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102 üb. freie u. freiwill. Handl. — üb. Cochius v. d. Neigungen.

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werden sie der Willkühr eines Andern unterworfen; also wird durch jeden Vertrag ein Theil der Freiheit vergeben. Alle Pflichten gründen sich auf Gefeße. Völlig bestimmte Geseze geben vollkommene, unbestimmte Geseze unvollkommene Pflichten. Die positiven Pflichten gegen Andere hangen mehrentheils von nåheren Bestimmungen ab, die von Natur unserer eigenen Willkühr überlassen sind. Wenn wir durch einen Vertrag einem Undern das Recht abtreten, diese Bestimmungen nach seiner Willkühr hinzuzuthun, so verwandeln wir unvollkommene Pflichten in vollkommene.

(Den 28 September 1769.)

Der starke Geist verfolgt seine Absichten mit unermüdetem Eifer; der große Geist weiß außerordentliche Absichten durch außerordentliche Mittel zu erhalten. Der erhabene Geist hat nur weise Absichten.

Cochius von den Neigungen.

Berlin 1769, bei Haude.

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S. 23. Ein Object. Diese Objecte sind zuweilen notiones universales, als z. E. Neigung zur Trägheit, zur Weichlichkeit, zum Tiefsinn u. f. to. Ist Object auch der schicklichste Name für die Arten der Beschäftigung, auf welche die Neigung gerichtet ist?

w.

Alle Seelen haben dieselben Neigungen, nur nicht in gleichem Grade wirksam. Das Verhältniß der Wirksamkeit aller Neigungen eines Menschen macht seinen Charakter, so wie das Verhältniß aller Seelenkräfte sein Genie aus.

S. 24. Vorstellungen und Neigungen verhalten sich wie Ausdehnung und Bewegung. Keines entspringt aus dem andern. Die Neigungen verändern, die Vorstellungen werden verändert.

Alle drei, S. 23. angeführten Merkmale unterscheiden die Neigungen nicht von den Begierden, den habitum nicht von

der Action. S. 25. wird die Lebhaftigkeit allein für das Unterscheidungszeichen der Begierden angegeben; male. (S. 29.) Neigungen sind keine Applicationen des Grundtriebes auf ein Object, sondern der Seele beiwohnende Fertigkeiten, ihren Grundtrieb auf eine gewisse Gattung oder Art von Beschäftigung stärker, als auf andere zu richten. Diese Fertigkeiten müssen zum Theil angeboren seyn, weil der Seele keine Fähigkeit beiwohnen kann, der nicht wenigstens ein geringer Grad von Fertigkeit zukommt; und da sie nicht alle von gleicher Stärke seyn können, so werden einige vorzüglich den Namen Fertigkeit verdienen, und also angeborene Neigungen genannt werden können. Die durch übung und Gewohnheit verstärkten Fertigkeiten werden den angebornen entgegengeseßt und erworbene genannt. (Was bei den Neigungen natürlich und unnatürlich sei, hat Hr. Cochius gar nicht untersucht.) Wie die Handlungen in ihre Arten eingetheilt sind, so sind auch die Neigungen verschieden. Wiederholte Handlungen von einer Art verstärken die ihnen zukommende Neigung. Diejenigen Neigungen sind verschieden, die durch wiederholte Handlungen ganz verschiedener Art erworben oder verstärkt werden.

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S. 29. Unfre Natur selbst ist Trieb, ohne ein bestimm tes Object"; Abstracte, aber niemals in concreto.

S. 30. No. 4. Die übereinstimmung des Mannigfaltigen ist Vollkommenheit. Den Trieb zum Mannigfaltigen nennt Hr. Cochius Ausdehnung. Die Übereinstimmung muß er gleichfalls hinzusehen, denn mit der Abwesenheit des Widerspruchs ist es nicht genug; die Umkehrung, deren Hr. Cochius gedenkt, läßt sich schwerlich rechtfertigen. Wenn der Widerspruch abschreckt, fo kann vielleicht dasjenige gefallen, worin weder consensus, noch dissensus wahrgenommen wird.

S. 32. Hr. Cochius hält auch hier Abwesenheit des Widerspruchs und übereinstimmung für einerlei. S. 48. noch deutlicher.

Daselbst vom Selbstmorde. Aber das Nichtseyn ist ein Zustand, der mit der ausdehnenden Kraft am wenigsten übereinstimmt; gewiß weniger, als jedes geplagte Daseyn.

Die Neigungen, welche nach dem ordentlichen Laufe der Natur zu entstehen pflegen, heißen natürlich; deren Entstehung aber außerordentliche Umstände vorausseßt, heißen unnatürlich. S. 36. 37. Vortrefflich!

S. 39. Charakter des Sylla. Die Erklärung desselben zu allgemein. Die bloße Geschäftigkeit nach Empfindungen bestimmt weder Wollust, noch Kriegeswuth.

Die Eintheilung der Neigungen in ihre Classen und Verwandtschaften fehlt überhaupt.

Unnatürliche Neigung kann auch heißen: die Fertigkeit, das Wahre oder anscheinende Gute an einem gewissen Objecte, das sehr verborgen und mit vielen widrigen Umstånden verbunden ist, finnlich zu begehren. Nein! Blutschande ist vornehmlich eine

unnatürliche Neigung.

S. 45. No. 1. Ein näherer Grund zur Entwickelung des oben S. 39 angeführten Charakters des Sylla. Blutige und wollüstige Scenen gewähren beide Sinnenlust.

S. 57. Von der Dunkelheit bis zur Klarheit ist das Steigen in Absicht 1) auf die Menge oder 2) auf die Kraft der Merkmale extensive oder intensive Klarheit; so wie die deutlichen an Leben und an Deutlichkeit zunehmen können.

So lange die Beziehung eines Gegenstandes auf uns noch nicht festgesetzt ist, macht ihn die Neuheit angenehm. Ist sie aber einmal festgeseht, so kann die Neuheit sowohl das Vergnügen als den Abscheu lebhafter machen. Ist die Neuheit verschwunden, so geht abermals eine Erisis vor. Angenehme Gegenstände können aus den Ursachen, die Hr. Cochius anführt, unangenehm, und unangenehme angenehm werden. Behalten die Gegenstände aber, wenn sie aufhören neu zu seyn, noch im mer die vorige Beziehung auf uns, so wird diese durch die Gewohnheit immer stärker; die angenehmen Gegenstände werden uns unentbehrlich, und die unangenehmen unausstehlich. Die erste Bekanntschaft einer Person hat zuweilen einen lebhaften Reiz. Ein näherer Umgang kann uns ihre Fehler entdecken und fie unangenehm machen. Ist aber diese Crisis überstanden und die Vollkommenheiten überwiegen, so entsteht mehrentheils eine Freundschaft, die durch die Gewohnheit immer verstärkt wird und die Fehler selbst beinahe Tobenswerth macht. Eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit dem Abscheu. Die Gegenstände sind unangenehm 1) durch Ermüdung, 2) durch Unthätigkeit. Jene können durch die Gewohnheit angenehm, diese höchstens nur erträglich werden.

S. 67. Nicht die übereinstimmung in Dingen, fon= dern das Zunehmen" etc. Die bloße übereinstimmung erregt

Wohlgefallen, Lust; das Zunehmen aber Vergnügen, indem es die Aufmerksamkeit an sich zieht und die Empfindung lebhafter macht.

S. 68. Die angenommene Lehre ist: das anschauende Bewußtseyn einer Übereinstimmung macht Vergnügen, nicht die Übereinstimmung an und für sich. Die Nebenvorstellungen verhütet werden"; ungleichartige verhütet, und gleichartige hervorgebracht werden.

Die größere Lebhaftigkeit entsteht auch, wenn die Seele sich vorher in dem Zustande entgegengesetter Empfindungen befunden, die durch den gegenwärtigen aufgehoben werden. Durch den Gegensas.

S. 70. 1) Von der Allgemeinheit der Neigung. Alle einzelnen Handlungen, welche die Kraft der besondern Neigungen vermehren, verstärken auch die allgemeinen Neigungen. Wenn C eine Gattung, A und B die Arten sind, so wird die Neigung a von den einzelnen Handlungen A, die Neigung b nur durch Handlungen von der Art B, die Neigung c aber durch beide verstärkt; daher sie schwerer zu verändern seyn muß.

Ferner: Neigungen werden bloß durch Bewegungsgründe regiert, und nicht anders als durch Collision der Motive veråndert. Je bestimmter also die Neigung, desto mehr Gelegen= heit zu Collisionen.

Definition. Die Fertigkeit des Gemüths, das Gute von einer gewissen Art vorzüglich zu begehren, heißt Neigung. Gewohnheit erzeugt natürliche, und Übung künstliche Fertigkeiten, also auch Neigungen. Ist der Grad der Fertigkeit den Kråften, oder das Object den Absichten der Natur nicht ge= más, so ist die Neigung unnatürlich, und zwar in dem ersten Falle über, in dem lehten widernatürlich.

Garve von den Neigungen.

S. 100. Das Nügliche wird durch die Gewohnheit angenehm, und kann in so weit auch Begierden und Neigungen erregen. Neigungen zum Nüßlichen, nicht insoweit es nüglich, sondern insoweit es durch die Gewohnheit angenehm geworden,

arten in unnatürliche Neigungen aus, weil das Object, nur insoweit es nüßlich ist, den Endzwecken der Natur gemäß ist. Die Mittel, welche als Endzwecke begehrt werden, machen eine Art der unnatürlichen Neigungen aus, erschöpfen aber die Gattung nicht. Überhaupt giebt es so viel fehlerhafte Neigungen, als Trugschlüsse in der Vernunftkunst.

1) Mittel für Endzweck: Geiz, Pedanterie.

2) Endzweck für Mittel: Wohlthun aus Eigennut, da das Gute selbst nicht um des Guten halber geschieht; so auch aus Ruhmbegierde.

3) Vom Besondern auf das Allgemeine: Neigung zur Menschenfeindschaft, Mißtrauen.

4) Das Geschlecht für die Art: Spielsucht; da man diese leichte Beschäftigung der Affecte für die einzige hålt.

5) Die Art für das Geschlecht: die Neigung, sich durch allerlei Mittel zu bereichern; da nur die erlaubten dem Endzweck der Natur entsprechen.

6) Post hoc, ergo propter hoc, sive non causa pro causa: Ekel vor gewissen Dingen, die zu einer andern Zeit zufälligers weise von widrigen Empfindungen begleitet worden sind.

7) Verwechslung der Objecte: unnatürliche Liebe u. s. w. 8) Fehler der mathematischen Erkenntniß: Wollust, Ehrgeiz, Prachtliebe, Hochmuth.

9) Zeichen für die Sachen: Eitelkeit, Liebe zur Schmeiches lei, weichliches Mitleiden.

10) A posse ad esse: Jahzorn, da jeder Blick, welcher Verachtung zum Grunde haben kann, für Verachtung gilt; Argwohn.

S. 101. Natürliche Neigung unrichtig erklärt. Auch die Eigenschaften des Objects gehören zur natürlichen Neigung; und was sind dieses für gewisse Beschaffenheiten der Seele, in welchen die natürlichen Neigungen ihren Grund haben sollen?— Vermuthlich will Hr. Garve sagen: Neigungen, die ihren Grund in dem haben, was einem Subjecte eigen ist, heißen unnatürlich; d. i. insoweit sie bloß in den Bestimmungen des einzelnen Dinges gegründet sind. Diese Erklärung gefällt mir besser als alle vorhergehenden. Man sieht daraus, warum gewisse Neigungen bei einer Nation natürlich, bei einer andern unnatürlich heißen können.

. 105. 6. Sehr schön! Aber warum redet Hr.

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