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S. 131. Leute von großen und weitaussehenden Anschlägen sind niemals geizig." Wenn das Mittel zu vielerlei möglichen Endzwecken führt, so ist es dem Menschen sehr natürlich, das Augenmerk bloß auf das Mittel zu richten und die Endzwecke unbestimmt zu lassen. Alsdann können alle diese Endzwecke, so viel ihrer sind, einzeln verrichtet oder verabsåumt werden, und das Mittel behält dennoch seinen Werth. Wir opfern für unsern Freund so viele, und zuweilen noch größere Vortheile und Vergnügungen auf, als uns seine Freundschaft je verspricht. Daß in diesen Fällen die Freundschaft edel und der Geldgeiz unedel sei, kömmt daher, weil dieser selbstsüchtig ist. Die Freundschaft ist nicht bloß Mittel, sondern auch wahrer Endzweck der Natur. Die Neigung, fich an Underer Glückseligkeit zu vergnügen, ist selbst eine Vollkommenheit.

S. 133. Die Ehre ist nicht nur als Mittel, sondern auch als Absicht begehrlich, insoweit die übereinstimmung Underer Meinung von unserm Werthe mit diesem Werthe selbst und unserer Meinung davon eine Realität, und folglich begehrlich ist. Wenn die äußerlichen Dinge mit unsern Absichten übereinstimmen, so sind sie nicht als Beförderungsmittel dieser Absichten nüglich, sondern auch als übereinstimmung an und für sich angenehm und gut.

Unsern Bedürfnissen zu Hülfe zu kommen, und für unser Vergnügen zu arbeiten." Man schränke nur den Begriff der Bedürfnisse nicht zu sehr ein, denn die Ehrliebe gehört vornehmlich mit dazu. Auch das Wort Vergnügen muß nicht in einem gar strengen Sinne genommen werden.

Daselbst: einen Zuwachs von Kraft, oder mit einem andern Worte, von Vollkommenheit wünschen, um —"; kein um weiter, sobald wir das lehte Ziel erreicht haben. Es muß doch etwas als Absicht begehrlich seyn. Sagt man, wie Hr. Garve zu sagen scheint: die Befriedigung unserer Bedürfnisse; so frage ich weiter: wohin zielen unsre Bedürfnisse?

S. 134. Alles, was Hr. Garve hier von der Entstehung der Ehrbegierde sagt, scheint aus dem Helvetius genommen zu seyn, und ist meines Erachtens grundfalsch. Abermals Bedürfniß? und welches? bloß Effen, Trinken und Beischlaf? Wenn der Ehrbegierige nur dieser Bedürfnisse halber geehrt seyn möchte, warum ist denn der Ehrende so willig, dem Geehrten einen

Theil seiner Bedürfnisse aufzuopfern? Warum gönnt er ihm manchen Bissen, den er wohl selbst verschlucken könnte?

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,,Alle Vortheile des Sieges ohne die Beschwerlichkeiten des Kampfes". Wer hat diese jemals gewünscht? So philosophirte Cyneas mit dem Pyrrhus, und ward von dem Abenteurer mit Recht für einen Sophisten gehalten.

S. 138. So richtig Hrn. Garve's Schlüsse in Absicht auf den Geiz gewesen, so übel zusammenhangend scheinen fie mir in Absicht auf die Ehre. Was für eine Kette von der Befriedigung der Bedürfnisse bis auf die Verachtung des Todes! Wie wenig ist sie der Natur gemåß!

Ich frage nochmals: woher entsprang denn die Neigung, einem Menschen, der irgend einen Vorzug hat, mehr Vergnügen zu verschaffen?

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S. 140. Es giebt Seelen" etc. Hier lenkt Hr. Garve wieder in das Gleis der gesunden Philosophie.

S. 149. Der Zorn seht eine Unmöglichkeit voraus, die unangenehme Empfindung der Beleidigung auf eine andere Art wegzuschaffen, als durch die Vernichtung dessen, der diese Empfindung in uns veranlaßt hat." Hr. Garve sollte auch gegen den Zorn nicht ungerecht seyn. Die Begierde, sich zu råchen, ist nicht immer einerlei mit der Begierde, seinen Gegner zu zernichten.

S. 156. 7. Ich finde keinen so großen Unterschied zwis schen den angenehmen und unangenehmen Empfindungen. Beide verdunkeln, wenn sie herrschend sind, alle schwächeren Neben= begriffe, und werden von den gleichartigen verstärkt, von den ungleichartigen geschwächt. Beide verstärken, wenn sie nicht herrschend sind, die Empfindungen, die von ihrer Art sind. In einem Anfalle heftiger Schmerzen wird man niemals neidisch oder traurig, so wenig man während eines sinnlichen Vergnügens, wenn es heftig ist, gegen die fanften Vergnügungen des Wohl= wollens empfindlicher wird. Aber ein måßiger, anhaltender Schmerz macht zu allen Verdrießlichkeiten aufgelegt; so wie ein stilles Vergnügen, das bloße Behagen, die Abwesenheit alles Schmerzes, die Menschen gar wohl zu den Empfindungen der Liebe und des Wohlwollens geschickter machen kann. — Daß körperlicher Schmerz in seiner größten Heftigkeit die Entstehung des Zorns erleichtern kann, wird nicht geläugnet; aber nur alsdann, wenn wir glauben, daß eine Milderung des Schmerzes uns

verweigert wird, welches natürlicherweise den Zorn erregen muß; oder wenn Jemand einen Grad der Aufmerksamkeit fordert, den wir ihm ohne Zwang nicht gewähren können, weil der gegen= wärtige Schmerz uns ganz beschäftigt.

S. 158. Verlangen nach Genuß und Verlangen nach Bestrebung". Ich kenne keine solche Eintheilung. Es giebt keine Bestrebung ohne Genuß, und keinen Genuß ohne Bestrebung. Der Arbeitsmann beschäftigt seine Hände, wenn er arbeitet, seinen Mund, wenn er ißt, und seinen Magen, wenn er verdaut. Nennt Hr. Garve etwa eine mindere Thätigkeit Genuß?

Nicht in jedem Grade können unangenehme Leidenschaften andere unangenehme erwecken. Im Zorne empfinden wir zuweilen körperliche Schmerzen nicht, in der äußersten Betrübniß keinen Zorn. Furcht und Zorn vertreiben sich einander. Schmerz vermindert den Ekel, Verachtung den Neid.

S. 162. 3. Vortrefflich! so auch 163. 4. 5. 6. usque ad finem.

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Von dem Worte Kunst.

Man sagt, sie sei subjective eine Fertigkeit, objective aber der Inbegriff der Regeln etc.; allein auch die Wissenschaft ist eine Fertigkeit (Wolf's Logik §. 2.). Man unterscheidet 1) Kunst von Natur, 2) Kunst von Wissenschaft. Ich möchte also sagen, complexus propositionum practicarum compossibilium in uno convenientium, sed sese non determinantium sei eine Kunst; so wie complexus propositionum theoreticarum compossibilium in uno convenientium eine Wissenschaft sei. Wer sich eine Fertigkeit erworben, jene ohne Fehl zu verrichten, und diese gewiß zu erkennen, der besißt die Kunst oder die Wissenschaft. Was von Natur hervorgebracht wird, ist deswegen von der Kunst unterschieden, weil die hervorbringenden Ursachen sich einander determiniren, und nicht nach practischen Vorschriften handeln. Dieses gilt nur, so lange von causis secundariis die Rede ist; in Rücksicht auf Gott aber sagt man freilich, er habe unendliche Kunst gezeigt.

Eine Kunst kann zur Wissenschaft werden, so wie man einen jeden practischen Saß in einen theoretischen verwandeln kann, wie aus der Logik bekannt ist. Wer aber die Wissenschaft einer Kunst besikt, der besitzt noch deswegen die Kunst nicht. Denn wenn er gleich eine Fertigkeit besißt, gewiß zu er= kennen, so hat er doch deswegen noch die Fertigkeit, ohne Fehl zu thun, nicht in seiner Gewalt.

Zu den Briefen über die Empfindungen.

(1770.)

S. 28. „Daß die Seele die Vorstellung einer Vollkommenheit lieber haben, als nicht haben, und die Vorstellung" etc.

Falsch! Die Abneigung geht nicht immer auf das Nichthaben der Vorstellung, sondern zuweilen auf die Mißbilligung des Objects. Die Unvollkommenheit ist objectiv böse und erzeugt Mißbilligung, aber subjectiv als Vorstellung ein praedicatum ponens, und also gut. Wenn dasjenige, was wir lieben, in Gefahr oder Elend ist, so wünschen wir, wenigstens der Empfindung nach, nicht, dieses nicht zu wissen, sondern dem übel abzuhelfen. Die Vorstellung der Unvollkommenheit erregt also eine vermischte Empfindung; sie ist objectiv mit einer Mißbilligung, subjectiv hingegen mit einer angenehmen Empfindung verknüpft.

S. 48. 49. Das Vergnügen håtte nicht mit dem Wollen verglichen werden sollen. Jenes ist ein inneres Bewußtseyn, daß die Vorstellung A unsern Zustand verbessere; das Wollen hingegen ein Bestreben der Seele, diese Vorstellung wirklich zu machen. Das Vergnügen ist gleichsam ein günstiges Urtheil der Seele über ihren wirklichen Zustand; das Wollen hingegen ein Bestreben der Seele, diesen Zustand wirklich zu machen. Das Verlangen, von welchem das Vergnügen begleitet zu werden pflegt, gehört nicht wesentlich zum Genusse des Vergnügens.

S. 85. Ich bin blöß bei der objectiven Vollkommenheit stehen geblieben, die die Seele (während eines sinnlichen Genusses) wahrnimmt. Ich hätte aber hinzuthun sollen, daß durch

diese harmonische, innerliche Empfindungen auch die Kräfte der ·Seele auf eine ihr zuträgliche Weise beschäftigt werden, wodurch auch eine subjective Realität in der Seele gesezt wird. Übers haupt erzeugt jede anschauende Betrachtung einer objectiven Vollkommenheit auch eine subjective Vollkommenheit, die der Seele nicht anders als angenehm seyn kann.

Eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit dem Schmerze (S. 87.). Die Seele nimmt nicht nur die Übel wahr, die dem Körper drohen; sondern ihre eigenen Empfindungskräfte werden durch viele mißstimmende Empfindungen auf eine unharmonische Weise beschäftigt.

S. 91. Die Möglichkeit möchte wohl geläugnet werden fónnen.

Eigenhändige Notizen von Moses Mendelssohn in Stosch's Synonymen. Frankfurt a. D. bei Braun, 3 Bånde. 1770.

(Das Original im Besiße des Herrn J. Muhr in Berlin.)

gleichgültig, gleichgeltend. Was weder Lust, noch Unlust bezeigt, ist gleichgültig. Zwei Dinge, die einen glei= chen Werth haben, sind gleich geltend.

glücklich, glückselig. Beide werden sowohl subjectiv, als objectiv gebraucht. Was durch einen Zufall wohl von skatten geht, ist glücklich; so wie auch die Person, der alles nach Wunsch ausschlägt und die sich im äußerlichen Wohlstande befindet, glücklich genannt wird. Was unser inneres Wohl nicht weniger befördert als das äußere, heißt glückselig, so wie die Person, welche sich in diesem zweifachen Wohlseyn befindet, glückfelig genannt wird.

beweisen, erweisen. Wer Gründe vorträgt, etwas zu behaupten, der beweiset. Wenn er dadurch seinen Sah wirklich wahr macht, so erweiset er.

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