Page images
PDF
EPUB

Merkmale, welche ein Wesen constituiren, richten müßten. Denn diese Merkmale machen gerade das Charakteristische desselben aus. Unter Charakter als Kunstgeset versteht er demnach,,jene bestimmte Individualität, wodurch sich Formen, Bewegung und Gebehrde, Miene und Ausdruck, Lokalfarbe, Licht und Schatten, Helldunkel und Haltung unterscheiden, und zwar so wie der vorgedachte Gegenstand es erfordert." Diese Bestimmung ist schon bezeichnender als sonstige Definitionen. Fragen wir nämlich weiter, was das Charakteristische sey, so gehört dazu erstens ein Inhalt, als 3. B. bestimmte Empfindung, Situation, Begebenheit, Handlung, Individuum; zweitens die Art und Weise, in welcher der Inhalt zur Darstellung gebracht ist. Auf diese Art der Darstellung bezieht sich das Kunstgesetz des Charakteristischen, indem es fordert, daß alles Besondere in der Ausdrucksweise zur bestimmten Bezeichnung ihres Inhalts diene, und ein Glied in der Ausdrückung desselben sey. Die abstracte Bestimmung des Charakteristischen betrifft also die Zweckmäßigkeit, in welcher das Besondere der Kunstgestalt den Inhalt, den es darstellen soll, wirklich heraushebt. Wenn wir diesen Gedanken ganz populär erläutern wollen, so ist die Beschränkung, die in demselben liegt, folgende. Im Dramatischen z. B. macht eine Handlung den Inhalt aus; das Drama soll darstellen, wie diese Handlung geschieht. Nun thun die Menschen vielerlei; ste reden mit ein, zwischen hinein effen sie, schlafen, kleiden sich an, sprechen dieses und jenes u. f. f. Was nun aber von alle diesem nicht unmittelbar mit jener bestimmten Handlung, als dem eigentlichen Inhalte in Verhältniß steht, soll ausgeschloffen seyn, so daß in Bezug auf ihn nichts bedeutungslos bleibe. Ebenso könnten in ein Gemälde, das nur einen Moment jener Handlung ergreift, in der breiten Verzweigung der Außenwelt eine Menge Umstände, Personen, Stellungen und sonstige Vorkommenheiten aufgenommen werden, welche in diesem Momente keine Beziehung auf die bestimmte Handlung haben, und nicht zum bezeichnenden Charakter derselben dienlich sind. Nach der Bestimmung des Cha

rakteristischen aber soll nur dasjenige mit in das Kunstwerk eintreten, was zur Erscheinung und wesentlich zum Ausdruck gerade nur dieses Inhalts gehört; denn nichts soll sich als müßig und überflüssig zeigen.

Es ist dies eine sehr wichtige Bestimmung, welche sich in gewisser Beziehung rechtfertigen läßt. Meyer jedoch in seinem angeführten Werke meint, diese Ansicht sey spurlos vorübergegangen, und wie er dafür halte zum Besten der Kunst. Denn jene Vorstellung hätte wahrscheinlich zum Karrikaturmäßigen geleitet. Dies Urtheil enthält sogleich das Schiefe, als ob es bei solchem Feststellen des Schönen um das Leiten zu thun wäre. Die Philosophie der Kunst bemüht sich nicht um Vorschriften für die Künstler, sondern sie hat auszumachen, was das Schöne überhaupt ist und wie es sich im Vorhandenen, in Kunstwerken gezeigt hat, ohne dergleichen Regeln geben zu wollen. Was nun außerdem jene Kritik betrifft, so faßt die Hirt'sche Definition allerdings auch das Karrikaturmäßige in sich, denn auch das Karrikirte kann charakteristisch seyn, allein es ist dagegen sogleich zu sagen, daß in der Karrikatur der bestimmte Charakter zur Uebertreibung gesteigert, und gleichsam ein Ueberfluß des Charakteristischen ist. Der_Ueberfluß ist aber nicht mehr das eigentlich zum Charakteristischen Erforderliche, sondern eine lästige Wiederholung, wodurch das Charakteristische selbst kann denaturirt werden. Zudem zeigt sich das Karrikaturmäßige ferner als die Charakteristik des Häßlichen, das allerdings ein Verzerren ist. Das Häßliche seinerseits bezieht sich näher auf den Inhalt, so daß gesagt werden kann, daß mit dem Princip des Charakteristischen auch das Häßliche und die Darstellung des Häßlichen als Grundbestimmung angenommen sey. Ueber das, was im Kunstschönen charakterisirt werden soll und was nicht, über den Inhalt des Schönen allerdings giebt die Hirt'sche Definition keine nähere Auskunft, sondern liefert in dieser Rücksicht nur eine rein formelle Bestimmung, welche jedoch in sich Wahrhaftes, wenn auch auf abstracte Weise, enthält.

Was sezt Meyer nun aber, ergeht die weitere Frage, jenem Kunstprincipe Hirt's entgegen, was zieht er vor? Er handelt zunächst nur von dem Princip in den Kunstwerken der Alten, das jedoch die Bestimmung des Schönen überhaupt enthalten muß. Bei dieser Gelegenheit kommt er auf Mengs und auf Winckelmann's Bestimmung des Ideals zu sprechen, und äußert sich dahin, daß er dieß Schönheitsgeset weder verwerfen noch ganz annehmen wolle, dagegen kein Bedenken trage, sich der Meinung eines erleuchteten Kunstrichters (Göthe's) anzuschließen, da sie bestimmend sey, und näher das Räthsel zu lösen scheine. Göthe sagt: „Der höchste Grundsaß der Alten war das Bedeutende, das höchste Resultat aber einer glücklichen Behandlung das Schöne." Sehen wir näher zu, was in diesem Ausspruche liegt, so haben wir darin wiederum zweierlei: den Inhalt, die Sache, und die Art und Weise der Darstellung. Bei einem Kunstwerke fangen wir bei dem an, was sich uns unmittelbar präsentirt, und fragen dann erst, was daran die Bedeutung oder Inhalt sey. Jenes Aeußerliche gilt uns nicht unmittelbar, sondern wir nehmen dahinter noch ein Inneres, eine Bedeutung an, durch welche die Außenerscheinung begeistet wird. Auf diese feine Seele deutet das Aeußerliche hin. Denn eine Erscheinung, die etwas bedeutet, stellt nicht sich felber, und das, was sie als äußere ist, vor, sondern ein Anderes; wie das Symbol z. B. und deutlicher noch die Fabel, deren Moral und Lehre die Bedeutung ausmacht. Ja jedes Wort schon weist auf eine Bedeutung hin und gilt nicht für sich selbst. Ebenso das menschliche Auge, das Gesicht, Fleisch, Haut, die ganze Gestalt läßt Geist, Seele durch sich hindurchscheinen, und immer ist hier die Bedeutung noch etwas Weiteres, als das, was sich in der unmittelbaren Erscheinung zeigt. In dieser Weise soll das Kunstwerk bedeutend seyn, und nicht nur in diesen Linien, Krümmungen, Flächen, Aushöhlungen, Vertiefungen des Gesteins, in diesen Farben, Tönen, Wortklängen, oder welches Material sonst benugt ist, erschöpft erscheinen, sondern eine innere Lebendigkeit, Empfindung,

Seele, einen Gehalt und Geist entfalten, den wir eben die Bedeutung des Kunstwerks nennen.

Mit dieser Forderung der Bedeutsamkeit eines Werks ist daher nicht viel Weiteres oder Anderes als mit dem Hirt'schen Princip des Charakteristischen gesagt.

Dieser Auffassung nach haben wir also als die Elemente des Schönen ein Inneres, einen Inhalt, und ein Aeußeres, welches jenen Inhalt bedeutet, `charakterisirt; das Innere scheint im Aeußeren und giebt durch dasselbe sich zu erkennen, indem das Aeußere von sich hinweg auf das Innere hinweist.

In das Nähere können wir jedoch nicht weiter eingehn.

c) Die frühere Manier dieses Theoretisirens wie jener practischen Regeln ist denn auch bereits in Deutschland gewaltsam auf die Seite geworfen worden - vornehmlich durch das Hervortreten von wahrhaft lebendiger Poesie - und das Recht des Genies, die Werke desselben und deren Effekte sind geltend gemacht worden gegen die Anmaßungen jener Geseßlichkeiten und breiten Wasserströme von Theorien. Aus dieser Grundlage einer selbst ächten geistigen Kunst, wie der Mitempfindung und Durchdringung derselben ist die Empfänglichkeit und Freiheit entsprungen, auch die längst vorhandenen großen Kunstwerke, der modernen Welt, des Mittelalters oder auch ganz fremder Völker des Alterthums (die indischen z. B.) zu genießen und anzuerkennen, Werke, welche ihres Alters oder fremden Nationalität wegen für uns allerdings eine fremdartige Seite haben, doch bei ihrem alle Fremdartigkeit überbietenden, allen Menschen gemeinschaftlichen Gehalt nur durch das Vorurtheil der Theorie zu Productionen eines barbarischen schlechten Geschmacks gestempelt werden konnten. Diese Anerkennung überhaupt von Kunstwerken, welche aus dem Kreise und Formen derjenigen heraustreten, die vornehmlich für die Abstractionen der Theorie zu Grunde gelegt wurden, hat zunächst zur Anerkennung einer eigenthümlichen Art von Kunst der romantischen Kunst geführt, und es ist nöthig geworden den Begriff und

die Natur des Schönen auf eine tiefere Weise zu faffen, als es jene Theorien vermocht hatten. Womit sich dies zugleich verbun den hat, daß der Begriff für sich selbst, der denkende Geist, sich nun auch seinerseits in der Philosophie tiefer erkannte, und damit auch das Wesen der Kunst auf eine gründlichere Weise zu nehmen unmittelbar veranlaßt ward.

So ist denn selbst nach den Momenten dieses allgemeinern Verlaufs jene Art des Nachdenkens über die Kunst, jenes Theoretisiren, seinen Principien wie deren Durchführung nach, antiquirt worden. Nur die Gelehrsamkeit der Kunstgeschichte hat ihren bleibenden Werth behalten, und muß ihn um so mehr behalten, je mehr durch jene Fortschritte der geistigen Empfänglichkeit ihr Gesichtskreis nach allen Seiten hin sich erweitert hat. Ihr Geschäft und Beruf besteht in der ästhetischen Würdigung der individuellen Kunstwerke und Kenntniß der historischen, das Kunstwerk äußerlich bedingenden Umstände; eine Würdigung, die mit Sinn und Geist gemacht, durch die historischen Kenntnisse' unterstüßt, allein in die ganze Individualität eines Kunstwerks eindringen läßt; wie z. B. Göthe viel über Kunst und Kunstwerke geschrieben hat. Das eigentliche Theoretistren ist nicht der Zweck dieser Betrachtungsweise, obschon sich dieselbe wohl auch häufig mit abstracten Principien und Kategorien zu thun macht, und bewußtlos darein verfallen kann, doch wenn man sich hiervon nicht aufhalten läßt, sondern nur jene concreten Darstellungen vor Augen behält, auf allen Fall für eine Philosophie der Kunst die anschaulichen Belege und Bestätigungen liefert, in deren historisches besonderes Detail sich die Philosophie nicht einlassen kann.

Das wäre die erste Weise der Kunstbetrachtung, welche vom Particulären und Vorhandenen ausgeht.

2. Hiervon ist wesentlich die entgegengeseßte Seite zu unterscheiden, nämlich die ganz theoretische Reflerion, welche das Schöne als Solches aus sich selbst zu erkennen und dessen Idee zu ergründen bemüht ist.

« PreviousContinue »