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19. April fand die hundertste Aufführung statt. Eine dauernde sichere Wohnstätte hat die plattdeutsche Komödie nicht mehr, sie wandert von Thür zu Thür. Aber wir wollen mit dem Verfasser, dem wir für die Erfrischung durch sein Buch zu Dank verpflichtet sind, die Hoffnung nicht aufgeben, dafs auch sie noch einmal, das echte Kind des niederdeutschen Volksgeistes, ein bleibendes Daheim finden werde.

Die Inschrift von Killeen Cormac und der Ursprung der Sprache. Von Dr. Ernst Rethwisch. Norden, H. Fischer Nachfolger,

1886.

Dafs nicht Asien, sondern die Mitte Europas als der Sitz des indogermanischen Urvolkes zu betrachten sei, diese Ansicht ist nicht ganz neu, am eifrigsten ist sie 1878 von Lazarus Geiger verfochten worden. Für sie aber tritt der Verfasser obiger kleinen Abhandlung nicht blofs auf, sondern geht einen Schritt vor. Er stützt sich dabei auf die Thatsache, dafs keltische Namen von Ungarn bis Spanien sich vorfinden, und kommt zu dem Endresultat, dafs in dem indogermanischen Urvolk, welches in Centraleuropa safs, die später als Kelten bezeichneten Stämme zuerst zu einer gewissen geistigen Reife gelangt, dafs die indogermanische Ursprache das Keltische gewesen sei; von Centraleuropa aus wanderten also die Stämme, durch Übervölkerung veranlafst, nach allen Teilen Europas und nach Asien hinüber; das war also die erste Völkerwanderung. Der Verfasser bringt seine Beweise vor; man kann aber nicht zugestehen, dafs sie überzeugende Kraft haben, er baut zu rasch auf Hypothesen weiter.

Die Inschrift von Killeen Cormac in Irland, von der ein Bild beigegeben ist, enthält auf der Vorderseite scheinbar unerklärliche Zeichen, links und rechts 1, 2, 3, rechts 3, 4, 5 kurze Linien, dazwischen Punkte, es sieht aus wie die ersten Kritzelübungen des Kindes. Auf der Rückseite stehen in Majuskelschrift die lateinischen Worte Juvene Druuides. Was ist das alles? Der Verfasser sagt: Der Hauptinhalt besteht aus keltischen Lettern; Kelten errichteten das Denkmal mit Zuziehung eines Römers; Druiden veranlafsten die Inschrift; höchst wahrscheinlich ist hier ein Grabdenkmal für einen keltischen Fürsten. Zwischen den Römern und den von ihnen bewunderten Druiden bestand gewifs ein freundlicher Verkehr; diese folgten dem Rate eines gebildeten Römers in der Errichtung des Denkmals. Jene Einritzungen sind nach dem Verfasser unzweifelhaft Buchstaben, die Punkte unzweifelhaft Zeichen für die Vokale, die Striche links bezeichnen das h und die Zungenlaute, rechts die Lippenlaute, die Gaumenlaute wurden bei Entstehung der alten Hieroglyphenschrift noch nicht gesprochen. Danach liest der Verf. die Inschrift: sum nathowan Eiwahannow; sum ist das lateinische Wort, also die römische Mitwirkung andeutend, nathowan ist = national, Eiwahannow begegnet uns später noch in der Form Ivanhoe, das Ganze also ich bin (Denkmal) des Nationalhelden Eiwahannow. Die am bequemsten zu ritzenden Zeichen bezeichnen die Vokale, weil sie die am bequemsten auszusprechenden Laute sind; unter den Konsonanten glückten zuletzt die Gaumenlaute. Diese einfachen Schriftzeichen sind, weil sie bei keinem anderen indogermanischen Volke sich finden, erst bei den Kelten entstanden; einfachere Schriftzeichen lassen sich aber nicht denken. Daraus wird weiter geschlossen, dafs das indogermanische Volk das Bedürfnis schriftlicher Aufzeichnung noch nicht kannte. Die Kelten demnach gelangten nach ihrer natürlichen Begabung zuerst zu einer gewissen Intelligenz, woraus weiter zu schliefsen, dafs ihre Sprache die einflussreichste gewesen, die Ursprache, die verschiedenen keltischen Dialekte nach der Trennung der einzelnen Stämme sich zu den Tochtersprachen des Sanskrit, Römischen, Deutschen u. s. w. entwickelt haben. Aus dieser nun wieder entdeckten alten kel

tischen Schrift eine Weltschrift zu machen, ist leicht; man kommt mit Punkten, Haar- und Grundstrichen und Häkchen aus, und in dieser Weltschrift stellt am Schlufs der Verf. der bei manchem Leser wohl Bedenken erregenden Abhandlung den ersten Vers von Goethes Iphigenie uns vor Augen.

Deutsches Lesebuch für mittlere Gymnasialklassen von August Spiefs und Friedr. Spiefs. 5. Auflage, herausgegeben von August Spiefs. Wiesbaden, Chr. Limbarth, 1885.

Die erste Auflage dieses Lesebuches erschien 1848, die zweite von 1854 ist im Archiv Bd. XVII, S. 91 angezeigt worden. Dafs es seitdem nun die fünfte Auflage erfahren hat, ist ein Beweis, dafs es in weiten Kreisen zweckmäfsig befunden ist. Eine Vergleichung mit anderen Lesebüchern kann hier nicht angestellt werden. Ist seiner Zeit die Auswahl des Stoffes als passend bezeichnet worden, so ist in den neuen Auflagen in der Ausscheidung dieses und jenes Stückes und dem Ersatz durch andere eine Verbesserung eingetreten. Da nun aber die Sammlung als Lesebuch für mittlere Gymnasialklassen auftritt, so mögen einige Bedenken zur etwaigen Beachtung für spätere Auflagen hier Platz finden. Das Ganze ist in die zwei Hauptteile Poesie und Prosa geschieden. Über die hier beliebte Unterabteilung der Poesie in epische, lyrische, dramatische und didaktische Gedichte soll nicht gestritten werden; es sind zudem didaktisch-lyrische Gedichte als besonderer Zweig der lyrischen Poesie aufgeführt und von den didaktischen Gedichten gesondert. Ist gegen die ausgewählten epischen und lyrischen Gedichte nichts zu erinnern, so ist doch sehr zweifelhaft, ob jene didaktisch-lyrischen Gedichte in einem Lesebuch für mittlere Klassen hätten aufgenommen werden sollen; dazu gehören mindestens Schillers Spaziergang und Pompeji und Herkulanum, auch die meisten anderen. Den lyrischen Gedichten schliefst sich ein Anhang an: Lyrische Gedichte in besonderen Formen; und zwar sind diese, auch nicht sehr logisch, aufgestellt als Oden, Sonette, Oktave, Kanzone, Gasele; auch selbst für eine vorgeschrittene Tertia mögen diese doch noch wohl unpassend sein. Die Stücke in prosaischer Form haben die Unterabteilungen: Beschreibende, erzählende Prosa, Abhandlungen, Briefe, Dialog, Reden und der letzte Teil als Parabeln, Fabeln, Sentenzen bezeichnet. Da ist nun dies und jenes Stück, welches sich mit mehr für die Stufe geeigneten vertauschen liefse. In der Auswahl der geschichtlichen Stücke herrscht ein patriotischer Geist, der, beiläufig bemerkt, zur Ausscheidung der „Grenadiere" von Heine hätte leiten sollen; aber die Schlacht von Weifsenburg" von Hiltl ist viel zu umfangreich, für den Schüler nicht übersichtlich, auch nicht verständlich. Aus der Kölnischen Zeitung ist der Aufruf von H. Kruse von 1870 aufgenommen; immer wieder kommt hier noch der Rütli-Schwur vor als: ein einig Volk von Brüdern statt einzig. Der beliebte Aufsatz von Raumer: Hinrichtung Konradins ist für ein jetziges deutsches Lesebuch nach dem jetzigen Stande der geschichtlichen Forschung bedenklich. Aber, wie gesagt, die neuere historische Litteratur bietet auch für diese Stufe so viel Schönes, dafs man darauf mehr Rücksicht genommen zu sehen wünschte. Bedenklich erscheint auch manches unter den Reden, z. B. die Aufsätze von Jean Paul und Hegel. Eigentümlich dem Lesebuch ist die vorausgeschickte Einleitung, eine Poetik, welche auf das innere Wesen der Poesie und Prosa eingeht, daher etwas weiter ausholt; an dieser Darstellung ist in den fünf Auflagen nichts geändert, dennoch aber scheint die ganze Einleitung überflüssig zu sein. Es wird in der Vorrede zugegeben, dafs der Erklärung des Lehrers vieles in dieser Einleitung überlassen bleibe;

aber auch unter dieser Voraussetzung scheint sie für das Verständnis der Schüler der Mittelklassen zu schwer zu sein. Soll die Einleitung in der Schule gelesen werden? Darüber ist nichts bemerkt. Der Poetik ist eine kurzgefafste deutsche Verskunst angeschlossen, bei der nun auch Kanzone und Gasele erklärt werden. Dafs den Schlufs des Buches kurze litterarische Notizen bilden, ist zu billigen. In der Angabe der Geburts- und Todestage vermifst man eine bestimmte Norm. So ist z. B. bei Archenholtz Geburts- und Todestag angegeben, während es bei Jakob und Wilhelm Grimm blofs heifst: starb 1863 und 1859; und ähnlich vielfach; da müfste konsequent verfahren werden, nicht die bedeutenderen Schriftsteller den weniger hervorragenden hintangesetzt sein. Auch kommen Fehler vor; es heifst: Bürger geb. im Januar 1748 zu Wolmerswende" statt: 31. Dezbr. 1747 zu Molmerswende"; Geibel ist 17. Oktober geboren, Wilhelm Grimm 1786, Heine nicht 1. Jan. 1800, sondern 13. Dezbr. 1799. Herford. Hölscher.

Der Dichter Johann Fischart und insbesondere sein Glückhaft Schiff, das Hohelied von Manneskraft und Mannestreu. Mit Einleitung und Bemerkungen. Eine Jubelgabe zum sechsten deutschen Turnfeste von H. Stiehler. 2. Auflage. 77 S. 8. Dresden, Lehmannsche Buchdruckerei, 1885.

Als Festschrift zum Dresdener Turnfeste von 1885 hat der Verf. passenderweise den Teilnehmern Fischarts Verherrlichung jener Kraftleistung der Züricher Bürger in einem Abdrucke dargeboten, dem er eine von warmer Begeisterung für den Dichter zeugende und frisch geschriebene Einleitung nebst einigen Proben aus den übrigen Dichtungen Fischarts voranschickt. Seine Führer waren hauptsächlich W. Wackernagels Schrift über Fischart und die Ausgabe der Fischartschen Dichtungen von Heinrich (nicht Hermann, wie S. 12 steht) Kurz. Wissenschaftliche Ansprüche darf man allerdings nicht an das Büchlein stellen, sonst würde man wohl eine strengere Gruppierung des Stoffes und eine eingehendere Kenntnis der einschlägigen Litteratur verlangen müssen. Zu seinem Schaden hat Stiehler von Erich Schmidts glänzendem Artikel Fischart in der Allgemeinen deutschen Biographie und von Bächtolds Untersuchung über die Entstehung, die Vorläufer und die Drucke des Gedichtes keinen Gebrauch gemacht, während er in Scherers Litteraturgeschichte, jetzt auch in der neuen Auflage von Goedekes Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung einen bequemen Hinweis auf diese Arbeiten finden konnte. Dem in der Schreibweise des 16. Jahrhunderts wiederholten Texte liegt kein Originaldruck, sondern der auch von Halling benutzte Nachdruck o. Z. zu Grunde; etwas störend wirken die mitten in den Text eingestreuten, in Klammern eingeschlossenen Erläuterungen. Hier noch einzelne Versehen zu notieren, scheint mir bei dem Zwecke des Werkchens unnötig.

Abfertigung in Sachen Lanfreys.

J. Bolte.

Den Auslassungen Joseph Sarrazins in Band LXXVI, S. 338 dieser Blätter gegenüber, in denen sich dieser Herr noch in Erwägungen über den „Ton" meiner letzten Erklärung ergehen zu dürfen glaubt, halte ich folgende Punkte aufrecht:

1) In sämtlichen Darlegungen Sarrazins ist eine Rechtfertigung seines

rücksichtslosen und dreisten Vorgehens gegen mich und meine zwei Lanfrey-Ausgaben nicht zu finden. Sarrazin wird seine Verleumdungen auch nie und nimmer rechtfertigen können und richtet sich damit selbst. 2) Bezüglich der von mir erhobenen Anklage handelt es sich nicht darum, ob die von Sarrazin weggelassenen Worte den Zusammenhang stören (S. 71, 9 thun sie das doch sehr), auch nicht darum, ob das Fehlen dieser Worte von der ihm sehr günstigen Fachkritik" als erheblicher Mangel empfunden wurde oder nicht, sondern einfach darum, ob Sarrazin ein Recht hatte, statt einer Ausgabe Lanfreys eine solche meiner ersten Ausgabe dieses Geschichtsforschers zu veranstalten, wie er dies nachgewiesenermafsen gethan hat.

3) Es lag mir fern, Sarrazins Leistungen zu kritisieren. Meine Besprechung seiner Arbeit erstreckte sich auf keine andere Stelle als auf die beweiskräftigsten unter denen, welche meine Behauptung unter Nr. 2 erhärteten. Wenn bei einer dieser Stellen aus Veranlassung einer prächtigen Fufsnote über en égard à — der neuesten Frucht von Sarrazins textkritischen Erwägungen ihm der Vorwurf krasser Ignoranz" gemacht wurde, so that ich damit nichts anderes, als dafs ich seine eigenen Worte, nur mit weit besserem Rechte, als er sie gebraucht hat, zur Kennzeichnung seiner eigenen Leistungen verwendete.

Tübingen.

Friedrich Ramsler.

Miscellen.

Die vermutende Bedeutung des sogenannten Konditionals in der heutigen englischen Sprache.

Das Futurum in vermutender Bedeutung zu brauchen ist im Englischen, wenn auch nicht gerade unerhört, so doch wenig üblich; es gilt als Scotticismus, obwohl es z. B. Schmitz 195 aus Bulwer belegt (vgl. auch Storm, Englische Philologie I, 437). Sehr häufig findet man aber den sogenannten Konditional in solcher Verwendung, worauf, soviel ich weifs, noch nirgends aufmerksam gemacht worden ist.

1. The centre of Roman government on the island had been at York, and here, if anywhere, something of the civilisation of Rome would naturally remain (wird zurückgeblieben sein), J. Earle, Anglo-Saxon Literature, 1884, S. 21. 2. Among the names that adorn the annals of revived learning under Charles himself, we must mention Smaragdus, because Elfric acknowledges him as one of his sources. The book referred to would hardly be (wird gewesen sein) the "Diadem of Monks", a selection of pieces from the Fathers with Scripture texts, worked up as it were into a Whole Duty of Man, although Elfric would be likely to know (wahrscheinlich gekannt haben wird) this book; but for the composition of his Homilies it is more likely that Elfric would have drawn (geschöpft haben wird) from another book by Smaragdus, namely, his Commentary on the Epistles and Gospels for Sundays, ebenda 23. 3. In the beginnings of learning, when students had not the apparatus of grammars and dictionaries, which now, being common, are almost as much a matter of course as any gift of nature, it was necessary for students to make lists of words and phrases for themselves, and after a while a few of these would be thrown together, and would be reduced (werden zusammengearbeitet und gebracht worden sein) to alphabetical order for facility of reference, ebenda 90. 4. Already, as early as the reign of Augustus, the foundation of the Latin dictionary was laid by Verrius Flaccus, but his dictionary would naturally consist (wird bestanden haben) of Latin words with Latin explanations. But in the seventh century there was a demand for Latin vocabularies, with equicalents in the vernacular languages; and here, in the Epinal Glossary, we have the earliest known example of such a work. At first such glossaries would be (werden gewesen sein) merely lists of words formed in the course of studying some one or two Latin texts, and in process of time would follow (wird gefolgt sein) the compilation of several such glossaries into one, until, in the tenth and eleventh centuries, we find vocabularies of some compass, ebenda 93. 5. He [Professor Stubbs] has surmised that

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