Page images
PDF
EPUB

auch C-cis: C-cis-D: cis. Ebenso verhält sich D-dis: D, dis-E: dis, E-F:E, F-fis: F, fis-G: fis, G-gis: G, gis-A:gis, A-B: A, B-H:B und H-c:H; welches alles auf die nämliche Weise bewiesen werden kann. Richtet man also die gefundene Entfernung C-cis (Fig. 6.) auf die Saite C senkrecht in die Höhe, und vollendet den Triangel, so lassen sich alle übrige Entfernungen cis-D, D-dis, dis-E, E-F u. f. w. gar leicht finden, und die lehte Entfernung -c muß, wenn alles richtig beobachtet worden, auf den Punkt c, als die Hälfte der größten Saite, einfallen, welches jedem Anfänger in der Mathematik bekannt ist.

H

Ich glaube nunmehr alles gesagt zu haben, was zum Verständnisse der vorgeschlagenen Construction nöthig ist. Der mechanische Künstler kann dieß auf Glauben annehmen, wenn er sich mit den mathematischen Gründen nicht abgeben will. Er hat aber alle mögliche Sorgfalt anzuwenden, daß er alles genau vollstrecke, was ihm vorgeschrieben wird. Ich werde ihm die Arbeit soviel als möglich abzukürzen suchen, und zugleich einen Weg an die Hand geben, da sich am Ende bald zeigen wird, ob er vorsichtig genug gewesen.

Über die Länge der Saite AB beschreibt er (Fig. 1.) aus der Mitte C den Halbkreis ADEB, richtet in C die Linie CD senkrecht auf, und zicht AD. Diese Linie AD trågt er aus A in F, richtet in F die Linie FD senkrecht auf, und zieht AE. über AF beschreibt er aus der Mitte G den halben Zirkel AHF, richtet in C abermals die Linie CH senkrecht auf, und zieht AH (Fig. 5.). Alsdann trågt er AE aus A in dis, AD aus D in fis, AH aus A in A, und Ac aus A in C.

Ferner theilt er die Linie AB in E in zwei gleiche Theile (Fig. 3.) und beschreibt aus A mit dem Halbmesser AE den Kreisbogen EC, trägt die Länge der Saite dis (aus der 5ten Fig.) aus E in C, und verlängert sie, soviel als nöthig seyn. kann. Gleichergestalt zieht er aus B durch C eine gerade Linie unbestimmt hinaus. Sodann legt er eine Regel in A, und ver schiebt sie so lange hin und wieder, bis der Theil der Regel FG, der zwischen den beiden verlängerten Linien eingepaßt ist, ganz genau mit AE oder EB übereinkömmt, und beschreibt die Linie FGA.

Die beiden Linien CF und AG trågt er (in der 5ten Fig.) aus A in cis und in D. Will er diese beide Linien CF und

GA auch nach der Fig. 2. suchen, so kann er sich oben, Fol. 4., Raths erholen, wie solches zu bewerkstelligen ist. Er kann solchergestalt desto sicherer gehen, wenn er findet, daß die in beiden Constructionen gefundenen Linien GA und CF vollkommen übereinkommen; doch dürfte diese Weitläuftigkeit unnöthig seyn, wenn man bei der Einpassung der Linie FG nur vorsichtig genug ist.

Hat man aber die Entfernung C-cis so genau als mögs lich gefunden, so weiß jeder Künstler schon, wie er die übrigen alle zu suchen hat; und braucht es weiter keines mühsamen Aufreißens der dritten Figur, die sonst viermal mit der größten Sorgfalt gezeichnet werden müßte. Er zieht nämlich die Linie CD (Fig. 6.) so groß, als die Saite C, richtet in C die Linie CE =C-cis senkrecht auf, und zieht ED. Die Länge C-cis trågt er ferner aus C in A, und richtet die Linie AB senkrecht auf; diese ist cis-D. Gleichergestalt trägt er AB aus A in F und richtet FG senkrecht auf; so ist FG-D-dis; und eben also findet er dis―E, E-F, F-fis, fis-G, G—gis u. f. w.

Da er nun die Punkte D, dis, fis, A, c (Fig. 5.) bereits durch die vorige Construction herausgebracht hat, so hat er eine untrügliche Probe, ob er alles nach Vorschrift genau vollzogen oder nicht. Denn da er vermittelst der einzigen Entfernung C — cis durch den Triangel CDE (Fig. 6.) alle übrige ohne Schwierigkeit finden kann, so wird sich's bald zeigen, ob die durch Fig. 6. herausgebrachten Punkte D, dis, fis, A, c auf die (Fig. 5.) durch andere Wege bestimmten Punkte D, dis, fis, A, e fallen oder nicht. Im ersten Falle kann der Künstler versichert feyn, die vollkommenste Temperatur herausgebracht zu haben, die nicht nur dem Gehör gleichschwebend deuchtet, sondern auch dem Verstande Genüge leistet, und in der That, soviel unsere Hånde und Instrumente zuwege bringen können, gleichschwebend ist. Im lehtern Falle hingegen sieht er gar deutlich, daß er von der Wahrheit abgewichen, und muß die Arbeit von neuem wieder vornehmen.

Aus der Neuen Berlinischen Monatsschrift *).

1. Brief an Resewiß **), über den Selbstmord. (Aus der Neuen Berl. Monatsschrift Bd. 24. Sept. 1810. S. 168—192.)

Verehrtester Freund!

Ihre Freunde, fagen Sie, reden Ihnen nach, Sie wären zu schreibsüchtig. Wenn dieses mehr als ein Scherz ist, so müssen Ihre Freunde selten solche Briefe von Ihnen bekommen haben, als derjenige ist, den ich jest beantworten will. Ich sage: beantworten; denn ob ich die Gründe widerlegen werde, die darin enthalten sind, muß ich Ihrem Urtheil überlassen. So viel ist gewiß: in der Schreibsucht bestehe ich meinen Mann; und wenn

*) Die hier folgenden Auffäße sind in dem Jahrg. 1810 der Neuen Berlinischen Monatsschrift von Fried. Nicolai mitgetheilt worden, der fie (Bd. 23. S. 40.) mit folgenden Wörten einleitet:,,Als ich kürzlich in meinen alten Papieren nachzusuchen hatte, fand ich mit wehmüthigem Vergnügen auch manches von der Hand meines verewigten Freundes. Etwas davon will ich hier bekannt machen, vielleicht künftig einmal noch etwas. Es ist nur wenig, aber von einem Manne, der nicht wenig war.“ **) In einer Anm. S. 168-9. redet Nicolai von dem Briefwechsel, den Moses Mendelssohn mit Resewig unterhalten hat. (Anm. des Herausg.)

Ihnen meine Geschwäßigkeit damals beschwerlich gewesen ist, als wir uns vornahmen, Ihren langweiligen Gast durch die Metaphysik zu vertreiben, so möchte es Ihnen bald leid seyn, daß Sie meine Feder in Gang gebracht haben. Wir wollen sehen, ob sie, oder das verdrießliche Fieber, Ihre Geduld mehr auf die Probe stellen wird.

Ich kann unmöglich an einen Beweis wider den Selbstmord denken, ohne das wehmüthige Andenken jenes rechtschaffenen Freundes in meinem Gemüthe zu erneuern, der mir seine Einwürfe dawider am ersten mitgetheilt hat. Er genießt nun den Lohn seiner Tugend in jener herrlichen Welt, wo er die Wahrheit in einem ungleich hellern Glanze schaut; und sieht vielleicht von seiner Höhe mit einem stillen Vergnügen auf uns herab, wie ein Kämpfer, der den Preis errang und jest zwei Jünglinge im Thale sich üben sieht. Ich werde den Abschied nie vergessen, den er bei seinem lehten Hierseyn von mir nahm, nachdem wir uns bei unserm Herrn Müchler zum erstenmal ge= sehen und geliebt hatten. „Leben Sie wohl," sagte er zu mir, als er unter den Linden von mir ging;,,wir wollen uns lieben, aber nicht, wie sich die Weltlichen lieben!" Da er nunmehr die Ewigkeit angetreten hat, so erkennt er mit der lebhaftesten Überzeugung, wie ungereimt jene Hypothese sei, die wir bei unsrer Streitsache voraussehen müssen. Wer in einer Gesellschaft von lauter Seligen lebt, der darf an den unmöglichen Fall nicht einmal gedenken, daß die Seele sterblich sei. Nur uns geziemt es, aus Menschenliebe öfter von dem Wege der Wahrheit abzuweichen, um Irrende in die Heerstraße einzulenken; und dieß thun wir, wenn wir nach der Hypothese der Ungläubigen streiten.

Sie beklagen sich gleich im Eingange Ihrer Widerlegung über das Verfahren der Weltweisen, die das bloße Wesen eines eingeschränkten Geistes zum Grunde legen, und aus dieser nackten Abstraction Folgen ziehen, die sie dem Menschen zur Ausübung vorlegen zu können glauben. Ihre Vorschriften, sagen Sie, follten zwar von bloß vernünftigen Wesen, von Bürgern der Geisterwelt, nach aller Strenge ausgeführt werden; aber warum verdammen sie den Menschen, der sich nie ohne außerwesentliche Umstände, ohne körperliche Zufälligkeiten befindet, in dem jeder Zeit Sinne und Affecten in Bewegung sind? warum verdammen sie dieses schwache Geschöpf, fragen Sie, wenn es

seinen Lebenswandel nicht nach den Vorschriften einer abstracten Vernunft einrichten kann? Weit billiger scheint Ihnen die menschenfreundliche Nachsicht der bürgerlichen Richter, welche den Menschen nach den Schwachheiten beurtheilen, die von seiner Menschheit unzertrennlich sind, und ihren Untergebenen oft solche Vergehen verzeihen, die ein strenger Weltweiser auf das schårfste geahndet haben würde.

Ich will mich bei dieser allgemeinen Anklage wider alle systematischen Sittenlehren ein wenig aufhalten, bevor ich zu der Anwendung komme, die Sie davon auf meinen Beweis machen.

Philosophen und bürgerliche Richter haben sich einerlei Absicht zum Ziel geseht; nur in den Mitteln, deren sie sich zu dieser Absicht bedienen, weichen sie von einander ab. Sie haben sich einerlei Absicht zum Ziele gefeßt: sie wollen Blödsinnige, denen es sowohl an Einsicht, als an Geschmack fehlt, die innere Schönheit der rechtschaffnen Handlungen wahrzunehmen, zu ihrer Pflicht anhalten, und das moralisch Gute auf Erden befördern. Nun kann dieses auf zweierlei Art geschehen. Man verändert entweder die Beschaffenheit der Handlungen, indem man gewiffe, willkührlich angenehme oder unangenehme Empfindungen mit ihnen verbindet, und dadurch dem innerlichen Werthe oder Unwerthe der Handlungen ein größeres Gewicht giebt; oder man läßt die Natur der Handlungen, wie sie ist, und verändert die Vorstellung, die sich derjenige von ihnen macht, der sie ausüben oder unterlassen soll. Jenes thut der Richter; und die sinnlichen Schmerzen, die durch willkührliche Sahungen mit gewissen Handlungen verbunden werden (haben Sie immer Geduld mit meinen metaphysischen Distinctionen!), werden bürgerliche Strafen genannt. Man sieht also, daß diese Art, die Menschen zu ihren Pflichten anzuhalten, für sich betrachtet, die Anzahl der Übel in der Natur vermehrt; allein sie ist löblich; sie ist unentbehrlich, weil sich der größte Haufen der Menschen von keiner vernünftigen Vorstellung lenken läßt, und nothwendig durch gewaltfame Mittel angetrieben werden muß. Wo der Begriff, den man sich von der Beschaffenheit der Handlung macht, nicht verbessert werden kann, da muß die Sittlichkeit der Handlung selbst thätiger gemacht werden.

Wird also eine jede Abweichung von dem Geseze der Natur zu bestrafen seyn? Keinesweges! nur solche, die durch kleinere

« PreviousContinue »