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Beurteilungen und kurze Anzeigen.

Johann Andreas Schmellers Leben und Wirken. Eine Festgabe zum 100jährigen Geburtstage des grofsen Sprachforschers von Johannes Nicklafs. Mit dem Bildnis Schmellers. München, M. Riegersche Universitäts-Buchhdlg. (G. Himmer), 1885. 174 S. gr. 8.

Schmellers Name ist allgemein bekannt. Von seinem Hauptwerke, dem bayerischen Wörterbuche, hat Jakob Grimm gesagt, es sei das beste, das von irgend einem deutschen Dialekt bestehe, ja kein Volk könne ihm etwas Ähnliches an die Seite setzen, ein Meisterwerk, ausgezeichnet durch philologischen Scharfsinn wie durch reiche, nach allen Seiten hinströmende Sacherläuterung, an der wir die Beherrschung des unermesslichen Stoffes, die Feinheit des Gehörs und Sicherheit des Gefühls in der Unterscheidung der Laute zu bewundern haben. Schmeller ist allgemein bekannt als Herausgeber und Namenschöpfer des Heliand und Muspilli. Aber von ihm selbst, von seinem äufseren und inneren Leben haben nur wenige etwas gewufst, nur wenige haben den edlen Menschen zu würdigen verstanden, die Stätte seiner langen geräuschlosen Wirksamkeit hat einem der besten Männer des Bayerlandes noch kein strahlendes Denkmal errichtet.

Aber nun ist ihm die Genugthuung geworden, dafs zu seinem hundertjährigen Geburtstage uns eine köstliche Gabe dargeboten ist, diese auf Benutzung aller bisher veröffentlichten Nachrichten, besonders aber des reichen handschriftlichen Briefwechsels und der Tagebücher und vielfacher mündlicher Mitteilungen beruhende Biographie. Die hohe Verehrung, welche der Verf. seinem Gegenstande entgegenbrachte, durchweht die ganze Schrift, sie mufs sich von selbst jedem Leser mitteilen, so fesselt das Buch von Anfang bis zu Ende. Der grofse Germanist hat ein bewegtes Leben geführt, bunte Bilder drängen sich, in dem Buche befinden wir uns wie im Bann einer Dichtung. Kommt und leset; eine kurze Skizze mufs hier genügen.

Schmeller war wie ein grofser Germanist, so auch ein genauer Kenner der romanischen und slavischen Sprachen. Nicht blofs aber durch seine Schriften hat er sich bekannt gemacht, sondern durch ihn erst, durch seinen rastlosen Fleifs ist die Münchener Staatsbibliothek so nutzbar geworden, wie sie jetzt ist.

In demselben Jahre mit Jakob Grimm ist Schmeller geboren, am 6. August 1785, in Türschenreut in der Oberpfalz; zwei Jahre später siedelte der Vater, ein Korbflechter, in den Weiler Rimberg bei Pfaffen

hofen an der Ilm in Altbayern über; hier in ländlicher Abgeschiedenheit in den einfachsten Verhältnissen wuchs der Knabe auf, ein stilles, für sich lebendes Kind, mit offenem Auge für alle Erscheinungen um ihn, mit feinem Ohr den Tönen der neuen Heimat lauschend. Der Vater unterrichtete ihn selbst bei dem Mangel einer Schule in den Elementen, neun Jahre alt verwertet der Knabe seine Kenntnisse schon bei anderen Kindern. Bald sorgte der Pfarrer Nagel dafür, dafs er täglich zur Landschule 1 Stunden nach Pörnbach wandern konnte, dann dafs der Zehnjährige in die Klosterschule zu Scheyern aufgenommen wurde. Die Kriegsunruhen unterbrachen diesen Studiengang. Nach vielen Mühen kam er endlich auf das Gymnasium zu Ingolstadt; aus dieser Zeit sind uns die ersten Poesien Schmellers erhalten. 1799 wurde das Gymnasium aufgelöst. Schmeller wanderte nach München; als Schüler des Wilhelms-Gymnasiums, an dem jetzt sein Biograph als Studienlehrer wirkt, schlug er sich, ohne alle Unterstützung, durch seine Willenskraft durch; unter seinen damaligen Lehrern ragt Cajetan Weiller hervor; nach zwei Jahren hatte er das Lyceum rühmlich absolviert. Die Eltern wünschten aus ihm einen Theologen zu machen, dazu fehlte ihm alle Neigung. Er warf sich auf die Landwirtschaft, ohne Erfolg. Da machten auf ihn Pestalozzis Bücher einen tiefen Eindruck; auch er beschlofs seine Kräfte der Volkserziehung zu widmen; neunzehn Jahre alt schrieb er seine erste gröfsere Abhandlung über Schrift und Schriftunterricht; aus der beachtenswerten Handschrift giebt der Biograph einen Auszug, in dem schon der Zug nach Erforschung der Mundarten hervortritt. Ohne Mittel für den Besuch einer Universität, mit zwölf Gulden wanderte er nach Burgdorf zu Pestalozzi. Aber dieser war eben beim Abzug von Burgdorf, vertröstete ihn auf die Zukunft. Wohin nun? Da auf der Landstrafse nach Solothurn liefs er sich für ein schweizerisches Regiment in spanischen Diensten anwerben. So kam er 1804 nach Tarragona, als gemeiner Soldat, bald Korporal; er erlag fast den Strapazen. Da wurde er mit dem Schweizer Franz Voitel bekannt, der Hauptmann in demselben Regiment war, eine ideale Natur, ganz erfüllt von den Ideen Pestalozzis hatte er selbst vierzig Soldatenkinder in Unterricht genommen. Aus der Bekanntschaft wurde die innigste Freundschaft, Schmeller wurde Voitels Gehilfe. 1806 berief der Friedensfürst Manuel Godoy Voitel als Direktor einer Staatsschule nach Madrid und Schmeller als ersten Gehilfen. Die Stellung war günstig, die Erfolge erregten Aufsehen. Aber die politischen Verhältnisse führten nach zwei Jahren die Auflösung der Schule herbei. 1808 war Schmeller wieder bei Pestalozzi. Mit seinem schweizerischen Freunde Samuel Hopf gründete er eine Privatlehranstalt in Basel; die Zeitverhältnisse führten 1813 zu ihrer Auflösung. In der Fremde war die Liebe zum Vaterlande immer stärker geworden, das Unglück des Vaterlandes drückte ihn nieder, die Zeichen der neuen Zeit begeisterten den Dichter. Aus dem Jahre 1812 wird ein deutsches Lied mitgeteilt, welches sich Arndts Vaterlandslied an die Seite stellen darf. Er zürnte der Politik des bayerischen Ministers Montgelas. Seine patriotischen Weckrufe beziehen sich auch auf deutsche Sprache; mehrere darauf bezügliche Schriften erschienen in der Basler Zeit. Aus derselben Zeit stammen aber auch andere dichterische Versuche, so ein Drama „Die Ephesier“, welches 1885 aus der Handschrift vom Verfasser dieser Biographie veröffentlicht und hier inhaltlich mitgeteilt ist; ferner das Fragment des Schauspiels Rudolf von Habsburg. Als 1813 Preufsen aufstand, Schmeller auch sich bei dem bayerischen Gesandten in Bern meldete, hielt ihn dieser noch zurück, so dafs er zunächst in Hofwyl bei Fellenberg blieb. Die Unruhe rieb ihn fast auf, eine Zeit lang war er Lehrer in Konstanz. Ein patriotisches Lied nach dem anderen entströmte seiner Brust; er war trunken vor Freude, als Bayern zu den Verbündeten übertrat; als die

Leipziger Völkerschlacht geschlagen war, hielt es ihn nicht mehr, er erbat sich seinen Pass, und Ende 1813 war er in München, vom Kronprinzen freundlich aufgenommen und zum Oberlieutenant bei den freiwilligen Jägern ernannt. Damals sah er auch die Heimat und die Eltern wieder. Am Kampfe selbst konnte er nicht teilnehmen, er jammerte über den Frieden, der Elsafs bei Frankreich liefs. Der nach Napoleons Rückkehr von Elba wieder ausgebrochene Krieg führte ihn nach Frankreich, mehrere Tage verweilte er in Paris. Nach dem zweiten Pariser Frieden kam er in Garnison nach Salzburg. Als Salzburg Österreich zugewiesen war, begab er sich nach München, um die neuen Schätze der Hofbibliothek zu studieren. Jetzt wurde eifrig das Studium der Mundarten vorgenommen, durch sie kam er auf die ältere Sprache; dadurch trat er in Beziehung zur Akademie. Vom Kronprinzen unterstützt, widmete er sich ganz seiner Arbeit, mit rastlosem Eifer, er wurde der Schöpfer der historischen Grammatik der Mundarten; 1821 erschien das grofsartige grammatische Werk. Die Arbeit verschaffte Sshmeller die Stelle eines Adjunkten der Akademie, aber ohne Gehalt; er bezog allein noch sein Oberlieutenantsgehalt von 432 Gulden. Andere Ehren wurden ihm auch zu teil, aber die pekuniären Verhältnisse waren eng, ohne jedoch seine Arbeitslust abzuschwächen. Seit 1826 hielt er auch Vorlesungen an der Universität über deutsche Sprache und Litteratur, aber ohne Besoldung. In etwas besserte sich die äufsere Lage, als er Lehrer der lateinischen und deutschen Sprache im Kadettencorps 1827 wurde; 1828 zum aufserordentlichen Professor der altdeutschen Litteratur und Sprache an der Universität ernannt, erhielt er 200 Gulden Zulage zu seiner Offiziersgage. Erfreulicher war die Beförderung zum Kustos an der Hofbibliothek, nach Docens Tode; jetzt schied er aus dem Heerverbande aus, 1829; im Jahre 1844 wurde er Unterbibliothekar. Vom Jahre 1829 beginnt Schmellers segensreiche, unermüdliche Wirksamkeit in der Bibliothek und zwar in der Abteilung der Handschriften; sein Werk, bei dem er starb, ist der grofsartige Handschriftenkatalog, der von Halm vollendet und gedruckt der Öffentlichkeit übergeben ist. Der erste Band des bayerischen Wörterbuchs erschien 1827, der zweite 1828, der dritte 1836, der vierte 1837; dies gewaltige Werk hat er ganz allein verfafst und in unglaublich_kurzer Zeit; das ist es, was ihn hinsichtlich des Wörterbuchs über Jakob und Wilhelm Grimm erhebt. Und nach der Vollendung arbeitete er unablässig an Nachträgen; aus seinem Nachlafs ist die zweite Ausgabe von Frommann hergestellt. Grofs ist auch Schmellers Verdienst durch die Herausgabe älterer germanischer Sprachdenkmäler. 1830 erschien zum erstenmal der Heliand, zehn Jahre später das Glossar und die altsächsische Grammatik; 1832 folgte der Muspilli, 1839 die Rede über den Versbau in der allitterierenden Poesie; 1841 Tatians althochdeutsche Evangelien - Harmonie. Mit Jakob Grimm gemeinschaftlich die latein. Gedichte des 10. und 11. Jahrh. bearbeitend, gab er die Bruchstücke des Ruodlieb 1838 heraus, 1842 das lateinische Gedicht Gregorius Peccator" (Gregorius auf dem Steine), 1844 das mhd. Gedicht von Albertus über Bischof Ulrich von Augsburg, 1847 die Carmina burana aus dem 10. und 11. Jahrh., 1850 die Jagd des Hadamar von Laber aus dem 14. Jahrh. Den sprachwissenschaftlichen Forschungen zur Seite gingen geschichtliche. So erschien 1828 die Abhandlung über die Ureinwohner Perus unter spanischer Herrschaft, ferner Urkunden zur Geschichte Grie chenlands im Mittelalter, 1844 die Reise des Böhmen Leo von Rozmital durch die Abendlande 1465 bis 1467 u. a. Dazu kommen eine Reihe von Abhandlungen, welche sich auf die bayerische Geschichte beziehen. Zuletzt führten ihn seine Dialektforschungen auch zu einer Reise in die Sprachinseln von Vicenza und Verona, über welche er zuerst genauere Untersuchungen anstellte, die durch neuere Studien nun berichtigt sind.

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Als Mafsmann 1829 für die deutsche Sprache nach München berufen wurde, hörte zu seinem Schmerz damit seine Stellung an der Universität auf; bald darauf traf ihn der Tod seines Freundes Hopf aufs tiefste. Dann kamen aber bessere Tage; er schlofs 1835 eine glückliche Ehe mit einer edlen verwitweten Frau, machte Reisen nach Wien, Prag, Berlin, Oberitalien, 1840 suchte er in Kassel die Gebrüder Grimm auf und zwischen ihm und Jakob Grimm ward ein herzliches Freundschaftsbündnis geschlossen; auch Uhland, Wackernagel, Pfeiffer u. a. lernte er persönlich kennen. Endlich 1846 wurde er zum ordentlichen Professor der altdeutschen Sprache und Litteratur ernannt; jetzt begann wieder seine Thätigkeit an der Universität.

Da brachte ihm das Jahr 1847 einen harten Unfall. Auf der Rückkehr von Meran vom Besuch seines kranken Stiefsohnes den Jaufenberg ersteigend, stürzte er; das linke Bein war verletzt: er mufste nach Sterzing getragen werden. Drei Wochen lag er dort, bis er nach München transportiert werden konnte. Der Münchener Arzt machte ihm die traurige Erklärung, das Übel sei von seinem Kollegen zu geringfügig angesehen, das Bein war am Schenkelhalsknochen gebrochen, der Fuls muiste ist jetzt eingerichtet werden. Nach Monaten erst konnte er wieder an der Krücke ausgehen. An den grofsen politischen Ereignissen, die inzwischen erfolgt waren, hatte er nur mit stillen Wünschen und mit den poetischen Ergüssen seines Herzens teilnehmen können. Ununterbrochen waren auch noch jetzt seine wissenschaftlichen Arbeiten, bis er am 27. Juli 1852 einem Choleraanfall erlag.

Wie wenige war Schmeller eine ideale Natur, allem Niedrigen abhold, vielseitig gelehrt und scharfsinnig, durch und durch ein deutscher Patriot und mit unbegrenzter Liebe seinem engeren Vaterlande, Bayern, anhangend. Rücksichtslos war er nur dann, wenn die Forderung gestellt wurde, die Wahrheit zu verleugnen. Aus den beschränktesten Verhältnissen hat er sich emporgearbeitet, allen äufseren Prunk sein Leben lang verachtet, alle seine Kräfte in den Dienst seines Volkes gestellt, den höchsten geistigen Gütern des deutschen Volkes, seiner Sprache, seiner Geschichte, seiner Sitte nachgeforscht.

Grundzüge der deutschen Litteraturgeschichte. Ein Hilfsbuch für Schulen und zum Privatgebrauch. Von Dr. Gottlob Egelhaaf. 2. Auflage. Heilbronn, Gebr. Henninger.

Der ersten Auflage des Buches, welche sehr günstig beurteilt worden ist, ist binnen Jahresfrist die zweite gefolgt; der Erfolg ist ein wohlverdienter. Es will ein Buch für den Schulgebrauch sein, hinweisen auf die Werke, mit denen sich der Schüler bekannt machen soll, es will nicht, wie so manche Litteraturgeschichten, ein Repertorium sein, in dem man nachschlagen kann alles was irgendwie noch zur schönen Litteratur sich rechnen lässt oder auch nicht, es will also konzentrieren. Es befolgt also im ganzen den Grundsatz, den zuerst W. Herbst aufgestellt hat. Unter denen, welche denselben Weg eingeschlagen haben, hat namentlich Kluge sich ein Verdienst erworben; aber auch dieser hat noch viele Namen aufgenommen, von denen der Schüler nicht zu wissen braucht, die ihn von der Hauptsache abzuführen drohen. Herr E. ist strenger gewesen, er hat sich auch vor einer Gewohnheit Kluges gehütet, welche dessen Buche viele Freunde verschafft hat, die aber auch gefährlich geworden ist. Das ist die Raumverschwendung mit der Inhaltsangabe der Hauptwerke z. B. Schillers, Goethes u. a. Soll sie den Schüler vor der Kenntnis der Dichtungen gespannt machen, ihn anlocken? Das rein stoffliche Interesse würde ja dadurch genährt, der Schüler gewöhnt, die Dichtung wie einen Archiv f. n. Sprachen. LXXVII.

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blofs unterhaltenden Roman zu schätzen. Der Schüler mufs aber die Dichtung schlecht gelesen haben, wenn er nachher nicht einmal den Inhalt rekapitulieren kann. Also wozu eigentlich die Inhaltsangaben? Aber noch ein anderer Übelstand hat sich daraus entwickelt. Nicht wegen seiner guten Eigenschaften, sondern gerade dieser Inhaltsangaben wegen ist über die Räume der Gymnasien hinaus das Buch auch in andere Schulen eingedrungen, in Landwirtschaftsschulen und in die sogenannten höheren Töchterschulen; und wird da als ein guter Freund" willkommen geheifsen. Es sind leider keine Erinnerungen an die Fliegenden Blätter, sondern die nackte Wahrheit, dafs Landwirtschaftsschüler, welche mit der Elementargrammatik noch nicht ins reine gekommen sind, fliefsend nach Kluge den Inhalt des Parzival, ohne je den Titel einer Ausgabe oder Übersetzung gesehen zu haben, hersagen, zum Staunen der intelligenten Zuhörer, dafs in sogenannten höheren Töchterschulen zwölf-, sage zwölfjährige Mädchen aus ihrem Kluge sich tabellarische Auszüge über alle Bremer Beiträgler anlegen müssen und bei Prüfungen den Inhalt der Schillerschen Dramen genau nach Kluge angeben. Bücher, welche in dieser Weise die Nachlässigkeit und den Schein unterstützen, giebt es zahlreiche und wird es immer übergenug geben; aber dafs ein sonst treffliches Buch also gemifsbraucht werden kann und gemifsbraucht wird, ist zu bedauern. Anders das vorliegende Buch. Auch dieses geht auf die einzelnen Werke ein, aber es deutet nur an, worauf sich die Aufmerksamkeit lenken soll, es kommt nicht der Bequemlichkeit entgegen, es regt an, es greift nirgends der mündlichen Erläuterung vor. Herbst hat tüchtig aufgeräumt, aber durch die Thätigkeit der Sichtung ist nach einer Seite hin sein Hilfsbuch einseitig geworden. Wie schon in der Zwangsjacke des Schematismus bei den Lehrbüchern der Geschichte der mittleren und neueren Zeit die Lehrerwelt grofsenteils sich nicht wohl gefühlt hat und gewifs die Mehrzahl sich nicht streng an den Gang der Bücher hat binden können, so ist das Hilfsbuch für die Litteraturgeschichte kein geschichtliches Hilfsbuch mehr, es sind nur einzelne Litteraturbilder, das befriedigt den denkenden Geist nicht, der den Zusammenhang des Ganzen verfolgen will. Diese Klippe hat das vorliegende Buch vermieden; wir haben nicht abgerissene Stücke, sondern ein wohlgeordnetes Ganze vor uns. Wie die äufseren Lebensverhältnisse des Volkes auf die Litteratur wirken, hat der Verf. überall angedeutet, den einzelnen Abschnitten passend eine kurze Übersicht der politischen oder allgemeinen Kulturgeschichte, soweit sie hierher gehört, vorausgeschickt, und es kann nur gebilligt werden, dafs wo auf dem Gebiete der deutschen Litteratur wenig zu sagen ist, z. B. in der Zeit der Ottonen, hingewiesen ist auf andere hochbeachtenswerte Zeugnisse des litterarischen Lebens, wie die lateinische Geschichtschreibung. Das Buch beruht auf gründlichen Studien, mit den wissenschaftlichen Forschungen und Ergebnissen ist der Verf. vertraut, die Darstellung ist präcis, aber wohlverständlich und geschmackvoll. Vielleicht die schwierigste Aufgabe, die Ordnung bei den Persön lichkeiten und Werken zweiten Grades, zu lösen ist gelungen; in diesem Punkte allein sind vielleicht auch andere Ansichten berechtigt (vergl. Hölderlin und Hebel). Kurz, wer sich mit dem Buche genauer bekannt macht, wird zugeben, dafs dasselbe ein sehr empfehlenswertes Hilfsbuch ist. Der Verf. äufsert sich in der Vorrede schwankend, ob eine Übersicht über die Entwickelung der deutschen Sprache hierher gehöre. Ref. möchte diese Frage bejahen, seit der Unterricht in der älteren Sprache den Gymnasien entzogen ist. Einzelne Bedenken mögen hier noch Platz finden. Die deutsche Mythologie wird gewöhnlich auch in der politischen Geschichte behandelt; da sie aber, wie der Verf. sagt, unsere älteste und grofsartigste Poesie, und ohne sie die Grundlage des Nibelungenliedes nicht begreiflich ist, so hat er sie der Litteraturgeschichte vorausgeschickt,

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