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hatte der Krampffisch vorher zu thun, daß er sich so sehr sehnt, mit Ehren müßig gehen zu können? Dergleichen sind noch die 24. Fabel des ersten Buchs das Mäusebegångniß" u. a. m.

Jedoch wozu nüßt es, unsere Leser mehr mit den schlechten Stücken dieses Dichters bekannt zu machen? Sie sind allzu niedrig, als daß sie dem guten Geschmacke schaden können. Sie stehen überdem neben eben so viel vortrefflichen Stücken, daß man glaubt, in den Bildersaal eines reichen Mannes zu kommen, der nicht viel Beurtheilungskraft hat, und die Stücke eines Raphael neben schlechte Schmierereien ordnet. Man hat nur

die Augen aufzuthun, um das Gute von dem Schlechten zu unterscheiden.

Wir müssen mit dem Kunstrichter, dessen Worte wir be reits angeführt, ausrufen: Schade, daß dieser Dichter nicht in ,,einer Residenz lebt, oder keine poetische Freunde hat! Er würde ,,der beste Fabeldichter seines Volks werden können".

Dürfen wir den Hrn. Verf. ersuchen, unsere Erinnerungen bei einer neuen Auflage, welche ohne Zweifel bald erfolgen wird, in Betrachtung zu nehmen?

Der Anhang besteht aus einigen Oden und alcåischen Versen, die theils gereimt, theils auch reimlos sind. Sie zeigen aber alle, daß der Hr. Verf. zum Fabeldichter geboren sei.

משלי שועלים

d. i.

Fabeln der Füchse des berühmten Weisen Raby Berachja Hanakdan. 3um zweytenmale gedruckt in Berlin im Jahr 516, d. i. n. C. G. 1756. 62 S. in 8.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 3. Stůď 1. 1758. G. 73-78.)

Bei Gelegenheit der oben angezeigten Fabeln *) wollen wir unsern Lesern eine Seltenheit anzeigen, die gewiß den Wenigsten Anmerk. des Herausg.

*) Der von Lichtwer.

unter ihnen bekannt seyn wird. Unlängst ist zu Berlin, in der dasigen jüdischen Buchdruckerei, ein hebräisches Fabelbuch, unter obigem Titel, neu aufgelegt worden. Die Zeit, zu welcher der Verfasser desselben gelebt, ist eben so unbekannt, als die Ursache, warum er sein Fabelbuch eben Fabeln der Füchse“ genannt hat. So viel ist gewiß, daß er in den neuern Zeiten gelebt haben muß *), weil er die hebräische Sprache als eine todte Sprache behandelt hat, wie wir in der Folge zeigen werden. Gegenwärtige Ausgabe besteht aus 107 Stücken, größtentheils asopischer Fabeln; doch sind auch einige neue Erfindungen darunter, die des griechischen Fabulisten nicht unwürdig sind. Ein gewisser Mönch **) ließ es sich einst einfallen, diese Fabeln von Wort zu Wort ins Lateinische zu übersehen, und seine elende Überseßung dem Terte gegenüber drucken zu lassen. Nichts konnte ungereimter seyn als dieser Einfall; und man müßte gar nicht wissen, was Poesie, viel weniger, was die neue hebräische Poesie ist, wenn man das Verdienst des Dichters aus dieser übersehung beurtheilen wollte. Wir wollen uns bemühen, unfern Lesern von diesem Dichter einen Begriff zu machen.

Das Sylbenmaaß, dessen sich die alten Hebråer in ihren Gedichten bedient haben, ist in neuern Zeiten so unbekannt geworden, daß man sogar an dessen Daseyn zu zweifeln ange= fangen hat. Der Augenschein überzeugt uns indessen von dem Gegentheile dieser Meinung. Denn ob man gleich die Regeln des Sylbenmaaßes nicht ergründen kann, so entdeckt man dennoch in allen Poesien der alten Hebråer einen vortrefflichen abgemessenen Wohlklang, der von dem freien oratorischen Numerus sehr weit unterschieden ist und unmöglich von Ungefähr entstanden seyn kann ***).

*) Wolf in seiner Bibliotheca hebraica T. I. S. 272. seht ihn in den Anfang des 15ten Jahrhunderts, hernach aber in seinem Supplemente T. III. p. 165. mit mehrerer Wahrscheinlichkeit in den Anfang des 13ten Jahrhunderts nach C. G., weil deffen Sohn R. Elias Hanakdan bereits im Jahr nach C. G. 1334 die Berlinische Abschrift der Bibel vollendet habe.

*** Der Jesuit P. Melchior Hanel, deffen übersehung zu Prag 1661 in 8. gedruckt worden. Wir können Wolf's Urtheile ganz und gar nicht beistimmen, welcher sagt: versio elegans satis et idonea est.

***) Man lese hiervon Lowth de sacra poesi Hebraeorum, oder den Auszug davon in dem ersten Bande dieser Bibliothek (oben S. 174-176).

Indessen hat dieser Mangel eines sichern Sylbenmaaßes die neuern hebräischen Dichter verleitet, zu dem Reime ihre Zuflucht zu nehmen; ein Zierrath, welcher der hebräischen Sprache sehr fremd ist, und davon in den Schriften der åltern Hebråer gewiß keine Spuren anzutreffen sind. Man hat sogar nach dem Beispiele anderer orientalischen Völker prosaische wißige Schriften in Reimen abzufaffen angefangen, und die Gedichte durch eine Art von neuerfundenem Sylbenmaaße unterschieden, welches einen außerordentlichen Zwang und wenig Harmonie mit sich führt.

Gegenwärtige Fabeln sind in gereimter Prosa, die Moral aber mehrentheils in der Art von Gedichten vorgetragen, die wir eben jest beschrieben.

Es war gewiß kein geringes Unternehmen, im Hebräischen Fabeln zu schreiben. Die guten hebräischen Schriftsteller erlauben sich in neuern Zeiten keinen Ausdruck, keine Redensart welche nicht in der heiligen Schrift ihre Autorität hat. Ja sie sehen eine Art von Schönheit darein (wie solches auch von einigen neuern lateinischen Schriftstellern geschehen ist), ganze Sentenzen aus den Alten in ihre Reden einzuflechten, und ihnen durch die Verbindung, in welcher sie stehen, eine ganz andere Bedeutung zu geben. Die Schwierigkeit war also, in den Gedichten der alten Hebråer, welche alle von der erhabensten Gattung sind, Redensarten zu finden, denen man eine naive, lachende und öfters scherzhafte Wendung geben könnte.

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Unser Dichter hat dieses auf eine unnachahmliche Weise verrichtet. Die erhabensten Redensarten der Propheten erlangen unter seiner Feder einen gewissen familiåren Ton, einen der Sprache der Thiere gemäßen Charakter, ein anmuthiges und öfters scherzhaftes Wesen, das sich eher fühlen als beschreiben läßt. Sein Vortrag ist lebhaft, voller Salz, mehrentheils kurz, etwas hart, aber sehr poetisch.

Wir würden uns der Thorheit des angeführten Mönchs schuldig machen, wenn wir einige von diesen Fabeln überseßen wollten. Gewisse Schriftsteller wissen sich des Eigenthümlichen. ihrer Sprache mit so vielem Vortheile zu bedienen, daß man sie schlechterdings in keine andere Sprache übersehen kann, ohne sie ihres Schmuckes gänzlich zu berauben; und vielleicht gebührt unserm Dichter unter diesen Schriftstellern in dieser Absicht der erste Rang.

Als einen verlornen Versuch wollen wir indessen folgende

Fabel, welche im Hebräischen eine der kürzesten ist, ins Deutsche übersehen. Die Erfindung ist unsers Wissens von dem Verfasser selbst. Sie ist

die XC. Fabel.

Die Fliege, der Ochs und Debora (die Biene).

„Eine Fliege spazierte auf dem Felde herum, und sah ,,einen Ochsen an den Pflug gespannt. Er ging seinen Weg ,,langsam fort, und zog Furchen den Acker lang. Sie flog hin ,,und feste sich zwischen seine Hörner. Der Ochs wandelte un,,gestört auf und nieder, und die Fliege saß ihm immer zwischen ,,den Hörnern. Muhme Debora, die sie von ungefähr erblickte, „stellte sich von ferne hin, zu sehen, was sie da machen werde, „und ob wohl der Ackersmann den ganzen Tag pflügen werde. „Endlich ruft sie ihr zu: wohnest du denn etwa hier zwischen ,,diesen Hörnern? was lagerst du dich zwischen diesen Gränzen? „Wisse, antwortete ihr die Fliege, das ganze Feld hier haben ,,wir, ich und der Ochs, heute durchpflügt. Thue es mir ein„mal nach, wenn du kannst. Wohlauf! wohlauf! Debora! Die Moral. Mancher Feige mischt sich unter Helden, ,,mancher Thor unter Weise. Er wohnt ihren Rathschlägen ,,und ihren Thaten nicht bei, aber er nimmt ihre Worte und „ihre Geberden an, und sagt: „wir Helden haben gethan, wir Weise haben erfunden".

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Wir erinnern unsere Leser nochmals, von dieser übersehung nicht auf die Urschrift zu schließen. Sie hat unendlich viel verloren. Die einzige Anspielung wohlauf! wohlauf! Debora!" auf eine ähnliche Stelle im B. der Richter Cap. 5. v. 12. hat im Hebräischen eine Anmuth, die der deutsche Leser kaum bemerken kann.

Schilderungen aus dem Reiche der Natur und der Sittenlehre, durch alle Monate des Jahres. Die Frühlingsmonate. Hamburg und Leipzig, verlegt's G. Chr. Grund und Adam Heinrich Holle 1757, 344 S. in 8.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 3. Stück 1. 1758. G. 96 106.)

In der Vorrede sagt der Verfasser: die Begierde, mit welcher das Publikum die vortrefflichen Betrachtungen des Hervey aufgenommen, habe ihn ermuntert, nach dem Erempel dieses Schriftstellers an dem Verstande und an dem Herzen seiner Mitbürger auf eine ähnliche Art zu arbeiten Es sei eine ausgemachte Erfahrung, daß die größeste Anzahl der Menschen ein vorzügliches Vergnügen an den Gegenständen der Natur em= pfinde; und man habe also die Neigungen der Leser bereits auf seiner Seite, wenn man in diesen Materien arbeite. Allein man müsse die Einbildungskraft zu Hülfe nehmen, wenn man die Leser rühren, belustigen und auf eine angenehme Weise unterrichten wolle. Bei dieser Gelegenheit werden die düstern Weltweisen mit ihrem systematischen Vortrage wacker ausgefilzt. Denn man muß wissen, daß unsere neuern Schriftsteller wißig zu seyn glauben, wenn sie die Gründlichkeit verwerfen; sogar daß man kaum die Briefe einer Ninon von Lenclos ins Deutsche übersehen kann, ohne in der Vorrede auf die systematische Lehrart zu schimpfen.

Unser Verf. glaubt, man sollte weder in der Sittenlehre, noch in der Physik demonstriren, weil die Erkenntniß, ohne Annehmlichkeit des Vortrags, gar zu mühsam und zu verdrießlich ist. Er habe also einen angenehmen Vortrag zu seinem Vorhaben gewählt. Laßt uns sehen, was unser Schriftsteller unter einem angenehmen Vortrag versteht. Ich wünschte", sagt er, ,,zu schildern, und durch Hülfe aller Dichterkünfte auf die Ein,,bildungskraft, dieses so nüßliche Vermögen der Seele, zu ,,wirken. Meine Arbeit mußte also das Ansehen eines Gedichts ~,,annehmen; und um sie der Poesie so ähnlich zu machen, als ,,möglich wäre, schrieb ich selbst meinen Perioden, wo es ohne

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