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Er glaubte ein hämisches Lächeln zu bemerken; es fiel ihm auf, daß er nur wenig mit ihm språche, daß er mit den Anwesenden viel rede und seiner gar nicht zu achten scheine. Ein alter Ritter war in der Gesellschaft, der sich immer als der Gegner Ecberts gezeigt und sich oft nach seinem Reichthum und seiner Frau auf eine eigene Weise erkundigt hatte; zu diesem gesellte sich Hugo, und beide sprachen eine Zeitlang heimlich, indem sie nach Eckbert hindeuteten. Dieser sah seinen Argwohn bestätigt, er glaubte sich verrathen, und eine schreckliche Wuth bemeisterte sich seiner. Indem er noch hinstarrte, sah er plößlich Walthers Gesicht, alle seine Mienen, die ganze ihm so wohl bekannte Gestalt; er sah noch immer hin und ward überzeugt, daß Niemand als Walther mit dem Alten spreche. — Sein Entsehen war unbeschreiblich; außer sich stürzte er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt und kehrte nach vielen Irrwegen auf seine Burg zurück.

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Wie ein unruhiger Geist eilte er jezt von Gemach zu Gemach; kein Gedanke hielt ihm Stand,2 er verfiel von entsetzlichen Vorstellungen auf noch entsetzlichere, und kein Schlaf kam in seine Augen. Oft dachte er, daß er wahnsinnig sei und sich nur selber durch seine Einbildung alles erschaffe; dann erinnerte er sich wieder der Züge Walthers, und alles ward ihm immer mehr ein Räthsel. Er beschloß, eine Reise zu machen, um seine Vorstellungen wieder zu ordnen; den Gedanken an Freundschaft, den Wunsch nach Umgang hatte er nun auf ewig aufgegeben.

Er zog fort, ohne sich einen bestimmten Weg vorzusetzen, ja er betrachtete die Gegenden nur wenig, die vor ihm lagen. Als er im stärksten Trabe seines Pferdes einige Tage so fort geeilt war, sah er sich plößlich in einem Gewinde 3 von Felsen verirrt, in denen sich nirgend ein Ausweg entdecken ließ. 1beside himself; "would stay; labyrinth.

Endlich traf er auf einen alten Bauer, der ihm einen Pfad, einem Wasserfall vorüber, zeigte; er wollte ihm zur Danksagung einige Münzen geben, der Bauer aber schlug sie aus. Was1gilt's,1 sagte Ecbert zu sich selber, ich könnte mir wieder einbilden, daß dies Niemand anders als Walther sei? — Und indem 2 sah er sich noch einmal um, und es war Niemand anders als Walther. Ecbert spornte sein Roß, so schnell es nur laufen konnte, durch Wiesen und Wälder, bis es erschöpft unter ihm zusammenstürzte. Unbekümmert darüber setzte er nun seine Reise zu Fuß fort.

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Er stieg träumend einen Hügel hinan; es war, als wenn er ein nahes munteres Bellen vernahm, Birken såuselten dazwischen, und er hörte mit wunderlichen Tönen ein Lied fingen:

Waldeinsamkeit

Mich wieder freut;

Mir geschieht kein Leid,

Hier wohnt kein Neid;
Von neuem mich freut
Waldeinsamkeit.

Jeht war es um3 das Bewußtsein, um die Sinne Eckberts geschehen;3 er konnte sich nicht aus dem Råthsel herausfinden, ob er jest träume, oder ehemals von einem Weibe Bertha geträumt habe; das Wunderbarste vermischte sich mit dem Gewöhnlichsten, die Welt um ihn her war verzaubert, und er keines Gedankens, keiner Erinnerung mächtig.

Eine krummgebückte Alte schlich hustend mit einer Krücke den Hügel heran. Bringst du mir meinen Vogel? meine Perlen? meinen Hund? schrie sie ihm entgegen. Siehe das Unrecht bestraft sich selbst; Niemand als ich war dein Freund Walther, dein Hugo. –

I have no doubt; 2 thus saying; it was all over.

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Gott im Himmel! sagte Ecbert stille vor sich hin, in welcher entseßlichen Einsamkeit hab' ich dann mein Leben hingebracht!

Und Bertha war deine Schwester.

Ecbert fiel zu Boden.

Warum verließ sie mich tückisch? Sonst hätte sich alles gut und schön geendet, ihre Probezeit war ja schon vorüber. Sie war die Tochter eines Ritters, die er bei einem Hirten erziehen ließ, die Tochter deines Vaters.

Warum hab' ich diesen schrecklichen Gedanken immer geahnet? rief Ecbert aus.

Weil du in früher Jugend deinen Vater einst davon erzählen hörtest; er durfte seiner Frau wegen diese Tochter nicht bei sich erziehen lassen, denn sie war von einem andern Weibe.

Eckbert lag wahnsinnig und verscheidend auf dem Boden; dumpf und verworren hörte er die Alte sprechen, den Hund bellen und den Vogel sein Lied wiederholen.

Tieck.

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Novelle n.

Der zerbrochene Krug.'

Mariette.

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Zwar La Napoule ist nur ein ganz kleiner Ort am Meerbusen von Cannes; aber man kennt ihn doch in der ganzen Provence. Er liegt im Schatten ewiggrüner,

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I the broken pitcher; it is true; quite; Cannes is a town in the district of Grasse of the French Department of Var, on the Mediterranean; near is the bay St. Juan, where Napoleon landed after his return from Elba; 5 Provence is the name of the former French province, it is now divided into three Departments.

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hoher Palmen und dunkler Pomeranzen. Das nun1 macht ihn freilich nicht berühmt. Doch sagt man,2 es3 wachsen da die feurigsten 4 Weintrauben, die süßeßten Rosen und die schönsten Mädchen. Ich weiß 5 es nicht ; glaub’° es indessen gern. Schade, daß La Napoule so klein ist, und der feurigen Trauben, füßen Rosen und schönen Mädchen unmöglich genug erzeugen kann. Sonst hätte man bei uns zu Lande doch auch davon.

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Sind seit Erbauung von La N a poule alle Lanapoulerinnen Schönheiten gewesen, so muß ohne Zweifel die kleine Mariette ein Wunder aller Wunder gewesen sein, weil ihrer 10 sogar die Chronik 10 gedenkt. Man nannte sie zwar nur die kleine Mariette; doch war sie nicht kleiner, als ungefähr ein Kind von siebenzehn Jahren und drüber " zu sein pflegt,12 dessen Stirn genau bis zur Lippe des aufgewachsenen 13 Mannes reicht.

Die Chronik von Napoule hatte ihre guten Gründe, von Marietten zu erzählen. Ich, an der Stelle der Chronik, hätte es auch 14 gethan.14 Denn Mariette, die mit ihrer Mutter Manon bisher 15 zu Avignon gewohnt hatte, drehte, 16 als sie wieder in ihren Geburtsort kam, diesen beinahe ganz um.16 Eigentlich 17 nicht die Häuser, sondern die Leute und deren Kopf; und auch 18 wohl 18 nicht 18 die Köpfe aller Leute, sondern vorzüglich solcher, deren Kopf und Herz in der Nähe von zwei seelenvollen 19 Augen immer in großer

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'it is true; it is said; eg is expletive; generous, rich; 5 wissen, to know; I am however most ready to believe it; it is a pity; or we too should indeed have some of them with us; 9,,wenn," if, is omitted; Lanapoulerinnen, women of La Napoule; O the chronicle makes mention of her; drüber, for,,darüber," above it, more; 12 is wont to be, or, generally is; 13 full-grown; 14 should have done the same; 15 until now; 16 umdrehen, to turn topsy-turvy; 17 in fact; 18 nor exactly; 19 lit. soul-full i. e. expressive.

Gefahr sind. Ich weiß das. In solchen Fällen ist1 nicht

zu scherzen.1

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Mutter Ma non hätte 2 wohl besser gethan,2 wåre3 sie in Avignon geblieben. Aber sie machte in La Napoule eine kleine Erbschaft; sie erhielt da ein Gütchen mit einigen Weinbergen, und ein niedliches Haus im Schatten eines Felsen, zwischen Delbäumen und afrikanischen Akazien. So etwas schlägt keine unbemittelte Wittwe aus. Nun war sie in ihrer Meinung reich und glücklich, als wär' sie Gräfin von Prevence oder dergleichen.

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Desto schlimmer ging's den guten Lanapoulesen. Sie hatten sich solches Unheils nicht versehen, und nicht im H omer gelesen, daß eine artige 10 Frau ganz Griechenland und Kleinasien in Harnisch" und Zwietracht" bringen konnte.

Wie das Unglück kam.12

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Kaum war Mariette vierzehn 13 Tage im Hause zwischen den Delbäumen und afrikanischen Akazien, so wußte 14 jeder junge Lanapoulese, daß Mariette da wohne, und daß in der ganzen Provence kein reizenderes Mädchen wohne, als eben in diesem 15 Hause.

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Ging 16 sie durch den Flecken, schwebend leicht, wie ein verkleideter 1 Engel, im flatternden Rock, blaßgrünen Mieder, vorn am Busen eine Orangenblüthe neben Rosenknospen, und Blumen und Bånder wehend um den grauen Hut, der ihr feines Gesicht beschattete, ja,19 dann wurden die finstern Alten beredt und die Jünglinge stumm. Und überall öffnete

I there is no joking; 2 would no doubt have done better; if she had stayed; 4 she inherited some property; a small estate; 6 African; "so etwas, such a thing, ausschlagen, to refuse; 8 the like; 9 it went so much the worse with the good Lanapoulese; 10 pretty; 11 anger and discord; 12 came about; 13 a fortnight; 14 wissen; in this very house; 6 when she walked; 17 disguised; 18 in front of; 19 indeed.

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