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Inversionen. Die Inversionen der griechischen und lateiragon Sprache haben sich auch mit der Zeit nicht vermindert, ht gar vermehrt. Pindar hat mehr davon als Homer, Lucan mehr als Virgil. Im Deutschen haben in den legSeiten durch die Bemühung großer Schriftsteller die Inver*** mehr zu als abgenommen. Es scheint hier alles auf Fall-Endungen anzukommen. In Sprachen, welche die nicht genug unterscheiden, muß die Ordnung der Wörter hülfe genommen werden, und eine Inversion würde Undeutie verursachen. Hieraus erklärt es sich, warum die Hebråer senige Inversionen, und die Deutschen mehr als die Franweniger aber als die Griechen und Römer haben. ekannter wir mit der Litteratur anderer Völker werden, desto 'lernen wir unsere Gedanken von verschiedenen Seiten bean; wir gewöhnen uns, die Ordnung derselben nach Beund Erforderniß umzukehren und die Construction von Fesseln zu befreien. Solchergestalt kann die Construction Der Zeit vielmehr freier werden.

De eine jede Inversion eine Abweichung der Ordnung in Worten von der logischen Ordnung der Begriffe ist, so y diese Abweichung entweder frei und dem Bedürfnisse des ners überlassen, oder an eine bloß grammatische Ordnung den seyn. Inversionen von der ersten Art sind, wenn die Dichkeit nicht ganz vernachlässigt worden, eine große Vollenheit der Sprache. Dieses hat der Verfasser sehr wohl inandergefeßt. Über die von der zweiten Art, da die Ordder Wörter an willkührliche grammatische Regeln gebunist, ohne mit der metaphysischen Ordnung der Begriffe übertommen, diese sind bloße Capricen der Sprache, die ihr Linen Tugenden angerechnet werden können. - Zieht schon Birtuose, der im Nachahmen Gottes auch das Böse zum eh wenden kann, manchmal aus diesem Eigensinn selbst seine Ortheile, so geschieht dieß doch nur zufälligerweise; und es be ihm angenehmer seyn, wenn ihm freie Hånde gelassen arten. Wenn ein Ausländer die Inversionen in unsrer Sprache , so meint er nur die von der lehten Art, und hat in so Recht. Wir können zwar die Beschuldigung zurückschieben wenn es angeht, in seiner Muttersprache, die er erheben , gleichen Eigensinn bemerken; aber wir müssen nicht aus sehen Tugenden machen wollen. Die freie Constructionsordnung, IV, 1.

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die nach allen unsern Bedürfnissen und Endzwecken eingerichtet werden kann, ist noch von Niemanden getadelt worden.

S. 115. wird Hr. Ramler für den vermuthlichen Verfasser einer Abhandlung in den Litteraturbriefen ausgegeben. Wir erinnern uns, auch anderswo gelesen zu haben, daß man so man: ches Stück in den Litteraturbriefen diesem würdigen Gelehrten zugeschrieben, wodurch er sogar den Anfällen mancher ergrimmten Schriftsteller ausgeseht worden. Wir können das Publikum im Namen unsers Verlegers, so wie im Namen des Hrn. Ramler selbst hiermit versichern, daß er nicht den geringsten Antheil an den Briefen, die neueste Litteratur betreffend, hat, und niemals weder ordentlicher, noch außerordentlicher Mitarbeiter an dieser periodischen Schrift hat seyn wollen. In Ansehung unserer Bibliothek können wir dasselbe versichern.

Das Bild der orientalischen Litteratur, das der Verfasser in der zweiten Sammlung (Fragm. 23.) entwirft, hat viele treffende Züge. In den Folgen aber, die er daraus für die Nachahmung zieht, scheint er zu weit zu gehen. Auf solche Weise können wir uns alle Schönheiten wegråfonniren. Können wir in unserer Dichtkunst keinen Engel des Todes, keiner Gott, der Blige schleudert, keine Veste des Himmels, wo der Thron Gottes ruht, brauchen? Sind uns die Winde nicht mehr Engel des Herrn, die Flammen des Feuers nicht mehr seine Diener? Und warum dieses? weil uns die Nas turkunde über diese Punkte ungläubig gemacht? Wenn dieses ist, so können wir nur den ganzen Plunder Poesie abschaffen, denn solche unglaubhafte Dinge machen ihre ganze Nahrung aus. Die griechische Mythologie streitet nicht weniger mit unserm Bes serwissen, als die hebräische oder scandinavische. Was ist die Muse? Eine Eigenschaft der menschlichen Seele. Was ist der Gott der Liebe? u. s. w. Die nördliche Mythologie, ob sie gleich auf unserm Grund und Boden gewachsen, findet, noch mehr Unglauben zu bestreiten, weil wir mit derselben noch we niger bekannt sind, als mit der griechischen. Von Gerstenberg's Lied eines Skalden" widerstrebt, seiner Vortrefflichkeit un geachtet, doch immer noch weit mehr, als die schwärmendste Dithyrambe, wenigstens bevor man sich überwunden, mit seiner nordischen Fabellehre nåhere Bekanntschaft zu machen.

kann also der Verfasser S. 223. den Vorschlag thun, die Mythologie der alten Skalden und Barden einzuführen? er, der in

unserer jeßigen Denkungsart Unglauben genug findet, die poetischen Bilder der hebräischen Sprache, die uns vermittelst der Religion in unserer ersten Kindheit eingeprägt und beinahe zur Natur geworden sind, für unbrauchbar zu halten?

überhaupt aber ist dieses der Gesichtspunkt nicht, aus welchem wir die Schönheiten der Poesie zu betrachten haben. Wer wird sich durch das Vernünfteln um ein unschuldiges Vergnügen bringen? Die Dichtkunst ist in unsern Tagen bloß Nachahmung, nicht mehr Natur. Auch ihre Empfindungen sind nur nachahmende, nicht mehr natürliche Empfindungen. Nach dem End= zwecke, den wir uns bei der Dichtkunst vorsehen, kann und soll sie nichts anders als nachahmende Empfindungen erregen; und diese kehren sich selten an Glauben und Unglauben des Naturforschers. Wohin sie wollen, können sie uns durch ihre Täuschungen versehen, und was sie wollen, tros unsres Besserwissens glauben machen. „Wilde Einfalt," sagt der Verfasser (S. 229.), \ ist das Feld der Dichtkunst." O ja! als ein Gegenstand der Nachahmung; denn sie ist reich an Illusion. So lange aber diese wilde Einfalt noch Natur ist, giebt es noch keine Dichtkunst.

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Was wollen wir mit der Poesie? Liebe zur wilden und rauhen Lebensart erzeugen? O nein! wir schreiben es vielmehr dieser Kunst zum Theil zu, daß wir der Barbarei entkommen und gesitteter geworden sind. Unsere Poesie soll nunmehr ein gesittetes Volk rühren, die Empfindungen gesitteter Menschen durch angenehme Täuschung beleben und in anständiger Übung erhalten. Die Lebensart und die Bildersprache rauher Zeiten können zu dieser erwünschten Täuschung den schicklichsten Stoff hergeben; sie sind also zu unserm Endzweck fruchtbare Gegenstände der Nachahmung, aber auch mehr nichts. Sie müssen die feinere Politur nicht verdrängen und sich als die Zeiten der áchten Poesie anbieten wollen. Die übertriebene Empfehlung rauher Zeiten und Völker zum Vortheil der Dichtkunst kömmt uns vor, als wenn man zum Kunstgårtner sagen wollte:,,alle eure Blumen und Früchte stammen doch ursprünglich von Wiesen und Wäldern her; euer Kunstgarten wird also am vortrefflichsten seyn, wenn ihr nichts als Wald und Wiesen anzubringen fucht."

Bilder und Metaphern wachsen auf dem wilden Boden einer unbearbeiteten Sprache. Das Ungestüme in dem Ausbruch

des Affects wird nur bei rauhen, wenig gesitteten Menschen angetroffen; dieß kann nicht gelåugnet werden. Aber diese Eigenschaften allein machen noch keine wahre Poesie, sind nur einige Elemente, deren sich der Dichter mit Vortheil bedienen kann, und von dem schönen Ideal der Poesie noch weit entfernt. Wo bleibt der weise Gebrauch dieser Schönheiten selbst, die richtige Zeichnung, die Anordnung des Ganzen, die Bildung der Charaktere, die Behandlung der Leidenschaften nach ihrer wahren. Natur u. f. w.? An alle diese höheren Schönheiten kann in ungesitteten Zeiten nicht gedacht werden. Sie erfordern die feinste Cultur der Sitten, der Begriffe und des Ausdrucks, und können ohne wechselweise Hülfe aller schönen Künste und Wissenschaften, ohne Denken und Philosophiren nie zur Vollkommenheit gedeihen. Warum denken sich die Kunstrichter unter Philosophie allezeit metaphysische Grübelei? Die Metaphysik ist eine Wissenschaft, von der man im Stande der Wildheit nichts weiß; von einer Nation aber, die in Barbarei zurückgefallen, kann sie vielleicht noch ziemlich erhalten werden; denn sie erfordert Tiefsinn, aber wenig Feinheit der Sitten und der Empfindungen, die eine Frucht erleuchteter Zeiten ist. Allein wenn auch die Anstalten, die der Weltweise machen muß, metaphysische Wahrheiten zu erforschen, wie auch seine Methode und Art zu schließen, dem schönen Geiste nicht günstig sind; so sind ihm doch die Resultate mehrentheils sehr willkommen, indem sie ihn bereichern und seinen Vorrath von Erkenntnissen und Begriffen erweitern. Sodann ist auch nicht alle Philosophie logische Subtilitat. Es giebt auch eine freie, heitere Art von Philosophie, die den Menschen selbst und seine Gemüthskräfte, seine Sitten, Neigungen, Schwachheiten und Tugenden angeht; eine Weisheit, die unmittelbar in unsere Glückseligkeit Einfluß hat. Diese macht das Wesen der Dichtkunst aus, und ist zum wahren Ideal in allen schönen Künsten und Wissenschaften unentbehrlich. Ohne dieselbe ist der Dichter höchstens ein hochtrabender Schwäßer; ohne dieselbe sind alle schönen Künste und Wissenschaften geistloser Tand, der Kinder ergohen kann, Männern aber unanständig ist.

Wir sind weit entfernt, dem Hrn. Verfasser diese alltåq= liche ästhetische Vorlesung zu halten. Wir wissen, daß die Pa= radora eines guten Kopfes nicht nach dem Compendio beurtheilt werden müssen. Wenn die herrschende Meinung sich allzu sehr auf die eine Seite neigt, so verzeiht man es dem Verbesserer

gern, daß er den entgegengeseßten Gründen, die man übersehen hat, etwas mehr Gewicht giebt, als sie wirklich haben, um durch die Neuheit desto mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Auf folche Weise sind vielleicht die mehrsten Paradora entstanden, die Wirkung mitgerechnet, die zuweilen die Neuheit auf das Gemüth des Erfinders selbst hat. Einem solchen Schriftsteller die Stellen anführen, wo er von der Wahrheit abgewichen, heißt einem Spaziergänger die Landstraße zeigen. Allein für unsere gewöhnlichen Haufen der Nachbeter ist uns bange. Diese nehmen sehr oft die Irrgänge des Genies für gebahnte Landstraßen, wenn sie nicht bei jeder Abweichung gewarnt werden. Wir sind überdem der Meinung, daß man die Vereinigung der schönen Wissenschaften mit der Philosophie nicht eifrig genug empfehlen könne, und sich einer jeden Meinung widersehen müsse, welche diese verschie denen Erkenntnißarten einander entgegenseßt. Unser Verfasser ist Philosoph und schöner Geist zugleich; und wenn dieser das Philosophische beständig im Streit mit dem Schönen und Erhabenen aufführt, so ist man geneigt ihm zu glauben.

über freie und freiwillige Handlungen starker und großer Geister.

(Den 28 August 1769.)

Wir unterscheiden im Deutschen nachdrücklich genug freie Handlungen (physische) von freiwilligen Handlungen (moralischen). Wir können auch substantive Freiwilligkeit und Freiheit brauchen. Der Mensch kann seiner Freiheit, aber nicht seiner Freiwilligkeit beraubt werden. Wenn wir doch auch zu der bürgerlichen Freiheit ein besonderes Wort håtten! Eine Handlung, die ihren Grund in dem Willen hat, ist freiwillig. Wenn ihrer Ausführung kein physischer Widerstand entgegen ist, so ist sie frei (physisch). Wenn sie der Willkühr eines Undern nicht unterworfen ist, so heißt sie bürgerlich frei. Die Handlungen des Menschen sind sittlichen Gesehen unterworfen, hangen aber, ohne Vertrag, in Absicht auf ihre Bestimmung, bloß von feiner eigenen Willkühr ab, sind also frei. Durch den Vertrag

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