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Auf altdeutschen und niederlän

larität als Portrait bekunden. dischen Gemälden z. B. findet sich häufig der Donatar mit seiner Familie, Frau, Söhnen und Töchtern abgebildet. Sie alle sollen in Andacht versenkt erscheinen, und die Frömmigkeit leuchtet wirklich aus allen Zügen hervor, aber außerdem erkennen wir in den Männern etwa wackere Kriegsleute, kräftig bewegte Menschen, in Leben und Leidenschaft des Wirkens viel versucht, und in den Frauen sehen wir Ehefrauen von ähnlicher lebenskräftiger Tüchtigkeit. Vergleichen wir hiermit selbst in diesen Gemälden, welche in Rücksicht auf ihre naturwahren Physiognomien berühmt find, Maria oder danebenstehende Heilige und Apostel, so ist auf ihren Gesichtern dagegen nur ein Ausdruck zu lesen, und alle Formen, der Knochenbau, die Muskeln, die ruhenden und bewegten Züge, sind auf diesen einen Ausdruck concentrirt. Das Anpassende erst der ganzen Formation giebt den Unterschied des eigentlich Idealen und des Portraits.

Nun könnte man sich vorstellen, der Künstler solle sich aus dem Vorhandenen die besten Formen hier und dort auserlesen und sie zusammen stellen, oder auch, wie es geschieht, aus Kupferstich- und Holzschnitt-Sammlungen sich Physiognomien, Stellungen u. f. f. heraussuchen, um für seinen Inhalt die ächten Formen zu finden. Mit diesem Sammlen und Wählen aber ist die Sache nicht abgethan, sondern der Künstler muß sich schaffend verhalten, und in seiner eigenen Phantasie mit Kenntniß der entsprechenden Formen wie mit tiefem Sinn und gründlicher Empfindung die Bedeutung, die ihn beseelt, durch und durch und aus einem Guß heraus bilden und gestalten.

B. Die Bestimmtheit des Ideals.

Das Ideal als folches, welches wir bisher seinem allgemeinen Begriff nach betrachtet haben, war relativ leicht zu fassen. Indem nun aber das Kunstschöne, insofern es Idee ist, nicht bei

feinem bloß allgemeinen Begriffe stehen zu bleiben vermag, sondern schon diesem Begriffe nach, Bestimmtheit und Besonderheit in sich hat, und deshalb auch aus sich heraus in die wirkliche Bestimmtheit hinübertreten muß, so kommt von dieser Seite her die Frage in Anregung, in welcher Weise, dem Herausgehn in die Aeußerlichkeit nnd Endlichkeit und somit in das Nicht-Ideale zum Troz, das Ideale sich dennoch zu erhalten, so wie umgekehrt das endliche Daseyn die Idealität des Kunstschönen in sich aufzunehmen im Stande sey.

Wir haben in dieser Beziehung folgende Punkte zu besprechen:
Erstens die Bestimmtheit des Ideals als solche;

Zweitens die Bestimmtheit, insoweit sie sich durch ihre Besonderheit zur Differenz in sich und zur Lösung derselben fortentwickelt, was wir im Allgemeinen als Handlung bezeichnen können;

Drittens die äußerliche Bestimmtheit des Ideals.

I. Die ideale Bestimmtheit als solche.

1. Wir sahen bereits, die Kunft habe vor Allem das Göttliche zum Mittelpunkte ihrer Darstellungen zu machen. Das Göttliche nun aber für sich als Einheit und Allgemeinheit festgehalten ist wesentlich nur für den Gedanken, und als an sich selbst bildlos dem Bilden und Gestalten der Phantasie entzogen, wie denn auch den Juden und Muhamedanern verboten ist, sich ein Bild von Gott für die nähere im Sinnlichen sich umthuende Anschauung zu entwerfen. Für die bildende Kunst, welche der concretesten Lebendigkeit der Gestalt durchweg bedarf, ist deshalb hier kein Raum und die Lyrik allein vermag in der Erhebung zu Gott den Preis seiner Macht und Herrlichkeit anzustimmen.

2. Nach der andern Seite hin jedoch ist das Göttliche, wie sehr ihm auch Einheit und Allgemeinheit zukommt, ebenso sehr auch in sich selbst wesentlich bestimmt, und indem es somit der Abstraction sich entschlägt, giebt es sich auch der Bildlichkeit und

Anschaubarkeit hin. Wird es nun in Form der Bestimmtheit von der Phantasie aufgefaßt und bildlich dargestellt, so tritt dadurch sogleich eine Mannichfaltigkeit des Bestimmens ein, und hier erst beginnt das eigentliche Bereich der idealen Kunst.

Denn erstens zerspaltet und zersplittert sich die eine göttliche Substanz zu einer Vielheit selbstständig in sich beruhender Götter, wie in der polytheistischen Anschauung der griechischen Kunst, und auch für die christliche Vorstellung erscheint Gott, seiner rein geistigen Einheit in sich gegenüber, als wirklicher Mensch in das Irdische und Weltliche unmittelbar verflochten. Zweitens ist das Göttliche in seiner bestimmten Erscheinung und Wirklichkeit überhaupt, im Sinn und Gemüth, Wollen und Vollbringen des Menschen gegenwärtig und wirksam, und so werden in dieser Sphäre vom Geiste Gottes erfüllte Menschen, Heilige, Märtyrer, Selige, Fromme überhaupt ein gleich gemäßer Gegenstand auch der idealen Kunst. Mit diesem Prinzip der Besonderheit aber des Göttlichen und seines bestimmten und damit auch weltlichen Daseyns, kommt drittens die Particularität der menschlichen Wirklichkeit zum Vorschein. Denn das ganze menschliche Gemüth mit Allem, wovon es im Innersten bewegt wird und was eine Macht in ihm ist, jede Empfindung und Leidenschaft, jedes tiefere Interesse der Brust, dieß concrete Leben bildet den lebendigen Stoff der Kunst, und das Ideal ist dessen Darstellung und Ausdruck.

Das Göttliche dagegen als reiner Geist in sich ist nur Gegenstand der denkenden Erkenntniß. Der aber in Thätigkeit verleiblichte Geist, insoweit er nur immer an die Menschenbrust anklingt, gehört der Kunst. Hier jedoch thun sich dann sogleich besondere Intereffen und Handlungen, bestimmte Charaktere und momentane Zustände und Situationen derselben überhaupt die Verwicklungen mit Aeußerlichem hervor, und es ist deshalb anzugeben, worin zunächst im Allgemeinen das Ideale in Beziehung auf diese Bestimmtheit liegt.

3. Die höchste Reinheit des Idealen nach dem bereits früher Ausgeführten wird auch hier nur darin bestehen, daß die Götter, daß Christus, Apostel, Heilige, Büßer und Fromme in ihrer seeligen Ruhe und Befriedigung vor uns hingestellt werden, in welcher sie das Irdische mit der Noth und dem Drang seiner mannichfachen Verflechtungen, Kämpfe und Gegensäße nicht berührt. In diesem Sinne hat besonders die Sculptur und Malerei Gestalten für die einzelnen Götter, ebenso für Christus als Welterlöfer, die einzelnen Apostel und Heilige, in idealer Weise gefunden. Das an sich selbst Wahrhaftige im Daseyn kommt hier nur in feinem Daseyn als auf sich selber bezogen und nicht aus sich heraus in endliche Verhältnisse hineingezerrt zur Darstellung. Dieser Abgeschlossenheit in sich fehlt es zwar nicht an Particularität, aber die im Aeußerlichen und Endlichen auseinanderlaufende Besonderheit ist zur einfachen Bestimmtheit gereinigt, so daß die Spuren eines äußeren Einflusses und Verhältnisses durchweg getilgt erscheinen. Diese thatlos ewige Ruhe in sich, oder dieß Ausruhen wie beim Herkules z. B. macht auch in der Bestimmtheit das Ideale als solches aus. Werden daher die Götter auch in Verwicklung gestellt, so müssen sie dennoch in ihrer unvergänglichen, unantastbaren Hoheit verbleiben. Denn Jupiter, Juno, Apollo, Mars z. B. sind zwar bestimmte aber feste Mächte und Gewalten, welche ihre selbstständige Freiheit in sich bewahren, auch wenn ihre Thätigkeit nach Außen gewandt ist. Und so darf denn innerhalb der Bestimmtheit des Ideals nicht nur eine einzelne Particularität erscheinen, sondern die geistige Freiheit muß sich an sich selbst als Totalität, und in diesem Beruhen auf sich als die Möglichkeit zu Allem zeigen.

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Weiter herunter in dem Gebiet des Weltlichen und Mensche lichen nun erweist sich das Ideale in der Weise wirksam, daß irgend ein substantieller Gehalt, der den Menschen ausfüllt, das nur Particuläre der Subjectivität zu bewältigen die Kraft behält. Dadurch wird nämlich das Besondere im Empfinden und Thun

der Zufälligkeit entrissen und die concrete Particularität in größerer Zusammenstimmung mit ihrer eigentlichen innern Wahrheit dargestellt; wie denn überhaupt was man das Edle, Vortreffliche und Vollkommne in der menschlichen Brust heißt, nichts Anders ist, als daß die wahre Substanz des Geistigen, Sittlichkeit, Göttlichkeit, sich als das Mächtige im Subject bekundet und der Mensch deshalb feine lebendige Thätigkeit, Willenskraft, seine Interessen, Leidenschaften u. s. f. nur in dieß Substantielle hineinlegt, um darin seinen wahren innern Bedürfnissen Befriedigung zu geben.

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Wie sehr nun aber auch im Ideal die Vestimmtheit des Geistes und seiner Aeußerlichkeit einfach in fich resumirt erscheint, so ist dennoch mit der in's Daseyn herausgekehrten Besonderheit zugleich das Prinzip der Entwickelung und damit in dem Verhältniß nach Außen der Unterschied und Kampf der Gegensäge unmittelbar verbunden. Dieß führt uns zur näheren Betrachtung der in sich differenten, processirenden Bestimmtheit des Ideals, welche wir im Allgemeinen als Handlung fassen können.

II. Die Handlung.

Der Bestimmtheit als solcher kommt als idealer die freundliche Unschuld engelgleicher himmlischer Seligkeit, die thatlose Ruhe, die Hoheit selbstständig auf sich beruhender Macht, wie die Tüchtigkeit und Beschlossenheit überhaupt des in sich selbst Substantiellen zu. Das Junre jedoch und Geistige ist ebenso sehr nur als thätige Bewegung und Entfaltung. Entfaltung aber ist nicht ohne Einseitigkeit und Entzweiung. Der volle totale Geist, in seine Besonderheiten sich auseinanderbreitend, tritt aus seiner Ruhe sich selbst gegenüber mitten in den Gegensaß des verworrenen Weltwesens hinein, und vermag sich in dieser Zerspaltung nun auch dem Unglück und Unheil des Endlichen nicht mehr zu entziehen.

Schon die ewigen Götter des Polytheismus leben nicht in ewigem Frieden. Sie gehen zu Parteiungen und Kämpfen mit

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