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die Finsterniß ohne irgend eine Verknüpfung der Begriffe, bloß ihrer Natur nach, fürchterlich sei. Die schwarze Farbe hat eine große Ähnlichkeit mit der Finsterniß; denn sie ist nichts anders als eine eingeschränkte Finsterniß. Nun hat Cheselden beobachtet, daß ein blindgebornes Kind, dem man von dreizehn oder vierzehn Jahr den Staar gestochen, im Anfange, da es das Gesicht wiedererlangt, keine schwarze Farbe ohne Widerwillen hat ansehen können, und daß es bei der Erblickung einer Negerinn von einem Schaudern überfallen worden sei. Hier findet schwerlich eine Verknüpfung der Begriffe statt; also muß diese Erscheinung von einer ganz andern Ursache herkommen. Der Hr. Verf. meint, die Wirkung der Finsterniß der allzu starken Ausdehnung des Sterns im Auge zuschreiben zu können, welche von der Bemühung, im Finstern zu sehen, unzertrennlich ist. Da aber, wie der Hr. Verf. im 2. Theil bemerkt, eine jede Privation überhaupt fürchterlich ist, der man doch unmöglich eine gewalt= fame Ausdehnung des Sterns im Auge zuschreiben kann; so důnkt uns, man könnte sowohl die Finsterniß, als die schwarze Farbe, als eine Art Privation betrachten, und ihre Wirkung daher erklären.

Indessen findet unser Verf. für die Wirkung der schwarzen Farbe, welche der Ausdehnung des Sterns gewiß nicht zuzuschreiben ist, eine andere Ursach. Er glaubt, der schnelle Übergang von den benachbarten Farben auf die schwarze Farbe, oder vielmehr auf den Mangel aller Farben, verursache eine plögliche Erschlaffung der Sehnerven; und auf jede plößliche Erschlaffung in den Gliedmaßen des menschlichen Körpers erfolge natürlicherweise eine plögliche Anstrengung und Spannung eben derselben Theile, welches er durch einige sehr merkwürdige Erempel zu be= stätigen sucht. Der Raum verbietet uns aber, etwas davon an= zuführen. Wir eilen vielmehr zu der Untersuchung von der wirkenden Ursach der Schönheit.

Der Verf. untersucht zuerst die physikalische Ursache der Liebe. Wenn wir Gegenstände vor uns haben, sagt er, welche Liebe und Gefälligkeit in einem sehr hohen Grade erregen, so bemerken wir folgende Veränderung in dem Körper: der Kopf ist etwas seitwärts geneigt; die Augenlieder sind fast geschlossen, und die Augen drehen sich fanft, und scheinen sich nach dem Gegenstande zu sehnen; der Mund ist etwas offen, das Athemholen geht langsam von statten, und wird dann und wann von

heimlichen Seufzern unterbrochen; der ganze Körper nimmt eine gelassene Stellung an, und die Hände hangen nachlässig herunter. Alle diese Erscheinungen zeigen, wie der Verf. glaubt, eine Erschlaffung in den festen Theilen des Körpers an; daher er denn behauptet, die Schönheit wirke bloß durch eine solche Erschlaffung. Das Gesek, welches hieraus entspringt, wird auf eben die Art, wie bereits oben in Ansehung des Erhabenen erinnert worden, wechselsweise statt finden: nåmlich alles, was Liebe und Zuneigung erregt, wird eine Erschlaffung in den Fibern verursachen; und wiederum alles, was eine sanfte Erschlaffung der festen Theile des Körpers verursacht, wird in der Seele den Begriff der Liebe und Gewogenheit erzeugen.

Daß ein schöner Gegenstand glatt seyn müsse, leitet der Hr. Verf. daher, weil eine rauhe und unebene Oberfläche die Nerven anstrengt, ein glatter Körper aber eine Art von Erschlaffung zuwege bringt; welches auch daraus erhellt, weil die Berührung glatter Körper und ein sanftes Streicheln mit der Hand Krampf und Schmerzen zu stillen pflegen.

Auch die Süßigkeit des Geschmacks und des Geruchs wird der Glåtte der kleinen Bestandtheile wohlriechender und wohlschmeckender Gegenstände, und ihre angenehme Wirkung in die Gliedmaßen der Sinne einer Art von Erschlaffung der Fibern zugeschrieben, welche Behauptung durch physikalische Gründe unterstüßt wird. Der Verf. nennt die Süßigkeit die Schönheit des Geschmacks.

Eine Haupteigenschaft der Schönheit ist die Abwechslung. Sowohl eine gerade, als eine allzu sehr ausweichende Linie ist unangenehm. Die Ruhe, zu welcher uns die gerade Linie den nächsten Weg zu führen scheint, führt zwar eine Art von Erschlaffung mit sich; allein eine schwingende Bewegung, ein sanftes Auf- und Niedersteigen erschlafft weit mehr, als die völlige Ruhe. Dieses beweist das Wiegen der Kinder, welches den Schlaf befördert; die Art, wie die Ummen mit ihnen spielen; das Fahren in einem wohleingerichteten Wagen, in welchem wir keine unsanften Stöße bekommen, sondern auf eine angenehme Weise gleichsam eingewiegt werden, u.`s. w. Mit dem Gefühle hat es eben die Beschaffenheit; denn es ist einerlei, ob ich den Körper auf der Hand, oder die Hand auf dem Körper fort: bewege; und mit gehöriger Veränderung findet alles dieses auch in Ansehung des Gesichts statt. Das sanfte Auf- und

Niederfahren des Lichtstrahls auf der måßig ausschweifenden Linie muß dem Auge angenehm seyn.

Die schönen Gegenstände, haben wir oben gelesen, müssen vergleichungsweise kleine feyn. Dieses läßt sich zwar nicht genau bestimmen, indem groß und klein relativische Begriffe sind. Indessen giebt es bei jeder Art von Gegenständen eine gewisse Größe, die der Schönheit am zuträglichsten ist. Wenn sie diese Gränzen überschreitet, so kann der Gegenstand zwar wohlgebildet heißen, allein die Vermischung von Erhabenheit stort die sanfte Wirkung der Schönheit durch ihre weit stärkere Macht. Wir

werden nicht eingenommen, der Gegenstand gewinnt weder unsere Liebe noch unsere Zuneigung, und wird mittelmäßig. Diese Gedanken werden durch einige sehr feine Bemerkungen über den Homer unterstüßt.

Endlich zeigt der Verf. die Anwendung dieser Grundfäße auf die Schönheit der Farben; und beschließt den 4. Theil mit der Wiederholung seines allgemeinen Grundsages, daß das Große und Erhabene eine Art von Schrecken zum Grunde habe, und dadurch die Gemüthsbewegung hervorbringt, die dem Erstaunen nahe kommt; das Schöne hingegen gründe fich auf ein positives Vergnügen, und errege in der Seele diejenige Empfindung, welche man Liebe nennt.

Der 5te Theil ist bestimmt, zu erklären,,,wie der Begriff des Erhabenen und Schönen durch Worte erregt werden kann". Wir müssen gestehen, daß wir von der Einsicht und von dem feinen Geschmacke des Hrn. Verf. eine weit gründlichere Ausführung dieser Materie erwartet haben. Er dringt keinesweges in das Wesen der Erhabenheit und Schönheit in der Dichtkunst und Beredsamkeit, zeigt auch nicht, wie seine Grundsåße auf diese angewendet werden könnten; sondern begnügt sich, einige paradore Säße zu behaupten, die mit dem ganzen Werke fast in keiner Verbindung stehen, als nämlich: daß die Worte eigentlich keine Bilder in der Seele erregen, weil man mehr an die Worte denkt, als an das Bild, das sie vorstellen (hat man jemals gezweifelt, daß die Worte gemeiniglich nur eine symbolische Erkenntniß gewähren ?); daß daher die malerische Poesie keine nachahmende Kunst sei, weil sie der Einbildungskraft nie das Gemälde deutlich genug vorstellt (als wenn die symbolische Erkenntniß durch die Dichtkunst nie in eine anschauende verwandelt werden könnte); und daß endlich das

Erhabene und Schöne in der Poesie nicht sowohl durch Bilder als durch die Erregung solcher Leidenschaften zu erhalten sei, die der Empfindung, welche durch die Gegenstände selbst erregt wird, åhnlich sind, u. f. w. Der Verf. entschuldigt sich zuleßt, daß er diese Materie nicht weitläuftiger ausgeführt. Er meint, es håtten bereits Andere ausführlich genug davon gehandelt. Wenn dieses wahr ist, so hätte er lieber gar nichts davon sagen follen.

Beim Schlusse dieses gerathen wir von ungefähr auf die Anzeige von dieser philosophischen Schrift in dem Monthly Review for May 1757. Die sonst so billigen und so einsichtsvollen Herren Recensenten haben unserm Verf. nicht alle Gerechtigkeit widerfahren lassen, die er verdient. Der Auszug, den sie aus dieser Schrift liefern, ist nicht so gewissenhaft, als wir von diesen Herren gewohnt sind; und einige von den Einwürfen, welche sie in den Noten wider das System unsers Verf. vorbringen, scheinen bloß wider den Auszug, in welchem sie der Kürze halber einige Ideen haben aus dem Zusammenhange reißen müssen, Stich zu halten. Sie sagen z. E. S. 129. im Namen unsers Verf., das Frohseyn (delight) sei eine Quelle des Erhabenen. Dieses erinnern wir uns nicht in der ganzen Schrift gefunden zu haben. Part 4. Sect. 6. heißt es zwar: pain can be a cause of delight, d. i. der Schmerz kann eine Ursache des Frohseyns werden"; und Sect. 7.: if the pain is not carried to violence, and the terror is not conversant about the present destruction of the person they are capable of producing delight, not pleasure, but a sort of delight full of horror u. s. m.; d. i.:,,wenn der Schmerz nicht allzu heftig ist, und der Schrecken ,,nicht mit dem gegenwärtigen Untergange der Person umgeht, ,,so können sie ein Frohseyn verursachen, nicht Vergnügen, son,,dern ein frohes Schauern" u. s. w. Hieraus ersehen wir zwar, daß der Verf. dem Erhabenen kein positives Vergnügen, sondern eine Vermischung von angenehmer und unangenehmer_Empfindung zuschreibt, welche man delight nennen kann. Daß aber ein jedes delight, eine jede Befreiung von einer unangenehmen Empfindung, eine Quelle des Erhabenen seyn könne, scheint schnurstracks wider das System unsers Weltweisen zu laufen.

Als eine Folge von dieser Unrichtigkeit bürden sie S. 474. unserm Verf. die Meinung auf, daß das Vergnügen durch eine Erschlaffung der Fibern, das delight aber auf eine entgegenge= sette Art wirke; und führen in der Note, diesen Sak zu

widerlegen, Exempel an, da das delight eine Erschlaffung zuwege bringt. Dieses ist ein Streich in die Luft. Unser Verf. eignet zwar dem Erhabenen eine Spannung der Fibern zu, aber nicht einem jeden delight. Das delight ist an und für sich selbst keine Quelle des Erhabenen.

Als ein Erempel aber von einer großen übereilung sehen wir es an, wenn die Herren Recensenten S. 475. in der Note fagen: Unser Verfasser giebt das Schrecken für die einzige Quelle des Erhabenen an, und schließt Liebe, Bewunderung ,,u. f. w. davon aus. Allein die allgemeine Empfindung aller ,,Menschen widerspricht dieser Trennung des Erhabenen von der ,,Seite dieser Gemüthsbewegungen. Es ist gewiß, wir können ,,die erhabensten Begriffe von Gott haben, ohne ihn uns als ,,einen Gott des Schreckens vorzustellen", u. s. w. Man muß mit dem System unsers Verf. ziemlich unbekannt seyn, wenn man glaubt, er halte die Bewunderung für eine Quelle des Erhabenen. Wie oft und wie sorgfältig sucht er uns nicht vielmehr einzuschärfen, daß die Bewunderung, das Erstaunen eine Art von Schaudern hervorbringe, die der Wirkung des Schreckens ähnlich sind, und daher eine fruchtbare Quelle des Erhabenen seyn können! Was beweist nun die Instanz von Gott?

Unfrerseits haben wir für dieses Mal nur einen getreuen Auszug aus dieser philosophischen Schrift liefern, und unser Urtheil darüber noch zurückhalten wollen. Wir werden aber Gelegenheit haben, unsern Lesern auch dieses bekannt zu machen, wenn die oben erwähnte deutsche Überseßung mit Anmerkungen und Zusäßen erschienen seyn wird.

Lieder, Fabeln und Romanzen, von F. W. G. Leipzig bey David Iversen, 16′ Bogen in 8°.

(aus der Bibliothek der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 3. Stück 2. 1758. S. 321 — 335.)

Wir ergreifen die Gelegenheit, um bei einer neuen Auflage dieser Gedichte Nachricht von denselben zu geben. Ihr Verfas fer, der schon långst die Ehre des deutschen Parnasses gewesen

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