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entgegenstrebenden Leidenschaften und Zwecken fort, und müssen sich dem Schicksal unterwerfen. Selbst der christliche Gott ist dem Uebergange zur Erniedrigung des Leidens, ja zur Schmach des Todes nicht entnommen, und wird von dem Seelenschmerze nicht befreit, in welchem er rufen muß: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen;" feine Mutter erduldet die ähnliche herbe Pein, und das menschliche Leben überhaupt ist ein Leben des Streits, der Kämpfe und Schmerzen. Denn die Größe und Kraft mißt sich wahrhaft erst an der Größe und Kraft des Gegenfazes, aus welchem der Geist sich zur Einheit in sich wieder zufammenbringt, die Intensität und Tiefe der Subjectivität thut sich um so mehr hervor, je unendlicher und ungeheurer sie auseinandergezogen wird, und je zerreißender die Widersprüche find, unter denen sie dennoch fest in sich selber zu bleiben hat. In dieser Entfaltung allein bewährt sich die Macht der Idee und des Idealen, denn Macht besteht nur darin, sich im Negativen seiner zu erhalten.

Indem nun aber die Besonderheit des Ideals durch solche Entwickelung in das Verhältniß nach Außen tritt, und dadurch sich in eine Welt hineinbegiebt, welche statt das ideale freie Zusammenstimmen des Begriffs und seiner Realität an sich selber darzustellen, vielmehr ein Daseyn zeigt, das schlechthin nicht ist, wie es seyn soll, so haben wir bei der Betrachtung dieses Verhältnisses aufzufassen, in wie fern die Bestimmtheiten, in welche das Ideal eingeht, entweder für sich selbst die Idealität unmittelbar enthalten, oder derselben mehr oder weniger fähig werden

können.

In dieser Beziehung fordern drei Hauptpunkte unsre nähere Aufmerksamkeit.

Erstlich der allgemeine Weltzustand, welcher die Voraussetzung für die individuelle Handlung und deren Charaktere ist.

Zweitens die Besonderheit des Zustandes, dessen Be

stimmtheit in jene substantielle Einheit die Differenz und Spannung hervorbringt, die das Anregende für die Handlung wird, die Situation und deren Conflicte.

Drittens die Auffassung der Situation von Seiten der Subjectivität und die Reaction, durch welche der Kampf und die Auflösung der Differenz zum Vorschein kommt die eigentliche

Handlung.

1. Der allgemeine Weltzustand.

Die ideale Subjectivität trägt als lebendiges Subject die Bestimmung in sich, zu handeln, sich überhaupt zu bewegen und zu bethätigen, insofern sie was in ihr ist auszuführen und zu vollbringen hat. Dazu bedarf sie einer umgebenden Welt als allgemeinen Bodens für ihre Realisationen. Wenn wir in dieser Beziehung von Zustand sprechen, so ist hierunter die allgemeine Art und Weise verstanden, in welcher das Substantielle vorhanden ist, das als das eigentlich wesentliche innerhalb der geistigen Wirklichkeit alle Erscheinungen derselben zusammenhält. Man kann in diesem Sinne z. B. von einem Zustande der Bildung, der Wissenschaften, des religiösen Sinnes, oder auch der Finanzen, der Rechtspflege, des Familienlebens und anderer sonstiger Lebensrichtungen sprechen. Alle diese Seiten sind dann aber in der That nur Formen von ein und demselben Geiste und Gehalt, der sich in ihnen explicirt und verwirklicht. Insofern nun hier näher von dem Weltzustande der geistigen Wirklichkeit die Rede ist, so haben wir denselben von Seiten des Willens aufzunehmen. Denn durch den Willen ist es, daß der Geist überhaupt ins Daseyn tritt, und die unmittelbaren substantiellen Bande der Wirklichkeit zeigen sich in der bestimmten Art, in welcher die Willensbestimmungen, die Begriffe des Sittlichen, Geseßlichen, überhaupt dessen zur Thätigkeit gelangen, was wir im Allgemeinen die Gerechtigkeit nennen können.

Da fragt es sich nun, wie solch ein allgemeiner Zustand beAesthetik. 2te Aufl.

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schaffen seyn müsse, um sich der Individualität des Ideals gemäß zu erweisen.

a) Aus dem Früheren her lassen sich sogleich folgende Punkte feststellen.

a) Das Ideal ist Einheit in sich, und nicht nur formelle äußerliche, sondern immanente Einheit des Inhalts an ihm selbst. Dieß in sich einige substantielle Beruhen auf sich haben wir oben bereits als das Selbstgenügen, die Ruhe und Seligkeit des Ideals bezeichnet. Auf unsrer jeßigen Stufe wollen wir diese Bestimmung als die Selbstständigkeit herausheben und von dem allgemeinen Weltzustande fordern, daß er in Form der Selbstständigkeit erscheinen solle, um die Gestalt des Ideals in sich aufnehmen zu können.

Selbstständigkeit jedoch ist ein zweideutiger Ausdruck.

aa) Denn gewöhnlich heißt man das in sich selbst Subftantielle schon dieser Substantialität und Ursachlichkeit wegen das schlechthin Selbstständige, und pflegt es das in sich Göttliche und Absolute zu nennen. In dieser Allgemeinheit und Substanz als solcher festgehalten ist es dann aber nicht in sich selber subjectiv und findet deshalb sogleich an dem Besondren der concreten Individualität seinen festen Gegensay. In diesem Gegensaz jedoch geht, wie beim Gegensaß überhaupt, die wahre Selbstständigkeit verloren.

ßß) Umgekehrt ist man gewohnt, der wenn auch nur formell auf sich beruhenden Individualität in der Festigkeit ihres subjectiven Charakters Selbstständigkeit zuzuschreiben. Jedes Subject aber, dem der wahrhafte Lebensgehalt in so weit abgeht, daß diese Mächte und Substanzen außer ihm für sich selbst dastehen, und seinem innern und äußern Daseyn ein fremder Inhalt bleiben, fällt ebenso sehr in den Gegensaß gegen das wahrhaft Substantielle, und verliert dadurch den Standpunkt inhaltsvoller Selbstständigkeit und Freiheit.

Die wahre Selbstständigkeit besteht allein in der Einheit und

Durchdringung der Individualität und Allgemeinheit, indem ebensosehr das Allgemeine durch das Einzelne erst concrete Realität gewinnt, als das einzelne und besondre Subject in dem Allgemeinen erst die unerschütterliche Basis und den ächten Gehalt seiner Wirklichkeit findet.

77) Wir dürfen daher für den allgemeinen Weltzustand die Form der Selbstständigkeit hier nur so betrachten, daß die substantielle Allgemeinheit in diesem Zustande, um selbstständig zu seyn, die Gestalt der Subjectivität an ihr selbst haben müsse. Die nächste Erscheinungsweise dieser Identität, welche uns beifallen kann, ist die des Denkens. Denn das Denken ist einerseits subjertiv, andrerseits hat es als Product seiner wahren Thätigkeit das Allgemeine und ist Beides Allgemeinheit und Subjectivität in freier Einheit. Doch das Allgemeine des Denkens gehört der Kunst in ihrer Schönheit nicht an, und außerdem ist beim Denken die sonstige besondere Individualität in ihrer Natürlichkeit und Gestalt, wie in ihrem praktischen Handeln und Vollbringen, mit der Allgemeinheit der Gedanken nicht in nothwendigem Zusammenklange. Im Gegentheil tritt eine Differenz des Subjects in seiner concreten Wirklichkeit und des Subjects als denkenden ein, oder kann doch eintreten. Dieselbe Scheidung betrifft den Gehalt des Allgemeinen selbst. Wenn nämlich das Aechte und Wahre sich in den denkenden Subjecten bereits von deren sonstigen Realität zu unterscheiden anfängt, so hat es sich auch schon in der objectiven Erscheinung als für sich Allgemeines von dem übrigen Daseyn getrennt, und gegen dasselbe Feftigkeit und Macht des Bestehens erhalten. Im Ideal aber foll gerade die besondere Individualität mit dem Substantiellen in trennungslosem Zusammenklange bleiben, und insoweit dem Ideal Freiheit und Selbstständigkeit der Subjectivität zukommt, insoweit darf die umgebende Welt der Zustände und Verhältnisse keine für sich bereits, unabhängig vom Subjectiven und Individuellen, wefentliche Objectivität haben. Das ideale Individuum muß in

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sich beschlossen, das Objective muß noch das Seinige seyn, und sich nicht losgelöst von der Individualität der Subjecte für sich bewegen und vollbringen, weil sonst das Subject gegen die für sich schon fertige Welt als das bloß Untergeordnete zurücktritt. In dieser Hinsicht also muß wohl das Allgemeine im Individuum als das Eigene und Eigenste desselben wirklich seyn, aber nicht als das Eigene des Subjects, insofern es Gedanken hat, sondern als das Eigene seines Charakters und Gemüths. Mit andern Worten fordern wir daher für die Einheit des Allgemeinen und Individuellen, der Vermittlung und Unterscheidung des Denkens gegenüber, die Form der Unmittelbarkeit, und die Selbstständigkeit, welche wir in Anspruch nehmen, erhält die Gestalt unmittelbarer Selbstständigkeit. Damit ist aber sogleich die Zufälligkeit verbunden. Denn ist das Allgemeine und Durchgreifende des menschlichen Lebens in der Selbstständigkeit der Individuen unmittelbar nur als deren subjectives Gefühl, Gemüth, Charakteranlage vorhanden, und soll es keine andere Form der Existenz gewinnen, so wird es eben dadurch schon dem Zufall des Willens und Vollbringens anheimgestellt. Es bleibt sodann nur das Eigenthümliche gerade dieser Individuen und ihrer Sinnesweise, und hat als particuläres Eigenthum derselben für sich selbst keine Macht und Nothwendigkeit sich durchzusehen, sondern erscheint, statt sich in allgemeiner, durch sich felber festgewordener Weise immer von Neuem zu verwirklichen, rein als das Beschließen, Ausführen und ebenso willkührliche Unterlassen des nur auf sich beruhenden Subjects, seiner Empfindung, Anlage, Kraft, Tüchtigkeit, Lift und Geschicklichkeit.

Diese Art der Zufälligkeit also macht hier das Charakteristische des Zustandes aus, welchen wir als den Boden und die gesammte Erscheinungsweise des Ideals forderten.

P) Um die bestimmte Gestalt solch einer Wirklichkeit klarer hervortreten zu lassen, wollen wir einen Blick auf die entgegenges sezte Weise der Eristenz werfen.

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