die mehr als kindische Eitelkeit der überflüssigen Reichthümer vor; er wird gewiß noch rasender werden, und vielleicht den leidigen Tröster am ersten foltern lassen wollen. Sagen Sie ihm hingegen: man håtte irgendwo ein graurothes Kästchen ge= fehen, bas - - ; ben Augenblick wird fich fein Geficht auf heitern, und er wird Sie noch freudiger umarmen, als der trübsinnige Weise, der vor seiner Vernichtung geschauert, und der jest von Ihnen seiner Unsterblichkeit versichert worden wäre. Haben aber deswegen alle moralische Gründe, die uns die elende Thorheit des Geizes lehren, gar keinen Nugen? oder sind sie immerdar unkräftig, einen Menschen von diesem verderblichen. Laster abzuhalten, auch wenn er sie sich in gleichmüthigen Stun den eingeprägt und durch eine wiederholte Übung gleichsam in sein eigen Blut verwandelt hat? Das Daseyn, das ich der Zers nichtung entgegenseße, ist nur in der Demonstration, wo ich nothwendig allgemeine Formeln brauchen muß, ein abstracter Begriff. In der Anwendung auf besondere Fälle, die ich dem practischen Sittenlehrer überlasse, kann es niemals von allen Vollkommenheiten leer feyn. Wo Mångel sind, da müssen auch Realitäten anzutreffen seyn. Das Gefühl der Schmerzen selbst zeigt auf einen gewissen Grad der Realität, der durch die Unvollkommenheit eingeschränkt, aber nicht gänzlich aufgehoben wird; und ich glaube bewiesen zu haben, daß der mindeste Grad der Vollkommenheit, in Vergleich gegen eine Zernichtung, unsrer Wahl den Ausschlag geben müsse. Nach meinen Begriffen wer den angenehme und unangenehme Empfindungen durch keine bestimmte Gränzen getrennt, weil beide nichts, als relative_Begriffe sind, die sich von dem kleinsten Grade der Realitåt in einer langen Reihe bis an das Unendliche erstrecken; und die Bernichtung ist ihr Abgrund.

Sie fragen mich irgendwo in Ihrem Schreiben: soll das Gefühl meines Daseyns angenehm oder schmerzhaft seyn?" Zergliedern Sie diese Frage. Soll ich mir die Begriffe, die ich habe, gern vorstellen wollen, oder ungern? Sollen sie mich vollkommener oder unvollkommener machen? Sollen sie die Gränzen meines Daseyns nåher einschränken, oder erweitern? Erinnern Sie sich hierbei, daß hier die Frage nicht ist, ob ich diese Begriffe, oder irgend andere wählen soll. Nein! To be or not to be, that is the question. Die Frage ist, ob mein Daseyn die Gränzen meiner Realität mehr oder weniger erweitern wird, als

meine Zernichtung. Wird es noch nöthig seyn, hierauf zu ant

worten ?

Ich komme zu einer Stelle in Ihrem Schreiben, wo ich besorge, Ihren Sinn nicht recht getroffen zu haben. Ich werde mir also eine nähere Erklärung darüber ausbitten müssen. Sie legen mir eine Vertheidigung in den Mund, die nicht besser hätte. ausgedrückt werden können. Das Gefühl des Daseyns", sagen Sie in meinem Namen,,,besteht in der Deutlichkeit, Wirksamkeit und dem Umfange der Kraft, sich die Dinge vorzustellen; und dieses ist für keine Kleinigkeit zu achten." Wohl! dieses sei meine Antwort. Wenn Sie aber, um mir auch diese Ausflucht zu benehmen, die Frage aufwerfen: macht uns unsere Vorstellungskraft deswegen glücklich, weil sie viel deutliche und vollstän dige Begriffe hervorbringt; oder darum, weil sie von solchen Gegenständen viel deutliche Vegriffe hervorbringt, die uns Vergnügen erwecken?" u. f. w.; so gestehe ich, daß ich nicht mit Ihnen geantwortet håtte: mich däucht, es ist das Leştere." Ich würde mich vielmehr auf alle Briefe des Theokles an Euphranor berufen *), worin ich ausgemacht zu haben glaube, daß uns diejenigen Vorstellungen angenehm sind, die unserm ursprünglichen Bedürfnisse, unserm Bestreben nach Erkenntnissen zuträglich sind. Die Gleichnisse, die Sie zu Bestätigung Ihres Sages angeführt, scheinen mir nichts weniger als überzeugend. Der menschliche Körper geråth wirklich in einen bessern Zustand, d. h. er wird gesünder, wenn die Wirksamkeit aller seiner Kräfte in einem gleichmäßigen Verhältnisse zunimmt. In einem hißigen Fieber werden nur die Lebensbewegungen heftiger, die natürlichen hingegen nehmen ab; die Verdauung geht nicht vor sich, die Ausdünstung wird unterbrochen u. f. w. Wundert man sich noch, daß ein hißiges Fieber eine Krankheit sei?

Die lebhafte Erkenntniß des Fiebers, die Sie sich auf Ihre Kosten erworben haben, ist Ihnen unangenehm, weil sie im genauen Verstande vielmehr ein Mangel des Erkenntnisses zu nennen ist. Sie erkennen nichts, als eine Unvollkommenheit in Ihrem Körper, eine Mißstimmung in seinen Fibern, wodurch ihre eigene Realität auf eine Zeit lang eingeschränkt, und Ihr ganzes Wesen unvollkommner wird.

*) B. I. Seite 107.

Wenn ein Wesen, das in widrige Leidenschaften verwickelt ist, deutliche Vorstellungen erlangt, so verschwinden die Leidenschaften, weil sie nothwendig dunkle Begriffe zum Grunde haben müssen; und ein Arzt, der eine vollkommene Einsicht hat von einer Krankheit, in welche er selbst verfallen ist, muß desto mißvergnügter seyn, je mehr diese Wissenschaft seine Furcht vergrößert, und je gewisser sie ihm den nahen Tod vor Augen legt. Was Sie von den bösen Geistern sagen, ist mir völlig unbegreiflich. Ich glaube, der T... selbst kann nichts begehren, nisi sub ratione boni. Das Widerspiel hiervon streitet mit den ersten Gründen unseres Erkenntnisses. Wenn ein Geist eine deutliche und lebendige Erkenntniß von dem Guten und Bösen hat, so muß er das Gute wollen, oder er wird von dem Schöpfer ursprünglich zum Bösen bestimmt seyn, d. h. Gott muß ihn ursprünglich bestimmt haben, an seiner eigenen Vernichtung zu arbeiten. Ein ungeheurer Begriff, der nur in einer poetischen Welt für möglich angenommen werden kann! Jedoch auch die Dichter erlauben sich keine solche ungebundene Freiheit; sie lassen den König der Hölle selbst nie etwas ohne Bewegungsgrund beschließen; er schmiedet die entseßlichsten Anschläge, er sinnt auf Bosheit, bloß aus eitler Ruhmbegierde:

He trusted to have equal'd the most High,
If he oppos'd.

Es liegt also lauter Unwissenheit, lauter falsche Urtheile liegen zum Grunde, die ihm sein Vorhaben als wirklich gut vorstellen; und wenn die Dichter an manchen Stellen hiervon abgewichen zu seyn scheinen, so kann ihr Versehen der Wahrheit keinen Eintrag thun. Nach den Begriffen, die wir uns von Gott und von dem Wesen eines Geistes machen müssen, ist der årgste Schalk, von einer gewiffen Seite betrachtet, ein Thor; und wenn Satans Erkenntniß so lebendig als groß, wenn seine Fasfungskraft so deutlich als schnell wäre, so wäre Satan moralisch nothwendig ein Engel.

Der zweite Tadel, den Sie wider meinen Beweis vorbringen, beruht auf der Gleichgültigkeit, mit welcher, nach Ihrer Meinung, ein Unglåubiger bas größte libel, bas der Berniditung, ansehen muß. Sie nehmen über sich, zu beweisen, daß der, welcher seiner Meinung nach der Zernichtung höchstens nur eine Zeit lang entrinnen kann, durch die Vernunft verbunden sei, sich

zu allen Zeiten und in allen Umständen, in Glück und Unglück, in Freude und Leid, das Leben zu nehmen. Hier ist es eigentlich, wo Sie dasjenige wieder bestreiten, was Sie mir Anfangs scheinen zugegeben zu haben. Was soll ich hierauf antworten? Verzeihen Sie meine Hartnäckigkeit! Ich glaube, Ihre Art, den Ungläubigen ad absurdum zu bringen, wird meinem Beweise erst den Nachdruck geben, der ihm sonst gefehlt hätte. Ich ge= stehe es, liebenswürdiger Gegner! Sie haben mir in dem System der Zernichtung eine Aussicht gezeigt, die ich nicht genug bewundern, nicht genug verabscheuen kann. Hätte ich diesen Gedanken vormals so deutlich eingesehen, als er mir jest in die Augen leuchtet, so würde ich dem Ungläubigen meine Schlingen nåher gelegt haben.

,,Du gestehest es", hätte ich ihn angeredet, daß alle deine Wünsche, alle Bestimmungen deines Willens auf eine wahre oder scheinbare Vollkommenheit abzielen. Entweder du fühlst es, daß diese Vollkommenheit, dieser Endzweck aller deiner Begierden eine Ewigkeit in sich faßt, weil eine Realität von einer einge= schränkten Dauer unwürdig ist, dem Bestreben eines vernünftigen Wesens zum Ziele gefeht zu werden; oder du nennst die Ewigkeit eines zufälligen Dinges ein Hirngespinnst, und glaubst, eine zeitliche Vollkommenheit interessirt dich genug, um sie einer Unvollkommenheit vorzuziehen." Denn wahrlich, eines von beiden muß er annehmen, wenn er Geduld genug hat, auf sich selbst Acht zu haben.

Gesetzt, er behaupte das Erstere, so wåre er durch einen einzigen Vernunftschluß auf die håßlichste Behauptung zu bringen, die jemals ist gedacht worden, und von welcher Sie mit Recht sagen, daß sie die Natur eines jeden vernünftigen Wesens aufwiegele. Er wird nichts wünschen, nichts wollen, nichts verlangen können; und sowohl das wahre, als das scheinbare Gute muß in seinen Augen alle Vorzüge verlieren, wodurch sie fähig seyn könnten, seine Wahl zu bestimmen. Kurz! er wird in Glück und Unglück, in Freude und Leid verbunden seyn, sich die Kehle abzuschneiden.

Will er also in seinem Unglauben beharren, so muß er zu dem leztern Falle seine Zuflucht nehmen. Er muß sagen:,,lasset die Vollkommenheit, die ich erreichen kann, immer von einer eingeschränkten Dauer seyn. Das Loos eines endlichen Wesens bringt es also mit sich. Es würde nach Unmöglichkeiten streben,

wenn es sich in allen seinen Begierden eine Ewigkeit zum Ziele sehen wollte. Meine Vorstellungskraft ist auf eine solche Vollkommenheit bestimmt, die sowohl der Dauer, als dem Grade nach endlich ist. Diese innerliche Bestimmung ist meiner eingeschränkten Natur gemäß, und ich kann immer noch eine zeitliche Vollkommenheit einer ewigen Unvollkommenheit vorziehen." Nimmt er dieses an, so kann ich beweisen, daß ihm vermöge seiner Natur kein Augenblick verächtlich seyn muß, um welchen er seine Realitåt verlängern kann. Das Mehr und Weniger kann hier in der Natur der Sache nichts ändern. Zieht er ein fröhliches Leben von 100 Jahren seiner Bernichtung vor, so muß ihm die kürzeste und mit den größten Qualen verknüpfte Dauer diesen Vorzug verdienen. Glück und Unglück, Freude und Leid muß ihm vollkommen einerlei seyn, wenn zwischen Seyn und Nichtseyn gewählt werden soll; denn ein einziger Augenblick ist für ihn eine Ewigkeit.

Ich bin müde, aus diesem Tone zu sprechen. Wie můde müssen Sie nicht seyn, mir in diesem Tone zuzuhören! Ich will also schließen, und nur noch eine einzige Bitte hinzuthun.. Seien Sie versichert, daß ich keine andere Tugend an meinen Freunden zu mißbrauchen pflege, als ihre Geduld, und daß mich nichts mehr vergnügen wird, als wenn Sie fortfahren werden, mir Ihre vortrefflichen Gedanken mitzutheilen.

Berlin d. 1 Mai 1756.

Ich bin Zeit Lebens
Ihr

unveränderlicher Freund Moses.

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