Page images
PDF
EPUB

fast überein; und er verweist seine Leser auf die fleißige Betrachtung der mediceischen Venus und des Antinous.

Die Zierlichkeit erfordert alles dasjenige, was die Schönheit erfordert, und noch überdem eine Regelmäßigkeit in der Zusammensehung der Theile. Wenn ein Ding diese Eigenschaften hat, und zu groß ist, als daß man es sollte schön nennen können, so nennt es der Verf. zum Unterschiede ansehnlich (specious) oder wohlgekleidet (fine).

Das Gefühl hat in Empfindung der Schönheit eine große Ähnlichkeit mit dem Gesichte. Nimmt man die Farbe aus, so muß ein schöner Gegenstand für das Gefühl alle Eigenschaften haben, welche er haben muß, wenn er dem Gesichte gefallen soll. Das Gefühl erfordert aber überdem, daß der Gegenstand dem Drucke sanft widerstehe, und einen måßigen Grad von Wärme besite. In der Musik, gesteht der Hr. Verf., habe er keine sonderliche Erfahrung. Indessen beweist er aus einer Stelle in Milton's jugendlichen Gedichten, daß die Eigenschaften der Schönheit für die übrigen Sinne fast völlig übereinkommen. Die Beschreibung aus dem Milton ist folgende:

And ever against eating cares,

Lap me in soft Lydian airs;

In notes with many a winding bout
Of linked Sweetness long drawn out:
With wanton heed, and giddy cunning,
The melting voice through mazes running;
Untwisting all the chains that tye

The hidden soul of harmony.

Der Verf. seht hinzu, daß laute und schreiende Tône, so wie . ein plöslicher Übergang aus einem Tact oder Tonart in die an= dere, sich selten mit dem eigentlichen Begriffe der Schönheit vertragen. Sie können zwar eine Art von Munterkeit ausdrücken, oder auch heftige Leidenschaften erregen; aber zu dem sanften, schmeichelnden und schmachtenden Wesen, worin die Schönheit besteht, scheinen sie ihm völlig untüchtig zu seyn.

Auch der Geschmack und Geruch bestätigen die Anmerkung über die Eigenschaften der Schönheit, welche man in Ansehung der übrigen Sinne gemacht hat. Jedoch von der Ähnlichkeit der Empfindungen der menschlichen Sinne foll in dem folgenden Buche ausführlich gehandelt werden.

Vergleicht man nun das Schöne mit dem Erhabenen, so wird man einen sehr merklichen Contrast zwischen ihnen finden.

Erhabene Gegenstände müssen ungemein groß von Ausmessung seyn, die schönen weit kleiner; diese müssen hingegen glatt und polirt seyn, jene aber rauh und uneben. Das Schöne vermeis det zwar die gerade Linie, weicht aber nur allmålig von derselben ab; das Erhabene liebt die gerade Linie, und wenn es davon abweicht, so geschieht es plöglich; die Schönheit muß hell seyn, das Erhabene düster und traurig. Endlich muß jenes leicht uud niedlich, dieses aber fest und sogar massiv seyn. Sie sind auch ganz verschiedene Dinge; denn die Schönheit hat das Vergnügen, und die Erhabenheit den Schmerz zum Grunde.

Der 4te Theil: von der wirkenden Ursache des Erhabenen und Schönen. Hierunter versteht der Verf. nicht die erste Grundursache. Diese würde ihn, wie er glaubt, auf die Untersuchung führen, wie Leib und Seele wechselsweise in einander wirken, auf welche er sich nicht einlassen will. Er begnügt sich vielmehr, die allgemeinen Geseze ausfindig zu machen, nach welchen gewisse Leidenschaften in der Seele von gewissen und keinen andern Bewegungen in dem Körper, und wiederum diese von jenen allezeit begleitet werden. In diesem Theile findet man sehr philosophische Ideen, die einem systematischen Kopfe vielfältig Gelegenheit zum Nachdenken geben können. Unsere Leser werden es hoffentlich für gut finden, wenn wir hier etwas weitläuftiger seyn werden.

Wenn es gleich nothwendig Gegenstände geben muß, die ihrer Natur nach gewisse Leidenschaften in uns erregen; so findet man hingegen doch auch andere, die uns an und für sich selbst gleichgültig seyn würden, wenn wir sie nicht in der Einbildungskraft mit gewissen andern Vorstellungen verknüpft hätten, die ihrer Natur nach Leidenschaften in uns wirken; geseht auch, wir wüßten in dem Augenblicke, da der Affect entsteht, uns nicht zu erinnern, wie und wann wir diese Begriffe mit einander verbun den haben. Ohne an den Ekel zu gedenken, der einigen Menschen für gewisse Dinge eigen ist; so wissen wir uns nicht zu erinnern, seit wann uns ein steiler Ort schrecklicher geworden ist als eine Ebene, oder Feuer und Wasser fürchterlicher als ein Erdkloß, da dieses doch unstreitig eine Frucht der Erfahrung ist, die wir vielleicht erst ziemlich spát in der Welt gemacht haben.

Ferner beweist der Hr. Verf. aus der Erfahrung, daß sich Furcht und Schrecken durch eben die äußerlichen Kennzeichen, durch eben die Bewegungen in den Gliedmaßen des Körpers

äußern, durch welche sich ein heftiger Schmerz zu erkennen zu geben pflegt. Der einzige Unterschied zwischen diesen Gemüthsbewegungen ist dieser: der Schmerz wirkt vermittelst des Körpers in die Seele, Furcht und Schrecken aber wirken vermittelst der Seele in den Körper. Die Wirkung ist aber in beiden Fällen nicht nur einerlei, sondern man hat auch bemerkt, daß in der Seele jederzeit die Leidenschaften von selbst entstehen, zu deren äußerlicher Veränderung der Körper durch irgend eine Ursache aufgelegt ist. Diese Anmerkung wird durch ein Exempel von Campanella bestätigt, welcher, wie Spon in seinen Recherches d'Antiquité erzählt, wenn er die Neigungen anderer Menschen hat auskundschaften wollen, ihre Mienen, Geberden und Positur angenommen, und sein eigenes Herz untersucht hat, in der ge= wissen Versicherung, sein Gemüth müsse die Neigungen derjenigen Personen annehmen, deren Mienen und Geberden er nachahmt. Die tägliche Erfahrung zeigt auch, daß man nur die Geberden eines zornigen, erschrockenen oder kühnen Menschen anzunehmen hat, um gleichsam einen Trieb zu diesen Leidenschaften zu bekommen.

Der Verf. fährt fort zu schließen: wenn wir also anneh men, der Schrecken äußere sich durch eine Zusammenziehung und Spannen der Nerven, und überdem bereits bewiesen haben, daß der Schrecken eine Ursache der erhabenen Empfindungen sei; so folgt daraus, daß nicht nur schreckliche und fürchterliche Dinge, fondern auch alle Gegenstände, welche eine dem Schrecken åhnliche Spannung der Nerven verursachen, eine Quelle des Erhabenen werden können. Man hat also nur zu beweisen, daß die Gegenstände, welche in dem zweiten Theile als Quellen des Erhabenen angegeben worden sind, entweder an sich schrecklich, oder mit schrecklichen Begriffen in der Einbildungskraft verknüpft sind, oder endlich bloß in den Körper wirken, und die Spannung hervorbringen, die eine Folge des Schreckens zu seyn pflegt. Diese Idee scheint uns überaus fruchtbar.

Wie kann uns aber das Schreckliche, das Fürchterliche unter der Gestalt des Erhabenen froh machen (be a cause of delight)? Hier nimmt der Verf. seine Zuflucht zu dem bekann= ten System, daß eine jede Beschäftigung der Nerven, die sie wirksam erhält, ohne sie zu ermüden, angenehm sei; welches man in der französischen Schrift, die den Titel führt: Théorie des Sentimens agréables, weitläuftig ausgeführt finden kann.

Nunmehr fährt der Verf. fort, alle die Ursachen des Erhabenen, deren oben erwähnt worden, aus diesem Gesichtspunkte zu betrachten.

Eine ungemeine Größe in Ansehung der Ausdehnung erregt einen geringen Grad von Schmerz, eine gelinde Spannung in den Gesichtsnerven, die der Wirkung des Schreckens sehr nahe kommt, indem das Auge viele mannigfaltige Theile zu durchlaufen hat, ehe es das Ganze übersehen kann. Viele zer streute Gegenstände sind nicht so geschickt, diese Wirkung hervorzubringen. Denn einestheils wird die Arbeit des Auges durch die Abwechslung der Figuren und Farben erleichtert, anderntheils pflegt auch die Seele ihre Aufmerksamkeit auf mehr als auf einen einzigen Gegenstand zu lenken. Worauf wir aber nicht aufmerksam find, das ist eben so gut als wenn es gar nicht da wäre. Die Einheit ist also nothwendig bei der Größe, wenn sie eine Quelle des Erhabenen seyn soll.

Das Unendliche, welches durch die Kunst hervorgebracht wird, besteht in einer einförmigen Folge großer Theile auf oder neben einander. Auch dieses kann die Spannung der Nerven verursachen, welche der Wirkung des Schreckens ähnlich ist. In Ansehung des Gehörs ist dieses sehr deutlich. Ein einziger Schlag spannt schon die Nerven des Gehörs in einem gewissen Grade. Wird der Schlag wiederholt, so erwarten wir natürlicherweise einen dritten. Diese Erwartung selbst vermehrt den Grad der Spannung, wie man solches bei den Thieren be merken kann, wenn sie sich gefaßt machen, einen gewissen Schall zu vernehmen. Da wir aber in der Erwartung den Augenblick nicht gewiß bestimmen können, in welchem der Schlag erfolgen wird, so überrascht er uns hernach nicht ohne einen geringen Grad von Schrecken; welches der Hr. Verf. bei sich selbst erfahren, zu haben versichert. Alle diese Ursachen vereinigen sich, die Spannung der Nerven hervorzubringen, welche zum Erhabe nen erfordert wird. Indessen müssen alle diese Schläge, und die Erschütterungen, die sie hervorbringen, sich ähnlich seyn; sonst hindern sie sich einander in ihren Wirkungen.

Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit dem Gesichte. Das Unendliche durch die Kunst, oder die Wiederholung ähnlicher Eindrücke, muß hier eben die Wirkung thun. Laßt uns eine Colonnade von ähnlichen Säulen betrachten, welche in einer geraden Linie neben einander stehen. Wir wollen aber eine

[ocr errors]

Stellung annehmen, aus welcher unser Auge sie alle übersehen kann. Die erste Säule wird einen Eindruck in die Gesichtsnerven machen, oder ein Bild auf den Grund unsers Auges malen, das dem Gegenstande ähnlich ist. Die unmittelbar darauf folgende verstärkt diesen Eindruck, die übrigen häufen Schlag auf Schlag, Erschütterung auf Erschütterung; bis endlich zuleht die Einbildungskraft den Begriff wiederholt, wenn schon die Reihe zu Ende ist, und dadurch der Seele den Begriff des Unendlichen durch die Kunst, des wahrhaftig Großen und Erhabenen darstellt. Gesezt aber, die runden Säulen wechselten beständig mit viereckigen Pilastern ab, so wird der Begriff des Unendlichen durch die Kunst, und mit ihm das Erhabene, verschwinden; indem jeder einzelne Eindruck der runden Säule durch den unmittelbar darauf folgenden Pilaster aufgehoben wird, und zuleht nichts mehr, als der einzige Eindruck der letten Säule oder des lehten Pilasters übrig bleibt, welcher allzu schwach ist, als daß ihn die Einbildungskraft über die Gränzen hinaus führen und von selbst fortsehen können sollte. Eine gerade fortgehende Wand von eben der Långe, als die beschriebene Reihe der Såulen, kann zwar durch ihre ungemeine Größe den Begriff des Erhabenen, aber nicht des Unendlichen, durch die Kunst hervorbringen. Dieses entsteht nicht sowohl durch eine einzige große Vorstellung, als durch eine stete Wiederholung ähnlicher Begriffe, deren Wirkung weit stärker ist, indem die Einbildungskraft gleichsam eine Fertigkeit erlangt, den Eindruck von selbst zu wiederholen und ohne Unterlaß fortzusehen.

Locke ist der Meinung, die Finsterniß sei von Natur nicht fürchterlich; sondern die Vorurtheile der Erziehung, da man Kindern eine übelgegründete Furcht vor Gespenstern und nächtlichen Erscheinungen einzujagen pflegt, haben den Begriff der Finsterniß so sehr mit Furcht und Schrecknissen verbunden, daß es der Vernunft nachher in langer Zeit unmöglich fållt, diese Begriffe wiederum zu trennen. Da diese Gedanken einigermaßen mit dem System unsers Verf. streiten, so sucht er sie zu widerlegen. Er findet eine weit natürlichere Verknüpfung der Begriffe, durch welche die Finsterniß schrecklich wird: nämlich die Ungewißheit, in welcher wir sind, ob uns nicht eine nahe Gefahr droht, nebst der Unwissenheit, auf welche Weise solche abzuwenden fei. Ja eine Beobachtung vom Hrn. Chefelden scheint ihm zu be weisen, daß auch diese Erklärung zu weit hergeholt, und vielmehr

« PreviousContinue »