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Skepsis nehmen wir im Plisthenes, in der Antigone, der Skyla wahr. Daß in der Antigone Bacchus von Häron und seiner Braut angerufen auch wirklich erscheine, ist gegen alle Analogie und kann keinen Glauben finden, wenn auch Herr Wagner ausruft: En habes tragoediae argumentum, quod prorsus ex Euripidis mente constituisse nobis videmur. Einige gute Bemerkungen jedoch sind nicht zu übergehen; so die, daß der Sohn der Merope wie sein Vater den Namen Kresphontes geführt habe (nach Aspasius zu Aristot. Eth. III. 1), also der von Welcker angenommene Schatten des Vaters Kr. wegfalle; ferner daß Hygin in seiner Erzählung von Oedipus einem andern Tragiker gefolgt seyn müsse, da die Blendung bei ihm von Oedipus selbst und erst gegen Ende des Mythus vollzogen wird; wahrscheinlich ist auch die Vermuthung, in den Termeniden sei ein Krieg des Deiphontes mit seinen Schwägern, woran der Versuch, die Hyrnetho zu entführen, sich knüpfte, dargestellt worden. In der Einleitung zum Erechtheus ist sehr zweckmäßig an Plutarch's Nic. 9 erinnert, um Hartung's Behauptung abzuweisen, die Tragödie sei bereits Ol. 88, 2 gegeben worden, da sie jener Anspielung zu Folge erst nach der Schlacht bei Amphipolis gedichtet war; wenn man sich anders hier auf Plutarch verlassen darf. Uebrigens ist mit großer Weitschweisigkeit die Chronologie der einzelnen Stücke angegeben, wo es möglich war. Wir lesen z. B. über Jno: De tempore, quo docta est, nihil constat; inde tamen, quod in Aristophanis Acharnensibus (434) commemoratur, eam ante Ol. LXXXVIII, 3 actam esse probabile sit. Also wirklich nur probabile? Und diese lang gezogenen Phra= sen kehren überall wieder, statt einfach zu schreiben: Fabula in Vespis Aristophanis (Ol. 89, 2) respicitur, liest man über Theseus: »De tempore, quo fabula acta sit, si quaeris, inde quod in Aristophanis Vespis irrisa est, colligi potest ante Ol. LXXXIX, 2 eam scenae esse commissam." Hiemit soll überhaupt der in einer Fragmentensammlung besonders auffallende schleppende Styl des Berfassers charakterisirt werden. Die Hauptsache ist natürlich die Behandlung der Bruchstücke selbst, die unter der Hand des Herrn Wagner, wie wir anderswo zu erweisen gedenken, wenig gewonnen haben. Er scheint es mit dem Studium der Tragiker, d. h. ihrer vollständig erhaltenen Werke, zu leicht genommen zu haben, und daher selbst im Euripides nicht recht zu Hause zu seyn, sonst wäre es ihm schwerlich begegnet, daß er en Bers aus den böniffen 505 τὴν θεῶν μεγίστην ὥστ ̓ ἔχειν Tupavida unter den Fragm. incerta aufführte, weil er Cic. ad Att. VII, 11, 1 ohne Nennung des Dichters vorkommt. Hiebei macht er noch dazu die unrichtige Observation, Cicero citire nur Verse von Homer und Euripides omisso auctoris nomine,

denn die Jamben, welche ad Att. II, 16 angeführt werden, gehören dem Sophokles.

Den Rest des Bandes finden wir vielleicht späterhin Gelegenheit ausführlich zu besprechen. Heidelberg.

Kayser.

Art. III. Militärische Torrespondenz des Prinzen Eugen von Savoyen. Aus österreichischen Originalquellen. Herausgegeben von 3. Heller. Zweiter Band. 1703-1705. Wien, bei Carl Gerold, 1848. gr. 8.

Der

Der erste Band der „militärischen Correspondenz des Prin= zen Eugen von Savoyen" brachte uns fast ohne Ausnahme nur Berichte, Schreiben oder Weisungen, welche dieser große Feld= herr von den verschiedenen Kriegsschauplägen, auf denen er sich befand, aus den Feldlagern in Oberitalien oder in Südungarn, an den Kaiser und die oberste Militärbehörde, den Hofkriegsrath, richtete, oder die er an seine Waffengefährten, Freunde und Untergebenen erließ. Der vorliegende zweite Band aber beginnt mit Mittheilungen aus dem Jahre 1703, in welchem Eugen, der, wie schon in einem frühern Auffage gesagt wurde, nach Wien geeilt war, um dort die Angelegenheiten seines in Italien befindlichen Heeres energischer zu betreiben, sich Anfangs durch die Schwierigkeiten, die sich der Erreichung seines Reisezweckes entgegenstellten, dann aber durch die Uebernahme einer der wichtigsteu Staatswürden, der eines Präsidenten des Hofkriegsrathes, in der Hauptstadt zurück und von dem Kriegsschauplaße selbst entfernt gehalten sah.

Die zwei und sechzig Aktenstücke aus dem Jahre 1703, welche uns hier vorgelegt werden, dürften zum genaueren Verständniß füglich in drei Hauptabtheilungen gebracht werden. Die erste besteht in den Berichten Eugens an den Kaiser und den Hofkriegsrath; die zweite in seinen Schreiben an die kaiserlichen Generale, welche in Deutschland commandirten; die dritte in Erlässen an jene Feldobersten, welche in Italien befehligten. Die Briefe an den Kaiser ergehen sich meistens in kräftigen Schilderungen des traurigen Zustandes der Armee in Italien, deren Oberbefehl der Prinz dem Namen nach noch fortwährend führte, und in dringenden Fällen um Abhülfe der dort herrschenden Noth. Die Regimenter," sagt Eugen, sind nackt und bloß. Viele unter ihnen „haben schon zwei und mehrere Wochen nicht einmal das Wo= chengeld gehabt, und besigen keinen Heller, um sich wenigstens Strümpfe und Schuhe zu verschaffen. Die Armuth der Offiziere „ist so groß, daß viele Bettler in der Welt seyn werden, die kein

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„so mühseliges Leben führen. Es ist dieß um so härter, als sie doch durch ihre treu geleisteten Dienste, ihre erwiesene ungemeine Stand„haftigkeit und bisher gezeigte schwere Geduld die kaiserliche Gna„densreflerion und damit wenigstens die Ueberkommung ihres mit Schweiß und Blut erworbenen Liedlohns wohl verdient hätten, »sumalen sonsten fast keiner das Vermögen hat, sich bloß und „allein ein einziges pferdt unter den Leib zu schaffen, zu geschweigen mit mehreren der necessitaett nach sich in das Feld zu »richten.»

Eugen macht darauf aufmerksam, daß der Feind seine in Italien stehende Armee fortwährend und zwar in dem Maße verstärke, daß, wie der Obercommandant der kaiserlichen Truppen, Feldzeugmeister Graf Guido Starhemberg, melde, bei dem bevorste henden Untergange derselben kein anderes Mittel mehr übrig bleibe, als sich mit dem Feinde in eine Schlacht einzulassen. Er müsse es übrigens dem Urtheile des Monarchen selbst überlassen, was für ein Erfolg von einem solchen Wagestücke zu hoffen sei, „wann „eine Armee in Angesicht des Feindes nackt und bloß, ohne Pro»viant und zur behörigen defension nit Einmahl mit genugsamben Pulfer und Blei versehen ist, wo Sye noch darzu des Feindes »Superioritet vor Augen und weder eine reparirte, weniger be»spannte Artiglerie und Proviantfuhrwesen hat, zu deme auch von der Cavalleria kaum der vierte oder fünfte Theil beritten ist.»

»

„Ich meinerseits," fährt der Prinz fort, „habe an diesem „bevorstehend weithaussehenden Uibl umb so weniger schuldt, als »Ich schon vor villen Monathen her, und besonders in meiner dermahligen anwesenheith dahier Tag und nacht die rettungsmittl »pressieret, und daß Es Endlichen also Ergehen werde, clar und „öffters vorgesagt habe; Es würdet aber die Verantwortung bei „den Jenigen umb so größer seyn, aus deren schuldt Eine von »so tapfern alten Soldathen constituirte Armata ju grundt gehen, „und anmit sogar E. K. M. Cron und Scepter der högsten Ge»fahr exponiert seyn mueß und mit deme nochmallen allergehorsamst „das Jenige, was E. K. M. sowohl mündt alß schrifftlich mit „allerunterthänigsten respect vorgestellt habe, daß Ich nemblich »hiervor khein Einziges mittl noch rettung mehr sehe, sondern „man schon augenblicklich Ein Vorbeygangenes Unglückh Erwart»ten müesse, Es seye dann, daß Gott der Allmächtige nach der „gerechtigkheith E. K. M. Waffen selbsten miracl würkhen, und »selbe durch seinen starkhen beystandt aufrecht Erhalte, welches „nit allein bey gedachten Dero in Italien stehenden Trouppen, sondern auch anderer orthen umb so mehres zu wintschen were, „als ich meines orths auch anderwerths auß den so schlecht alß »unverläßlich vorkherenden dispositionen Ein gleichmeßiges Unglükh „nit unbillich besorge.

»Daß Jch aber mich Einer solchen freyheith Erkhünne, wers „den E. K. M. mir umb so weniger in Ungnaden aufnemben, alß „mich hiezue allein die Jenige schuldigkheith antreibet, mit welcher Deroselben Jch bis in meine Gruebe verbunden bin und E. K. M. sich allergnädigst gesichert halten wollen, daß mir dise harte Zuefäll umb so schmerzhaffter zu herzen gehen, alß meine immer„fortwehrende threüe nirgent anders hinzillet, alß zu Aufnembung dero allerhöchsten interesse Leib und leben, gutt und Blut „mit größter freide aufzuopfern.”

Die Schreiben Eugens an die in Deutschland commandirenden Feldmarschälle, den Freiherrn von Thüngen und den Grafen von Styrum, dann an die übrigen dort befindlichen Generale bringen nur wenig Neues. Dasselbe läßt sich von den Erlässen des Prinzen an die in Tyrol befehligenden Generale Solar, Guttenstein und Heister sagen. Wichtiger sind die hier mitgetheilten Schreiben an den Grafen Guido Starhemberg, mit dem der Prinz damals in den vertrautesten Verhältnissen gestanden zu seyn scheint, und in dessen Brust er seine Klagen über die Fahrläßigkeit, mit der alle Anstalten zum Kriege betrieben wurden, über die Unentschlossenheit des Kaisers selbst, über den geringen Diensteifer der Minister, über deren Uneinigkeit, über die schlechte Verwaltung der öffentlichen Gelder und den immerwährenden Mangel der zur Fortsehung der Feindseligkeiten unerläßlichen Mittel unumwunden ausschüttet.

Scheinen uns auch die Ausdrücke kräftig genug, deren sich Eugen in den hier wiedergegebenen Briefen bedient, wenn er über die Regierung und deren einzelne Mitglieder sich ausspricht, so sind sie doch noch farblos gegen diejenigen, womit er seinem Unmuthe in dem von ihm eigenhändig an seine Vertrauten gerich teten Schreiben Luft zu machen sich erlaubte. Man muß es sich überhaupt beim Gebrauche des vorliegenden Werkes stets gegen= wärtig halten, daß die hier gesammelte militärische Correspondenz Eugens nur die amtlichen Reskripte enthält, deren Concepte oder Ausfertigungen sich im kaiserlichen Kriegsarchive vorfinden. Aber weit mehr als in diesen, von einem Secretär angefertigten und von Eugen vielleicht oft kaum durchgesehenen Schreiben spricht fich des Prinzen Meinung und Ansicht in den von ihm eigenhän dig, stets nur in französischer Sprache geschriebenen Briefen aus. Eugen war des Deutschen nur in so weit mächtig, daß er dasselbe zu verstehen und einzelne Worte zu sagen und zu schreiben wußte. Hierauf beschränkte sich seine Kenntniß unserer Muttersprache. Es ergibt sich also von selbst, daß seine in französischer Sprache verfaßten Schreiben, besonders aber wenn sie von seiner eigenen Hand herrühren, einen weit höheren Werth haben, als

die hier mitgetheilten. Diese im kaiserlichen Staatsarchive, dann in den Archiven fremder Mächte und in jenen der ausgezeichnetsten österreichischen Adelsfamilien zerstreuten Documente, von wel chen natürlich Concepte nie eristirten, zu sammeln und durch den Druck zu veröffentlichen, wäre wohl eine weit mühevollere, aber auch eine weit lohnendere Arbeit gewesen, als die vorliegende, und hätte dieser wenigstens als Ergänzung dienen sollen.

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Einen Beweis für diese Behauptung liefert die Sammlung von Briefen Eugens an seinen Waffenbruder Guido Starhemberg, welche Regierungsrath J. Chmel in den Jahrgängen 1831, 1832 und 1833 des österreichischen Archivs von Ridler veröffentlicht hat. Sagt der Prinz schon in seinen amtlichen Schreiben, daß er den kaiserlichen Hof nie in schlechterem Zustande gesehen habe, als in jenem Zeitpunkte, so ist seine Sprache in seinen eigenhändigen Briefen noch weit unumwundener. Wir theilen hier nur eine dieser Stellen, welche wir aus einem Schreiben vom 28. März 1703 entnehmen, als Probe mit: Je n'ay jamais veu le maistre si irresolu ny de si grandes asnes que la pluspart de nos ministres car je ne veux pas croire qu'il y aye plus que de l'ignorence, ce n'est que menteries et caballes." Und unterm 4. Upril fährt der Prinz fort: „Jay protesté à l'empereur de la perte de son armée et de tous les malheurs qui sont à apprehender et qu'on ne peut presque eviter sans un miracle, il ecoute tranquillement, promet beaucoup et ne fait rien." Dem Kaiser selbst und der Fahr läßigkeit seiner Minister war es also zuzuschreiben, wenn von allen Kriegsschauplägen Klagen über Mangel an den nöthigsten Bedürfnissen, über die unverhältnißmäßige Mehrzahl und weit bessere Ausrüstung der feindlichen Heere, über die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Widerstandes erschallten. Leopold und seine Minister waren schuld, daß die kaiserlichen Heeresabtheilungen in Deutschland eine Schlappe um die andere erlitten, daß in Ungarn die Brandfackel des Aufstandes immer weiter um sich griff und endlich das ganze Land in Flammen steckte. Nur dem uns beugsamen Muthe und der Umsicht des Grafen Guido Starhemberg war es zu verdanken, daß die schwachen kaiserlichen Truppen sich dem weit überlegenen Herzoge von Bendome gegenüber in Italien fortwährend erhielten. Nur an dem schon damals gläns zend erprobten Heldenmuthe der braven Tiroler scheiterte der gi gantische Plan des Königs von Frankreich, die Baiern und Franzosen im Herzen jener Felsenburg zu vereinigen, um von da aus unaufhaltsam gegen Wien vorzudringen, und dem Kaiser in seiner Hofburg Geseze vorzuschreiben.

Wir haben der bitteren Klagen Erwähnung gethan, in welchen sich Eugen über die Räthe des Monarchen gegen Guido

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